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Münchener Punsch: humoristisches Originalblatt — 18.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.25834#0258

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um die Ohren streicheu zu lassen, wenu vou den Missethaten in
Holstein und Schleswig die Rede ist!

Oder soll man an das größte und hervorragendste Organ
des preußischen Liberalismus erinnern, an die Berliner Na-
tionalzeitung? Dieselbe hat die — Schamlosigkeit, den
Schleswig-Holsteinern vorzuwerfen: sie hätten zu ihrer Befreiung
selbst nicht eine Hand gerührt, während die demokratische Vor-
kämpferin doch weiß, daß den Herzogthnmern eben dnrch Preußen,
unter Oestreichs Assistenz, die Hände gebunden wurden! Der
Oberflächlichkeit oder gar Unwissenheit kann man solche Schand-
phrasen nicht zuschreiben, denn die Nationalzeitnng ist ein geist-
reiches und berühmtes Blatt. Um aber einen unglücklichen
deutschen Volksstamm lediglich zu höhnen, dazu ist sie vielleicht
nicht schlecht genug. Das Wort ist ihr also lediglich ur einem
Anfall specifisch preußischer Annexionswnth entsahren.

Die „Berliner Nationalzeitung" aber gehört unseres Wissens
nicht zum „officiellen Preußen!"

Die Münchener „Neuesten Nachrichten" haben in ihrer sehr
verdicnstvollen Kanalverbesserungs-Agitation bewiesen, daß sie
Aufrichtigkeit in Allem für das Beste halten, weßhalb sie es dem
städtischen Bauamt sehr übel vermerkten, wenn in dem Bericht
an die Berliner verschwiegen wurde, daß es unserm an sich
so schönen Kanalsystem eben an der Durchspülung sehlt.

Ja, ja — der alte Kunstgriff der Usservntio mtzillnlw, des-
sen Erfindung oder praktische Einführnng von Einigen den Je-
suiten zugeschrieben wird, ist noch immer im Schwung! Solche
Vorbehalte geschehen, wie oben im Münchener Kanalbericht,
manchmal aus Schamgefühl, manchmal aber auch — mis hoch-
politischen Rücksichten.

Also wolle man uns dnrch die Bezeichnnng „officielles Preu-
ßen" nicht glauben machen, es eristire auch ein nichtosficielles,
das seinen Schwerpunkt nach Frankfnrt verlegen und unterm
Schatten der deutschen Fahne gemeinsamen Zwecken mit gleichen
Opfern dienen wolle.

Vielleicht läßt die nächste Generation eher mit sich reden.

Das Unglück sür die heutigen nichtofsiciellen Preußen besteht
darin, daß Herr v. Bismark nicht liberal ist, d. h. daß vermöge
des in Preußen jetzt und allezeit maßgebenden Junkerthums ein
liberaler Minister sich niemals träumen lassen dürste, bestimmen-
den Einsluß zu üben.
 
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