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Münzenberger, Ernst Franz August; Beissel, Stephan
Zur Kenntnis und Würdigung der Mittelalterlichen Altäre Deutschlands: ein Beitrag zur Geschichte der vaterländischen Kunst (Band 2): Mit 100 photogr. Tafeln — Frankfurt a.M., 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.15164#0016

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gegen die Seiten an Bedeutung (vgl. I Tasel 79). Die
Nenaissance machte die Mitte wiederum niedriger und endete
bald oben mit einem Gesimse, auf das sie gerne eine Nische
stellte. Ligenthümlich bleibt den belgischen Altären die Abneigung
gegen eine noch jenseits des Rahmens fortgesetzte verzierung.
Nkit dem Rahmen schließt der Lchrein, höchstens steht noch
auf der Spitze in der Riitte, oder, wenn jede der drei Ab-
theilungen ihre Spitze hat, auf jeder Bpitze eiire Aonsole mit
einer Figur. Aber Aalen, Lauben, oder gar aus chtrcben,
Bogen und dergl. zusammengcsetzte Aufsätze haben diese
Altäre nie.

2. Die Llügel waren anfangs gleich dem Schrein einfach
viereckig. Als man die Rlitte des chchreines quadratisch
überhöhte, erhielten auch sie viereckige Ansätze. Rlit dem
Bchreine werden sie oben gebogen. Als aber der Schrein in
der Rlitte stark überhöht war, zerlegte man die beiden Llügel
in vier, von denen ein kleineres paar die Ueberhöhung der
Rlitte, ein größercs den Nest des Schreines schloß. Dis großen
Llügel erhieltcn auf jeder Geite ein Bild, nachher zwei oder
vier Bilder. In späterer Zeit brach man sie, damit sie leichter
geöffnet werden und wenigcr Naum einnehmen kömüen. Man
hatte dann in jedem großen Flügel zwei lange Bretter, die
nun je ein Bild innen und außen erhielten. Llügel mit
chchnitzereien sind um fZOO selten, sinden sich aber doch bci
reichen Anlagen z. B. in Lombeek, Gheel, im Georgsaltar
zu Brüsscl, in Güstrow u. s. w.

z. Ligentliche predellen sind sehr selten. Der chchrein
des Aluseums Steen zu Antwerpen steht auf eincr gemalten,
worin ein „Arg.t6r Aieo1g.u8 cio koppol, oonvorsus ot
portg.rin8^.v6rbocii6N8i8"kuiet. Sie gehört aber nicht zum Lchrein.
Dagegen ruht der chchrein von Gllomont, jetzt im Brüsseler
Runstgewerbemuseum(Llci86S cle8 grt8 c>66orgtil8 6tincici8tri6l8),
noch auf einem Untersatz, der die Lorm der j)redella bewahrt
hat und in dreizehn im Lsalbkreis geschlossenen Nischen die
geschnitzten Brnstbildcr Lhristi und der dlpostel enthält.

Nleist vertcitt eine untere Neihe von Gruppcn inr
chchreine die alte predella. An sie erinncrt auch eine mit
durchbrochenem Maßwerk gefüllte Leiste, womit die meistcn
Aufsätze beginnen.

Dur Znnern der Schreine begegnen Statuen uns
selten. In der Ulitte des Bchreines von L6au bei Tongern
thront eine sitzende Bischofsfigur. chie ist aber älter als der
Schrein und als die sechs kleinen Gruppen mit Lcenen aus
dem Lebcn dcs hl. Leonard. Auf seinen Llügeln hat der besscr
erhaltene Altar der bserzöge von Burgund die Statuen der
zwölf Apostel, jener von Lsackendover überdies noch in einer
zweiten Ncihe die von zwölf anderen bfeiligen, im Ganzen
also vierundzwanzig Bildwerke?) Aber diese älteren Schreine
übten mit ihren chtatucn keincn Ginfluß auf die spätere Lnt-
wickelung. Beim Ausgange des Rlittelalters begnügte man
sich in Belgien, in die Ränder und vor die beiden vertikalen

h Dcr Schrein von Vllomont im Luxemburgischen Lande ist
eine unbedeutcndc Arbeit aus dcm zweiten vicrtel des XVI. Iahrhun-
derts von ca. pso m Breite, ohne Lliigel und ohne fdolychromie. Er
hat drci nicht durch Zwischenglieder getrcnnte Gruppcn: die Arciiztragnug,
die Urcuzignng untcr dcr viereckig übcrhöhten Alitte und die Grablcgung.
Ilebcr jedcr Gruppe steht ein haudwcrksmäßig gcarbciteter Baldachin.
Die Isenker benehmen sich recht roh gegen Lhristus, was um ss mehr
auffällt, als bei der Urcuztraguug nicht weniger als siebcn Schergen
dcn kerrn umgebcn, dagegen alle fehlen, die soust zur verjöhnung bei
dieser 5cene dargestellt werden: Maria, veronika und Andere.

vgl. I §. y2. Im Llusee ües srts iuänstrisls stehcn gute
Gipsabgüsse dcr Aitärc von Lvau und bjackendover.

Trenniingsleisteii kleine Statuen zu stellen, wie man sie in den
chtrebexfeilern der Rirchen und Nathhäuser zu sehen gewohnt war.
Dben auf den chchrein stellte man gerne die Figur des Altar-
xatrons. Als die Schreine oben in einem, dann in drei Lsels-
rücken endeten, ließ man letztere hie und da in Ronsolen ausgehen,
auf denen Statuen j)latz sanden. Das Innere des Schreines
blieb fast ausschließlich den Gruxpen mit mehr oder weniger
Figuren (2—20, meist 6—(0). Die älteren Gruxpen sind
gedrängt und aus einem verhältnißmäßig dünnen Block ge-
schnitten, weil sie in ihren chchreinen nicht viel Naum fanden.
Sxäter wurden die chchreine tieser und die Zabl der Gruxxen
verringert. Dadurch konnts man ihre einzelnen Figuren von
einander trennen und ihnen niehr chxielraum geben. Gegen
Lnde des Nkittelalters wurden sür die flämischen Altäre die
Grupxen sast stets so angelegt, daß die hjauptxerson in der
Rlitte und in der zrveiten Reihe sich findet. Zn die erste Reihe
stellte man rechts und links zwei, höchstens vier Figuren, in
die dritte Neihe zwei bis sechs. Nkeist ist jede Figur der ersten
und zweiten Reihe für sich geschnitten und von den andern
getrennt. Nur geschlossene Gruppen, z. B. Nlaria und Llisabeth
bei der bseimsuchung, bei der Darstellung Nlaria, Bimeon und
der Altar, dann Zohannes mit der hinsinkenden Schinerzens-
mutter bestehen aus einem Btücke.

Zuweilen stehen die Gruxpen ohne jede Trennung
nebeneinander, z. B. in dein oben erwähnten Altar von Gllomont,
in der linken Abtheilung eines Steinaltars der Aapelle des
bserzogs von Arenberg und in den beiden scitlichen Abtheilungen
des jüngst aus Turin ins Brüsseler Rluseum gekommenen
fläinischen chchreines. Zn all diesen Fällen sind die Figuren
aber auch mehr zusammengedrängt als sonst. Nkcist trennt
eine Bretterwand mit einer reich xrofilirten Aoxfleiste die
einzelnen größercn Soenen. Zn reicheren werken sällt die
trennende Ivand weg und stehen nur Säulen oder sreie pfciler
im Vordergrund zwischen den einzelnen Darstellungen, z. B.
im Altar des hl. Leonard zu Leau. Nebereinander gestellte
Gruxxen sind der Negel nach durch Baldachine und starke
bsorizontalgesimse geschieden. Zndessen crlaubcn große Meister
in den besten Arbeiten sich hierin Ausnahmen. cho stehen
in bserenthals kleiners Gruxxen über größeren in deren
Lsintergrunde, und sind oft Marias Tod und 2lufnahme oder
Arönung ohne Trennung in einer Abtheilung vereint.

Bei vielen flämischen, besonders bei den aus Antwerxen
stammenden Altären hat man zur Abrundung der einzelnen
Abtheilungen des Schreines cin ebenso einfaches als wirksames
chystem erfunden und bis zur höchsten vollendung ausgebildet.
Nachdem der chchreiner die Nückwand und die Linsassung
des großen Aastens vollendet hatte, theilte er ihn durch hori-
zontale und vertikale Mände. Nun standen lauter viereckige,
höchstens oben etwas gerundete Abtheilungen vor ihm. Am
diese kastenartigen Abtheilungen zu gliedern, stellte er zuerst zur
Nechten und Linken eine im Grundriß etwa aus einem Drittel
eines Areises bestehende Rehle. Zede füllts in der Lreiten-
richtung ctwa ein Achtcl, in der Tiefe etwa cin viertel der
Abtheilnng. Dann nahni er drci Bretter. Die beiden ersten
stellte er so neben jene Rehle, daß sie von ihr schräg zur
hinteren lvand des Schreines gingen, das dritte Brett stellte
er an das <Lnde der anderen vor jene hintere Mand. Diese
Bretter bildeten dann drei Seitcn eines Se.hsccks. Mit jenen
Rehlen nahmen sie der Abtheilung die Lsärte eines viereckigen
Rastens. kvo Landschaften oder das Znnere eines bsauses
den bsintergrund bilden sollten, schnitt dcr Bildhauer diesen
i^intergrund aus jenen Brettern aus. Zn den meisten Fällen

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