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Münchener Punsch: humoristisches Originalblatt — 18.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.25834#0234

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226

Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen, wer aber ißt,
der wird doch auch reden dürsen?

rlllit welchem Recht behauptete aber Herr Ranke beim Diner
der Linken: in München habe der Liberalismus einen gar schwa-
chen, d. h. gar keinen Boden? Wagt es Herr Ranke, aus
den Ergebnissen seiner Versihgruben - Forschungen Schlüsse auf
den politischen Boden zu ziehen? Warum ist München nicht
liberal? Oeffentlichkeit und Mündlichkeit, Preß-, Versammlungs-
und Redefreiheit — stehen sie dahier nicht in voller Blüthe?
Möchten wir die politischen Processe den Geschwornen entziehen
lassen? Hat dahier Jemand Anlaß gehabt, die Justiz ein betrü-
gerisches Marktweib zu nennen, wie es in Preußen geschehen?
Wo hat sich in der schleswig-holsteinischen Sache mehr deutsche
Gesinnung geoffenbart, in München oder in Berlin? Welches
war im März 1848 die Stadt der Jnitiative? Ist es dem
Publikum dieser Stadt nicht wiederholt gelungen, ein
verhaßtes System durch den Druck seiner Willensmeinung zu stürzen?
Eine Stadt, welche liberale Thaten aufzuweisen hat, braucht sich
vor einem liberalen Festesser nicht zu schämen. Oder beschränkt
sich der Begriff des Liberalismns vielleicht aus die Brater'sche
Theorie vom Bundesstaat unter preußischer Führung? Dagegen
ist der Münchener Boden durch jene „Nichts durchlassende Mergel-
schicht" allerdings gesichert und für solche Doktrinen können ihn
alle „Berieselungen" aus preußischen Abzugskanälen nicht empfäng-
lich machen. Liberal sein heißt aber den Bedürfnissen der Zeit Rechnung
tragen und in politischer wie socialer Beziehung Jedem sein
Recht zuerkennen. Wie blöde und von welch' selbstsüchtiger
Coterie müßte ein Publikum unterdrückt sein, das in seiner
Gesammtheit sich diesem Geist der Zeit, d. h. dem Geist des
Rechtes sür Alle feindlich zeigte, d. h. dem Liberalismus
keinen oder nur schlechten Boden böte! Mit welchem Recht
stellt uns nun Herr Ranke so niedrig, sörmlich unter die
Türken, die nach übereinstimmenden Nachrichten sehr liberal sein
sollen?

Doch der junge Professor hat das nicht so böse gemeint.
Wenn man ein Schimon'sches Mittagessen und Jordan'sche
Weinproben im Leibe hat, meint man Nichts böse. Herr
Ranke hat das trockene Kiesgerölle mit den Denkorganen der
Münchener ünd das Wasser mit dem Liberalismus verwechselt.
 
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