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Münzenberger, Ernst Franz August; Beissel, Stephan
Zur Kenntnis und Würdigung der Mittelalterlichen Altäre Deutschlands: ein Beitrag zur Geschichte der vaterländischen Kunst (Band 2): Mit 100 photogr. Tafeln — Frankfurt a.M., 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.15164#0054

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Mttelalterliche Altäre

in Bayern und Württemberg seit etwa

r

Altäre zu
AirrLach und
Aschaffenburg.

Sog. Altar
aus Lalcar
zu München.

j

r


Altäre der beiden süddeutschen Aönigreiche
lassen sich nicht füglich von einandec trennen.
Änd doch einerseits, abgesehen von kleinern
Aunstoentren, aus den Städten Mürzburg und
Nürnberg viele Werke in Württembergischs Gebiete gekommen,
andererseits aus dec Uliner Schule manche jetzt in Bayern
befindliche Arbeiten hervorgegangen. Auch innerhalb der beiden
Reiche würde eine strenge Scheidung nach der fetzt eingeführten
Areisordnung oftmals Zusamnrengehörendes auseinanderreißen.
Ls wird darum am besten sein, die vorhandenen Altäre in
Gruppen zu vertheilen, als deren Lentcen bedeutendere
Btädte angesehen werden dürfen. Zst aus einer Btadt sicher
ein Altar in eine andere Gegend gebracht, so wird er, falls
nicht andere Gründe dagegen sprechen, bei Besprechung der
Werke seines Ursprungsortes behandelt. Line Eintheilung
nach Bchulen und eine Zuweisung an diese oder jene Schule,
welche nur auf Stilähnlichkeit sich gründet, ist doch sehr
gefährlich, weil wir zu wenig darüber unterrichtet sind, in
wie vielen Btädten selbständige Werkstätten bestanden und in
wie weit dieser oder jener bedeutende Neister im Laufe des
tebens seine Ligenthümlichkeit geändert haben mag.

Grnfi»chfiiimischerAltäreaufdiesüddeu1sche,r.

Die flämische Ulalerei des sZ. Zahrhunderts hat so ent-
schieden eingewirkt auf Süddeutschland, daß es auffallsnd ssin
würde, wenn sich nicht auch Spuren flämischer Plastik dort
fänden. Bereits oben (S. 2?) wurde auf den in flämischec
Art ausgeführten Altar von Airrlach hingewieseu. Der
alte „Altar der vierzehn bseiligen" in Aschaffenburg ist s682
umgcändert und neuestens von Bildhauec Weiß in Lcankfurt
restaurirt worden. Zetzt sind in ihm die Nathhelfer staffel-
förmig um die hl. Anna gestellt, unter ihnen aber drei aus
einem flämischen Schrein stammende Gruppen i die Areuz-
tragung, Areuzigung und Abnahme, eingefügt. Ligentbümlich
ist der im Nationa lmuseum zu München aufgestellte,
um sZsO entstandene „Altar aus Laloar."l) Nlan muß zu
seiner Beurtheilung zwei Unistände in Rechnung ziehen: erstens,
daß in ihm, wie in vielen andern Werken jener reichen
Anstalt, verschiedenartige alte Stücke zu einem neuen Ganzen

>) ksesner-Altenek, Uunstschätze aus dem bayerischen Nation.il-
museum. Frankfurt, Aeller, l88l f- kief. XVI., Blatt ,zs.

vereint sind. Die ganze predella, die in ihrer Nische auf-
gestellte Anbctung des Lhristkindcs durch eincn dcr hh. drer
Aönige, sowie die mit den Halbfiguren Rkarias und Zohannes
d. L. gezierten Flügel dieser Nische gehören nicht zu den
Grupxen des Bchreines. Die drei oben aufgestellten Baldachine
sind jedenfalls verändert. Vielleicht haben sie ehedem thei?-
weise den Gruppen im Bchreine selbst als Arönung gedient.
Zweitens könnte freilich der Bchrein mit dem verjchollenen
Areuzaltare von Lalcar identisch sein; denn auch er enthielt
eine unbemalte Areuzigung und er wurde erst (8(8 entserntF)
Glaubwürdige Gewährsmänner berichten indessen, die alten
Theile stammten aus einem bayerischen Dorfe. Da sie nun
eine unverkennbare Analogie mit flämischen Arbeiten zeigen,
müssen sie von einem Rleister herrühren, der in den Nieder-
landen ausgebildct wurde. Wie in den flämischen passions-
Alt ären. finden wir auch hier in der Mitte eine Areuzigung,
zu ihrer Rechten und Linken die Areuztragung und die Ab-
nahme mit der Brweinung. Wie dort, treten uns auch hier
viele kleine, staffelförmig übereinandergestellte und figurenreiche
Gruppen entgegen. Wsnn nun aber auch in Linzelheiten
der Gcuppirung manches flämisch ist, so verräth dagegen
anderes ein selbständiges Vorgehen. Der Aünstler schließt
sich noch an ältere Werke an; er liefert mehr geschnitzte
Tafeln als Gruppen. Die zur 5eite gcstellten Aehlen oder
schrägen Bretter, wodurch die Llamläiider ihre Bchnitzereien
in den Rahmen überleiteten, fehlcn ihm. Die Figuren des
vordergrundes hat er nicht einzcln frei gebildet und neben-
cinandergestellt, sondern er nahm große Blöcke, aus denen er
ganze Gruppen seiner Scene herausarixitetc. Für die Gruppe
der Lvangelienseite hat er vier Blöcke verwcndet. Zm
Vordergrund giebt er hier den von Bimou unterstützten, von
drei Soldaten umgebcnen Lclöser, vor dem zwei Soldaten die
Schä.cher führen, darüber zwei eine Leitcr tragcndc Ancchte,
einen Soldaten und drei aus den Thoren von Zerusalem
hervortretende Neiter, oben in der dritten Reihe dis Gottes-
muttcr, den Lieblingsjünger und die drei andern Rlarien.
Z n Mi ttelstück hat er den Vordergrund mit seinen Figuren
aus zwei Blöcken geschnitten. Zm ersten stützen Zohannes
und eine Maria die allcrseligste Zungfrau, die zweite steht
hinter ihnen, die dritte uinfaßt das Areuz. Zm andern Block
würfeln und streiten vier Soldaten. Die aus eigencn ^olz-

ch lvolff, Geschichte der Stadt Lalcar. Fcankfurt, Foesser Nach»
silger, S. 7S.
 
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