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Münchener Punsch: humoristisches Originalblatt — 18.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.25834#0128

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1S0

Dem Besucher des Kiulstvereius fällt vou weitenl eiue Büste aus,
dcren kühner Bart, uach beideu Seiten mächtig hiuausflammeud, auf
eiuen Feldherru, Erbförster, Thierbäudisier oder ein ähuiichcs martialischcs
Origiual schlicßeu läßt. Bei uäherer Betrachtimg ist es der iu deu wei
tcsteu Kreisen bekaunte Lyriker Herr vou G eibel.

Tableaur-DirektU Schneider gibt jeht iu Schweiufurt „Passious-
Vorstelluugeu". Seine frühere Behauptuug, als führe er wirkliche Mit-
gfleder des Oberammergauer Volksschauspiels mit sich, hat er wohlweis-
lich fallcu lassen; er vertheidigk sich jetzt nur mehr gegeu verschicdeue
Vorwürfe, z. B. daß die Maria bei ihm vou eiuer aurüchigen Persou
dargestellt tverde. Die Rolle dcr heil. Maria, erklärt Herr Schueidcr,
werde von seiner Frau gegebeu, einer Gastwirthstochter aus Augsbnrg.

Der Berliner Geschichtsprofessor Nanke ist zwar Mitglied der von
König Mar gegründeten nnd reich dotirten Geschichtskommission, treibt
aber deßhalb doch nicht „mittelsiaatliche Politik", sondern gehört im Ge-
gentheil zu den eifrigsten Vcrtheidigern der preußisc^en Erbansprüche an
Schleswig-Holstein, so daß ihn König Wilhelm nenestens iu deu erb
licheu Adelsstand seines Königreiches erhoben hat. Hcrr von Ranke
wird sich nächsten Herbst auf Geschichtskommissiou nueder iu Münchcn
einfinden.

Jn der letzten Nummer erzählten wir vou der sittlicheu Eulrüstuug
des Wieuer „Haus Jörgcl" über Offenbach's „Schöne Heleue". Der
Referent der „Ostdentschen Post" verlacht diese Moralisterei uud sagt:
Das Stück sei lustig und nicht frivoler als viele andere. Nach Dnrch
lesung des französischen Originaltertes möchten wir uns dcnu doch lieber
auf die Seite des Hauus Jörgel stelleu. Das in Paris fabricirte Li-
bretto ist des Angusteischen Zeitalters (siehe die „Gespräche des Labienus")
vollkommeu würdig; die so ziemlich jedem frauzösischeu Lustspiele zu
Gruude liegende Verhöhnung der Ehe wird da nnter Assistenz der edlen
Ntnsika natürlich noch drastischer durchgeführt; den Ehebrnch erklärt die
schöne Helene für ihr Schicksal — ,.c?68t mn ültnlito!" Die dankbarste
llnd komischste Rolle hat der Oberpriester Calchas, Jnhaber eines „Tem
pels" mit zahlreichem weiblicheni Hülfspersonal; nuter welche Katcgorie
dieser alte Lump raugirt, läßt sich deuken. Daß man über ihn, wenn
er init Witz dargestellt wird, lachen muß, glauben wir der Ostdentschen
Post gerne; wie es aber mit dem höhern Beruf und denr endlichen
Schicksal der Volksbühnen bestellt sein wird. wenn diese Richtung
Platz greift nnd am Eirde vom „Volke" einzig mehr goutirt wird, dar-
über mag sich Jeder seine Gedanken selbst macheu. Nein, lieber etwas
iveniger Dividende für die Aktiouäre und die ästhetische Fahne hoch ge-
halten!

Zrr Anfang des zweiten Qnartnls erledigen die Post anstalten
anch vierteljiihrige Beftellnngen. Preis in Bayern 30 kr.

Drnck der vr. Mild'schen Buchdmckeret tParcuS).
 
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