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Münzenberger, Ernst Franz August; Beissel, Stephan
Zur Kenntnis und Würdigung der Mittelalterlichen Altäre Deutschlands: ein Beitrag zur Geschichte der vaterländischen Kunst (Band 2): Mit 100 photogr. Tafeln — Frankfurt a.M., 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.15164#0154

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Hallstatt.

Maß. So ist sie eine jener Schöpfnngen, welche in unscrm
IZahrhundert als vorbilder zu empfehlen sind, weil sie nach
beiden cheiten bin, sür Kunstkenner und sür das große
publikum, am meisten Aussicht auf Lrfolg und Anerkennung
vercheißen.

o. Herzoglhmr, Oesterrerch.

Das Lserzogthum Gestcrreich umfaßt die Diöcesen Linz,
St. pölten und Mien. sZn ersterer sind bervorragende Merke
einer Lchule die Lchreine zu ljallstatt, pesenbach und Maldburg.

Der Marienaltar von bsallsta tt ^), wenige Ltunden
von ssschl, im oberoesterreichischen Salzkammergut ist an 8 ui
boch. Da die Kirche, worin er stebt, um sZOO erbaut wurde,
wird er im Beginn des s6. sZahrhunderts (um sösö?) errichtet
worden sein. Beine predella ist leider leer. Katharina, Maria
und Barbara stehen im Schrein auf drei xolvgon gebildeten,
mit Laubwerk verzierten Bockeln, durch zwei dünne pfeiler
getrennt, unter drei Baldachinen. Binter jeder breiten zwei
kleine Lngel einen Teppich aus. Lin siebenter und achter Lngel
haltcn fliegend eine Krone über Marias Daupt, zwei weitere
musiciren aus Blasinstrumenten vor den kleinen pfeilern.
Lndlich wird unten, neben der Mondsichel, worauf Maria
steht, die Achleppe der sZungfrau von einein elften und
zwölften Lngel getragen. Die Flügel enthalten in Nelies die
Geburt (2), Derkündigung (5), Reinigung ssO) und den Tod
der allerseligsten sZungfrau ((7), die knieend aus diesem Leben
scheidet. Nach Schließung des ersten Flügelpaares sieht man,
daß auffallenderweise auch dessen Rückseite Reliefs trägt: die
Begegnung (Zoachims und Annas unter der goldenen psorts
(s), die Lseimsuchung (6), Beschneidung (8) und dlnbetung der
Könige (9). Auf dem zweiten Flügelpaar sind vier weitere
Bcenen des Rkarienlebens gemalt: ihre Gpferung (Z) und
Vermählung (s(), der Traum des hl. (Zoseph (7) und die
Flucht nach Aegypten (ss). Noch vier folgen nach Schließung
des zweiten Flügelpaares: Lhristus wird im Tempel wieder-
gefunden (s2), die ^ochzeit zu Kana (sz), der Abschied (Zesu
von seiner Mutter (s-s) und die Lrscheinung des Lrstandenen
(s6). s)n der ssredella dürfte eine Beweinung (sö) den Lyklus
vervollständigt haben. Auf den in privatbesitz gekommsnen
Flügsln der predella soll im sZnnern die Verkündigung ge-
schnitzt gewesen sein, die schon in den Flügeln des Lchreins
gegeben ist (ö), außen waren (Zoachim und dlnna gemalt.
Auf der Rückseite des Schreines halten jZetrus und paulus
das veronikatuch, über ihnen ist das jüngste Gericht geschildert
in ziemlich bizarrer Auffassung. Zur Seite der predella stehen
die kleinen Figuren der hh. vincentius und Laurentius, höher
die großen Ltatuen der hh. Florian und Georg, deren
Baldachine sich hoch über den Rand der Flügel erheben und
Lauben mit Thürmchen bilden. Zwischen ihnen wachsen süns
andere Thürmchen auf (2—6), welche gegen die Atttte hin
immer breiter und höher werden. Das s. und 2. hat, wie das
6. und 7., nur ein Btockwerk mit einer Btatue. Zm mittlern
Thurm (-s) steht unten der hl. Lhristoxhorus, oben der Lr-

i) Iobst uiid Leimer, Sammlung mittelalterlicher Aunstwerke aus
Gesterreich Blatt 8. Unsere Tafel ist eine Rcproduktion des ersten
Blattes; Mittheilungen III (i8S8) 2; f. mit Tafcl; Altäre und andere
kirchliche Linrichtungsstücke aus Vesterreich. kseliogravnren nach xhoto-
graxhischen Aufnahmen von Vtto Schmidt mit erläutcrndem Tert von
vr. A. Jlg, wien, Schroll, Mö ff. Tafel 55.

standene, welcher seine Munden zeigt, zu seiner Nechlen
Zohannes d. L., zur Linken Nikolaus. Rnten sieht man zwei
Bischöfe (wolfgang und Dionvsius), Andreas, Btephanus und
zwei andere Lseilige, im Ganzen zehn Figuren.

Bkulpturen und Nalercien auch dieses Merkes werden
verschiedenen „kjänden" zugeschrieben. „Die Reliefs auf den
innern Flügeln sind von schlichter Linfachheit, im Lharakter
der fränkischen Schule von Leonard Astl gearbeitet mit
Motiven aus Dürers Leben Ntariä (?). Die Bilder auf dcr
Znnenseite der äußern Flügel tragen entschieden das Gepräge
der Nürnberger Lchule an sich und erinnern an die
früheren Arbeiten Altdorfers oder Bchäuffeleins, während die
schwächern Gemälds der Außenseite und der Rückseite sich mehr
der schwäbischen Bchule anschließen." Für dic polychromie
der aus Lindenholz hergestellten Schnitzereien hatte der alte
Meister außer viel Gold und Fleischfarbe, außer etwas Noth
und Blau auch Lilber verwendet. Lin Restaurator lasirte
die Gewänder der ksauptfiguren mit Blau nnd Roth über
dem Silber.

Vor die jZredella hat in den fünfziger Zahren ein
Restaurator ein neugothisches Tabernakel gestellt, oben im Aussatz
vor die Figur des hl. Lhristophorus eine barocke Grupxe der
heiligsten Dreifaltigkeit in bvolken und Strahlennimbus. Trotz
dieser Aenderungen und obwohl außer der Gruxxs der
j)redella und deren Flügel manche Stücke der Bekrönung ver-
loren gingen, bleibt das Ganze ein Meisterwerk der scheidenden
Gothik, reich an genialen Linzelnheiten. An jeder Leite
wächst ein Ltamin hervor, bei dessen lvurzeln je eine kleine
Figur eingefügt ist. Lr steigt auf durch die Leiste, welche die
predella vom Lchrein trennt, verästelt sich und trägt den
Sockel, woraus einer jener stattlichen hh. Ritter lvache hält.
Zn den Baldachinen über diesen Figurcn wachsen die Kreistheile
der Spitzbogen zu Lselsrücken und Frauenschuhen aus, während
die zwischen ihnen stehenden Fialen sich biegen und beugen.
Das Laubwerk hat viele breite, riemenförmige Ltengel oder
Blatttheile, wird oft breit und massig, erinnert sogar hie und
da an Formen des beginnenden (Z. Zahrhunderts. Darin
liegt jedoch kein Rückschritt, sondern eins Lrneuerung des
Naturstudiums. Dies zielt aber nicht ab auf xhotographisch
treue Nachbildung der Griginale, sondern auf lviedergabe
derselben in Formen, welche dem Stoffe des Künstlers, dem
Lindenholz, entsxrechen, das mit Kreidegrund und Gold zu
überziehen blieb. Gerade in dieser Lsinsicht ist es höchst lehr-
reich zu belrachten, wie derselbe Meister bei einem Kasten
derselben Kirche für die dünnen, getriebenen Lisenplattcn des
Schlosses, der Thürgehänge und Beschläge zwar die Formen
des Altarschreins wiederholte, sie aber dem spröden Material
anxaßte, sie ummodelte und mehr in der Fläche ließ. Zur Leite
des Schreines sind die Blätter und Ranken in den Sockeln
der beiden hh. Ritter untergearbeitet. Zn den Kehlen gehen
sie wie Bchlingpflanzen oder Bänder um einen Ltamm herum.
^ie und da hat der Schnitzer das Laubwerk so behandelt,
als ob zwei biegsame Zweige des Rebstammes mit ihren
Blättern und Früchten zu einer Nanke kunstvoll verflochten
und hingehängt worden wären. Lsier ist das Nlaßwerk noch
strcng gezeichnet und gcschnitten, Fischblasen sind dort verquickt
mit Lselsrücken und allerlei xhantastischen Bogensormen, dann
ist in einenr Fenster das Maßwerk zum Btamm geworden,
der mit seinen Blättern ein Maßwerksmuster nachahmt. Zn
den langen Näumen zwischen zwei Leisten, innerhalb der
Bogen, in ihren Nasen und Lcken, überall wuchert das
Laub. Reicht der Naum aus, so bleibt es durch lange
 
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