Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Münchener Punsch: humoristisches Originalblatt — 18.1865

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.25834#0176

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
168

Vorige Woche konnte man nn Theatergebäude vernehinen, daß zur '
Aufführung von „Tristan und Jsolde" sogar aus Californien Billet-
bestellnngen einliefen. Ein hier anwesender Kaufmann hat sich nämlich
als aus San Franeisco vormerken lassen. Aehnlich verhält es

sich wohl auch, init den Bestellungen „aus Constantinopel".

Da der fowohl als Occidentalist wie als Orientalist gleich berühmte
Gelehrte vr. Lonis Napoleon nun anch den Koran in die Politik ein-
geführt hat, so bemerken wir jenen Lesern, welche das türkische Evange-
liuin nicht kennen, daß dasselbe in 1l5 Suren oder Abschnitte getheilt
ist, wovon jeder einen bestimmten Namen hat. Die „Snre von der
Kuh" wird deßhalb so geheissen, weil darin von der Opferkuh die Rede
ist, deren Asche bei den Kindern Jsrael zu Sprengwasser benützt wurde,
nm dainit Unreine zu reinigen. Der Prophet hat die Geschichte dem
vierten Buche Mosis Lntlehnt. Es gibt verschiedene Suren, vom Karneel,
von der Spinne u. s. w. Nur eine Sure vom Schweinehund ist un-
bekannt.

Für Niederbayern wird nun in Deggendorf eine Kreis-Jrren-
anstalt errichtet und zwar für alle Bekenntnisse: Jnden, KalholikenFPro-
testantcn und „einfache Christen."

Jn Washington organisirt sich bereits eine Sainmlung zur Er-
richtung eines Nationaldenkmals. Hoffentlich nehmen sich die
Nordamerikaner kein Vorbild an Bayern, sonst bekommen sie eine ver-
nnglückte Stistnng und vielleicht ein schlechtes Denkmal.

Der sel. Konig Marimilian hat von den Nittern seiner Tafelrunde,
von den Geschichtscommissionen und andern Schöpfungen seiner Groß-
muth bekanntlich nicht immer den besten Dank erlebt. Einen hübschen
Beitrag zur Geschichte der Pietät gegen sog. zweite Vaterländer lieferte
nnlängst der nunmehr badische Staatsrath Bluntschli, welcher in einer
Sitzung der dortigen ersteu Kanimer daranf hinwies, daß Bayern seine
Bestandtheile aus verschiedener Herren Ländern auch nicht immer auf l e-
gitimem Weg erworben, also auf dentsch eigentlich znsammengestohlen
habe. Es ist nur sonderbar, daß sich die Herren v. Sybel, Bluntschli
u. A. daran nicht gestoßen-haben, so lange sie noch in Bayern waren
und auch zn bleiben vorhatten? — Legitimistische Scrnpel sind heut zu
Tage allerdings läcberlich, am allerübelsten aber wären sie jedenfalls in
Baden angebrachl.

Krieftanzen.

Etwas vom „niedern Klerns". Jn welch'eigenthümliche Situationen
mancher Mann durch manche Beförderungen manchmal gebracht wird,
zeigt eine unlängst erfolgte Pfarreibesetzung; der Pfarrer ist 37 Jahre
alt und zählt 12 Dienstjahre, der 60 jährige erste Kaplan 33 Dienst-
jahre, der zweite 50 jährige 26 Dienstjahre und der dritte 46 jährige 25.
(Nun, das gibt wenigstens eine Tarokpartie; hoffentlich wird der junge
Herr Pfarrer seinen alten Capläncn nicht auch die Soli wegnehmen.)

Diuck drr vr. Wild'schen Buchdruckerei (ParcuS).
 
Annotationen