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Münzenberger, Ernst Franz August; Beissel, Stephan
Zur Kenntnis und Würdigung der Mittelalterlichen Altäre Deutschlands: ein Beitrag zur Geschichte der vaterländischen Kunst (Band 2): Mit 100 photogr. Tafeln — Frankfurt a.M., 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.15164#0050

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Flämischer
Schrein zu
Bieleseld.

Flämische
Aläre zu
Lnnern und
Rhynern.

Altarschrein besitzt die xrotestantische altstädter Kirche des bl.
Nikolaus zu Bielefeld.^)

Die predella schildert die sZugendgeschichte Lhristi in
den vier Gemälden ihrer inneren Llügel und in drei Gruppen:
h verkündigung, 2. vermählung Mariä, Z. Anbetung des
Lhristkindes durch die Lsirten, 4. die hl. Sippe, Z. die Be-
schneidung, 6. die Anbetung der Rönige und 7. die Mpferung
im Tempel. Auf der Loangelienseite hat der Maler im
sZnnern der großen Flügel, 8. den Linzug in Ierusalem, <). die
Gefangennehniung, 10. Lhristus vor dem bsohenpriester und
ff. vor ssilatus geschildert, der Bildschnitzer dann im Schrein
f2. die Geißelung und 14. die Rreuztragung. Die Mitte IZ. wird,
wie fast immer bei den Antwerpener Arbeiten, durch eine hohe
Rreuzigung eingenommen. Unter ihr steht noch f,Z. die Dornen-
krönung, neben ihr f6. die Beweinung, über f?. der Grab-
legung. Der Flügel der Lpistelseite gibt f8. die Auferstehung,
f<). die Lrscheinung Lhristi vor Magdalena, oben im Ansatz
und ihr gegenüber auf der Lvangelienseite 20. die Lrscheinung
bei der allerseligsten Iungfrau und 2f. das Mahl zu Lmmaus:
den Lchluß bildet 22. die Lsimmelfahrt, 2Z. das psingstfest.

Die Außenseiten der Flügel der predella geben in vier
Scenen die Auffindung und Lrhöhung des hl. Rreuzes; sie
erinnern so an den Altar von Lchwerte. Auf den Flügeln
des Lchreines aber erscheint die Messs des hl. Gregorius
zwischen dem Abendmahl und der Mannalcse.

fO. Zwei sich sehr gleichende Schreine stehen in der kath.
Rirche zu Rhynern bei ksamm und in der nicht weit davon ent-
fernten protestantischen Rirche von Lünern bei Unna?) Der
Altar von Nhynern beurkundet wiederum durch die häufig
eingebrannte lsiand seinen Ursprung (o.fZfO). vom Schema
der Passionsaltäre weicht er dadurch ab, daß in der unteren Reihe
zur Rechten und Linken zwischen den Gruppen (f. vermählung
und 2. verkündigung, Z. Beschneidung und 6. Gpferung) in
engen Nischen je ein Pcophet nnt einem Lxruchbande steht.
Ls sind die Figuren, welche wir sonst neben Iesse sinden.
Die mittleren Gruxpen der predella enthalten Z—4 die An-
betung durch die Lsirten und durch die Rönige. Gben sind
um die Gruppen der Rreuztragung und Beweinung (mit der
Abnahme im Lsintergrunde) Rundbogen geschlagen, deren
Rehlen gefüllt sind mit je zwei kleinen Grupxen: der Geißelung
und Dornenkrönung, der Lrscheinungen Lhristi vor den
Lmmausjüngern und vor Rkagdalena. Um die Rreuzigungs-
gruppe in der Rkitte sind die Sakramente geordnet. Die Flügelbilder
geben nach einer Darstellung der Lamariterin die Geschichte
der Lrlösung vom palmsonntage bis zum pfingstfest.

Der Alkar von Lünern hat dieselbe Anordnung und
dieselben Gruxxen wie der eben beschriebene, doch stehen
unten in den kleinen, Nischen statt der Propheten die hh.
veronika und Rkagdalena, oben neben der Abnahme und
Beweinung in kleinen Grüxxchen die Auferstehung und Lsöllen-
fahrt. Alle Ornamente sind aber hier sehr spät; noch
gothisch, aber in die Renaissance übergehend; ja in den
Aehlen der beiden seitlichen Gruxxen der oberen Neihe klettern
je zwei putten herum. Lin xredellaartiger Unterbau enthält
überdies die Grablegung. Rkuß schon die Aehnlichkeit mit
dem Schreine von Rhynern dazu bewegen, auch hier eine
Antwerxener Arbeit anzunehmen, so wird man dies um so
mehr thun, nachdem wir auf dem Schrein von Kleve das

i) pistorische Notizen über die Nikolai- (Altstädter-) Kirche in
Bielefeld und das Altarschnitzwerk in derselben. Bielefeld issz.

^) Die Aunst- und Geschichtsdenkmäler der Provinz lvestfalen I.
Ureis Oamm S. 88 f. und pz mit phototyxien.

Antwerxener Waxxen fanden. Die eingebrannte Lsand soll
sich zwar auf dem Aufsatz von Lünern nicht finden; sie wird,
falls sie wirklich fehlt, — xersönlich konnte ich die Sache nicht
untersuchen, — durch die Restauration verwischt und verborgen
worden sein. Ist es doch meist auf restaurirten Schreinen
selbst einem geübten Auge sehr schwer, die Sxuren der
Rkarke aufzusinden. Nachahniungen Antwerpener Altäre
sind zwar in kvestfalen nicht selten z. B. in Altena an
der Lenne, in Bausehagen bei Fröndenberg, und in Rkarien-
feld. Gerade sie machen jedoch klar, ein wie großer Unter-
schied zwischen den an einem großen Runstcentrum und den
an kleineren Grten entstandenen Schreinen besteht.

IV. Flämifche Altiire in Uard-Denlschland,
Schmeden, Spanien nnd Gngland.

f. Der schöne Schrein der chtadtkirche von Güstrow
in Rkecklenburg verdient besondere Beachtung, als Tverk des
Zan Borreman, des Rkeisters des Brüsseler Georgsaltars.
vollständig geöffnet zeigt er nur chchnitzereien: in der predella
in dreizehn Nischen die Bilder der um ihren göttlichen Rkeister
gestellten Axostel, auf dem linken Flügel oben f. das letzte
Abendmahl, 2. das Gebet im Gelgarten, daneben im RkitLel-
schrein Z. Lhristus vor dem Lsohenpriester, der sein Rleid
zerreißt, unten im linken Flügel 4. die Sccne des Loes
llomo und Z. die Lsändewaschung des pilatus, dann wiederum
im Schreine selbst 6. die Rreuztragung neben 7. der Rreuzigung.
Ls folgt 8. die Rreuzabnahme, <). unten die hl. Leiche Lhristi im
Schooß seiner Rkutter, endlich im rechten Flügel oben fO.
die Grablegung, unten ff. die Auferstehung und f2. die Lr-
scheinung vor Rkagdalena, endlich fZ. wieder oben die Lsimmel-
fahrt. Borreman band sich bei Anordnung der Grupxen
nicht, sondern stellte sie nach künstlerischen Gesichtspunkten auf.
Zwischen die Grupxen 2 und 4 des linken Flügels gehört der
Ieitfolge nach die Grupxe Z des Lchreines; im rechten Flügel
aber sollten dis beiden unteren Scenen ff und f2 zwischen den
oberen stehen. Iehn Gruxxen haben 9—fZ, drei weniger Figuren,
sie erhielten darum kleine Figürchen, welche die ksintergründe
füllen. Lo kommen beim Gebet im Gelgarten zu den sechs
Gestalten des vordergrundes Soldaten, welche in der Landschaft
heranziehen. Zn ähnlicher kveise erhalten die fünf lsiaupt-
figuren der Lluferstehung eine Lrgänzung durch einen Lngel
und durch die drei Rkarien, die sich aus der Ferne nahen.
Neben und hinter die Lrscheinung Lhristi vor Rkagdalena, zu
der nur zwei Figuren erforderlich waren, stellte der Rünstler
drei kleinere Grupxen: die Zünger von Lmmaus auf dem
Lvege und beim Rkahle sowie eine andere Gffenbarung des
Lrstandenen. Dadurch hat er trotz der verschiedenen Anzahl
der personen die Gruxxen doch noch in's Gleichgewicht ge-
bracht. Die ff. und f2. Lcene, mit der geringsten Anzahl
größerer Figuren, stellte er nebeueinander; er brachte sie über-
dies in die untere Reihe, damit man die kleinen zur Füllung
des Raumes erforderlichen Figuren erkenne. lvie geschickt
die hinteren lvände mit reichem Stab- und Rkaßwerk, die
oberen Theile mit Bogen, Fischblasen und Laubwerk gefüllk

<) Lchlie. Das Altarwerk der beiden Brüsseler llkeister Ian
Borreman und Bernaert van Grlev in der pfarrkirche zu Güstrow. Neun
Folioxhotographien mit kurzen Lrläuterungen. Güstrow. Mpitz <L Lo.
I882; Zeitschrift für bildende Runst XVIII. Beiblatt Sx. SL§; XIX, roy f.
vgl. oben S. 7 über Zan Borreman und seinen Sohn pasquier. Der
Altar von Güstrow ist im I. Band auf Tafel ?s—78 abgebildet.

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