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Münzenberger, Ernst Franz August; Beissel, Stephan
Zur Kenntnis und Würdigung der Mittelalterlichen Altäre Deutschlands: ein Beitrag zur Geschichte der vaterländischen Kunst (Band 2): Mit 100 photogr. Tafeln — Frankfurt a.M., 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.15164#0051

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smd, wie frei die einzelnen Abtheilungen von einander getrennt
wurden, ohne die Linheit zu verlieren oder zu einer Reihe
tiefer, hohler Gefächer zu werden, lehrt ein Blick auf Tafel
76 und 77. vergleicht man dann aber die in jenen Tafeln
gebotenen Phototypien des aufgestellten Altares von

Güstrow init der bei der Y. Lieferung liegendcn Abbildung
des entstandenen Georgsaltares zu Brüssel, so springt

Zwar die Gleichheit in vielen Linzelheiten in's Auge. Ls ist
aber auch unverkennbar, daß der Meister in de» architektonischen
Lormen freier geworden ist und seine Gruppen mehr nach
malerischen Grundsätzen ordnete. Der Güstrower Altar ist
reicher und feiner, der Brüsseler strenger und plastischer.

Schließt nian in Güstrow die Flügel, so sieht man vier
gleich große Tafeln, in ihrer Nitte die verkündigung nnd
das Martvrium der hl. Aatharina, an den Beiten die in reiche
kandschaften gestellten großen Gestalten Mariens und der
eben genannten Blartyrin (abgebildet l. Tafel 78). Schließt
man die Flügcl zuni zweiten Aial, so hat man zwci Ge-
mälde mit den großen Gestalten der Apostelfürsten. Neben
beide hat der Maler zwei kleine Soenen gestellt: neben petrus
dessen Gefangennehmung und Areuzigung (abgebiloet l. Tafel
78), neben paulus dessen Berufung und Lnthauptung.
Die kostbaren Malereien sind zu Brüssel gemalte sIugendwerke
des Bernaert van Vrley. Ain unteren Nande des Bchreines
ist wiederholt „Bruesel" eingepreßt, auf der Bchwertscheide
des Boldaten, der bci der Kreuztragung rechts im vorder-
grunde steht, der Name „IZan Bornian" ausgeschnitten.

Nach Bode hätte dieser sZan init B. van Vrley „augen-
scheinlich auch ein 7lltarwerk von ähnlichein Uinfange und
gleich trefflicher Lrhaltung, den Narienaltar von in

der Briefkaxelle dcr Marienkirchc zu Lübeck, hergestellt".U
A. Goldschmidt?) meint dagegen: „Vb die Schmtzerei eben-
falls dem ZZan Borman zuzuschreiben, scheint mir sehr fraglich,
da sie in Linzclhciten doch schr von deni Güstrower Altar

verschieden ist." Band I ist der Lübecker Altar auf Tafel

2z gegeben, Tafel 2H und 25 f. bieten Details. Ulan wird
bei Vergleichung mit dem Georgsaltar 0011 Brüsscl nicht ver-
gessen müssen, daß jener an 20 jZahre früher entstand. Da-
gegen müßten die Schreine von Lübeck und Güstrow sich sehr
gleichen, wenn sie von demselben Meister geliefert w.iren.

5ind doch beide im Iahre (522 aufgcstcllt worden. Uian

erkennt dagegen leicht, daß der Nteister des Lübecker Schreines
sich schon weit mehr den spätesten Formen der Gothik
ergab. Ist doch auf dem linken Flügel unten (Tafel 2-()
in der Lcke die Beitenwand des Altares sogar in den üppigsten
Formen dcr Renaissanoe gehalten. Auch die feine polychromic
und die Zlusstattung der Säunie mit allerlei Buchstaben und
Verzierungen geht im Lübecker Schrein weiter als dies auf
Borremans lVcrken der Fall ist.

2. Danzig besitzt nach Niünzenberger^) drei Antwer-
pener Altäre s der erste steht in der Ferberkapelle an der

Geschichte dcr deutschen plastik, Berlm >887, 5. 2>s.

^) Lübecker Malcrei bis zum Icchre >530, Lübcck, Nöhring, >8yo,
5. 2z. Aum. Ucber den vielfach als slämische Arbcit betrachteten,
I Tafel z> abgebildeten „Steinaltar mit Flngeln aus der 5t. Iakobs-
kirche zn Lübcck" vgl. I 5. >2S und Bode. Geschichte der dentschen
plastik 5. 2>s.

^) vgl. I, 5. »8 Anm. 2 dcr zweiten Aolonne. Lotz I, >zs f.;
Lstrsch, Dic Vberpfarrkirche von 5. Marien in Danzig I, poo f-, ->Z5 f-,
-ls> f. Line Abbildung des Reinoldns-Altares I. Tafel 80. vgl. über
biesen Altar „Zeitschrift für bildendc Kunst". Neue Folge V, >8I-> 5.
-24; Bode, plastik S.2,s.

Südseite des Thores der Rtarienkirche, der zweite, den hh.
Simon und Adrian gewidniet und dcr Fleischerzunft gehörend,
ani zweiten pfeiler von Nord-West, der dritte in der Reinoldus-
kapelle. Ein vierter Altar kam aus der Antonius-Rapelle der
Trägerzunft auf das Gut Ratsch bei Natibor. Lr ist laut
einer (Znschrift das Merk des V. lvavere aus Rkecheln
und bietet „in drei größeren und einer (?) kleineren Nische
der Mitte und in 6 Nischen, welche die Nückseite der
Flügel bilden, Darstellungen aus der teidensgeschichte."^)
Die Außenseite zeigt die Axostel petrus, Andreas, Zohannes
und Zakobns, die Gottesmutter und die Rlesse des hl.
Gregorius. Auch der Schrein der Ferberkaxelle ist ein
passionsaltar. Nach lfirsch wäre er zwischen (-(8( und (c(8-( ent-
standen und ein Geschenk des sZohann Ferber, dessen vater
(-((5 aus lialkar nach Danzig zog. Schön sind die auf seinen
äußcren Flügeln bei der verkündigung angebrachten Verse:

klso 68t illu rosu, pulshru Iiimis 6t lorliiosa.

III.'IIII. I'OAO, 83.Illtg.t6.

Hso 68t illg Argoio83, 811(>sr 0MNS8 8s»6sio83.

611m t>3II8iti8, 83lllt3t6.

Auf den inneren Flügeln kniet der chtifter init seiner Familie.
Ueber dem kjauxte seiner Gemahlin steht auf einem Schrift-
bande: VVssst mvii8 ^ksilgslitioli vgii Iismslrys 6o<I 3I-
muslitisli. Die Anlage dieses chchrcincs weicht indessen so
sehr von dem dlntwerpener Schema ab, daß mir seine k)er-
kunft aus dlntwerpcn zwcifelhaft bleibt. Das bekannte Bchema
begegnet uns abcr im Altare der Fleischerzunft. Lr hat unten kleine
Grupxen: (. verkündigung?) 2. kjeimsuchung, Z. Anbetung
der kjirten, Anbctung der Aönigc, Z. Taufe und 6. Flucht,

0 ben die Kreuzigung zwischen der Kreuztr.igung und
Grablegung (?) mit kleinen Grüpxchen in der Rehle, auf den
Flügeln Scenen aus der Geschichte des Leidens sowie der
Auferstehungund die Messedeshl. Gregorius. Der Neinoldus-
schrein ist ein Marienaltar und ward (5(6 aufgestellt. Durch
seine Antwerpener Marke wird die Ueberlieferung hinfällig,
wonach er aus Nürnberg bezogen wäre. Die predclla hat
neun gemalte Nischen. ))n der mittlercn zeigt Lhristus seine
Wunden, in den übrigen stehen Naria und sieben bjeilige in
lebhafter Unterredung. Auf den Flügeln des Bchrcines sind
))ohannes d. T. und der hl. Neinold gemalt. Veffnet man
diese Flügel, so kommen neue Gemälde zum vorschein: die
Gpferung Lhristi im Tempel, die Taufe, das Abendmahl, das
Gcbct am Velberge, lüsss Iiomo, die kjändewaschung, Ureuz-
tragung und Ureuzigung. Nach Geffnung dieser gemalten
Flügcl zcigen sich in vierzehn Nischen die St.ituen von vier
Bibyllen und zehn Gruxpen: die Begegnung unter der goldenen
pfortc, die Geburt Marias, ihreGpferung, Zoseph von den Freiern
verfolgt (wie in den Gemälden dcr Altäre zu vreden, Dort-
mund und Schwcrte), seine vermählung, die Verkündigung,
lseimsuchung, Anbetung der Ljirten und Beschneidung, endlich
die Anbetung der Aönige. Die erste Bibylle hält eine Laterne,
die zweite in der Nechten einen Bpiegcl, in der Linken ein
Schwert, die dritte einen 5tab, die vierte in der Linken einen
abwärts gekehrten 5pieß, in der Rechten eine Augel, worauf
ein vogel stand. Leider sind die Schriftbänder mehr oder
weniger zerstört. Lrhalten ist noch bei der erstcn Bibille Kibylln,
bei der zweiten Drusclixit. .ludasis .... rsx. nclvsnist. ?sr86.,

') ksirsch a. a. V. I, ZIS f.; Goldschmidt, Lübecker Malerei unb
Plastik 5. 2z; Dicses wcrk I, 5. >2>.

--) Nach tiirsch 5. ->s>. „Dic Geburt der Maria (die Figuren anr
und iin Bett fehlen)." von der Gruppo ist nur das bei der verkündigung
oft dargestelltc Bett erhalten.

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