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Münzenberger, Ernst Franz August; Beissel, Stephan
Zur Kenntnis und Würdigung der Mittelalterlichen Altäre Deutschlands: ein Beitrag zur Geschichte der vaterländischen Kunst (Band 2): Mit 100 photogr. Tafeln — Frankfurt a.M., 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.15164#0110

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1.

Mttelalterliche Altäre

in Llsaß-Lothringen.


lsaß-Lothringen ist durch viele Rriege und durch
die große Revolution so gründlich heimgesucht
worden, daß es kaum ein oder das andere
bedeutendere Bruchstück aus dem überreichen
Schatz seiner Runstwerke der plastik und Malerei in die
Gegenwart rettete. Wie reich es ehedem gewesen sein muß,
lassen die Nachrichten älterer Schriftsteller und die bedeutenden,
leider auch oft nur sehr unvollständig erhaltencn Airchen-
bauten ahnen. 2lm meisten bietet heute noch Rolmar. Bein
reiches Museum enthält die Neste eines Lsauptwerkes deutscher
Runst, des zwischen ftUZ und fZfS entstandenen bsochaltares
von sZsenheim. Lc stammt äus dem Lhor der Rloster-
kirche der Antoniter und war bereits früh so hoch geschätzt,
daß man von weither kam, ihn zu betrachtcifi). Bchrieb doch
fN8 ksagerich von Lhur auf dessen Nückseite:

„Diese Nunnst kunndt von Gottes Gunst:
tVann's Gott uit gunntt, so ists umsunnst.

Lin jeder dises Werck Gott loben soll;

Denn dise Nunnst kunnt von Gott."

Darunter schrieb bald nachher der Nkaler Abel Stymmer:
„lVie wohl d' Runst Gaaben Gottes sindt,
s)st Unverstandt jer gröster Feindt.

Darumb wer solche nit verstät,

Allhie nichts zu urtheilen het."

Die prcdella des Altares hatre fünf Nischen, worin die
prachtvollen Brustbilder Lhristi und sciner Apostel gestellt
waren. Iu Anordnung, Btil und Größe kommen diese Bild-
werke denen des Band I Tafel 72 abgebildeten Altares von
Blaubeuren nahe. lVährend indeß dort in der Mitte Lhristus
mit zwei Aposteln, zu jeder Seite aber je fünf Apostel eine
Gruppe bilden, fand fich hier in der mittlern Nische nur
Lhristus, während die vier andern durch je drei Apostel ge-

r) Abbildung der Skulpturen im l. Band Tafel 58. vgl. über
den Altar woltmann, Geschichte der deutschen Aunst im Llsaß, Leipzig,
Seemann, ;876 S. 247 f.; Araus, Kunst und Alterthum in Llsaß-Lothringen,
Straßburg, Schmidt, und U S. 250 f., zs-l f-, 7;s f.; haus-
mann, Llsäßische und lothringische Aunstdcnkmäler, Straßburg, kseinrich,
PAg; Maagen, Aunstwerke und Aünstler II, zo8 f.; Ianitschck, Geschichte
der deutschen Malerei Z86 f.; woltmann, Geschichte der Malerei II, -^27;
Lützow, Zeitschrift für bildende Kunst I (,86s) 257 f.; VIII (;87z) S.
22; f. XVI (;88;) Beiblatt -^z S. 721; OutuIoAus <Iu Nusss äo Ooliuur
2? oä., Oolmur, veoüsr, 1866 p. 60 s. u. ^sz—M, p. 68 s. u. M
—W; Anzeiger für die Unndc der deutschen vorzeit ^862 S. 22; u. s. w.

füllt wurden. Iede Gruppe dieser drei Zlpostel ist
bis 0,-f-fZ hoch und unten 0,<f50 bis 0,7f60 ru breit. Auf einer
derselben ist die Marke des Schnitzers, ein Beil, eingegraben,
auf der zweiten ein d in Lursivschrift, auf denr Rücken der
dritten ist der Name des Neistcrs ausgeschrieben: ct68(ill6riu8)
Dsyelml. Zu Blaubeuren entsprechen den Z Nischen der
predella im Bchrein Z Figuren, hier folgen den Z Nischen
nur Z Figuren. Der IVechsel bleibt also dcrselbe, ist nur um-
gekehrt. Zn Zsenheim begnügte man sich mit drei Bildwerken
für den Schrein, weil das mittlere, die thronende Gestalt des
hl. Antonius, des patrons des Grdens, 0,9 m breit wurde.
Zhre bjölse beträgt f,673 m. Zu ihrer Rechten fteht die
Figur des Rirchenlehrers Augustinus, dessen Regel die Antoniter
befolgten, zur Linken diejenige des hl. Lfieronymus. Zede ist
f,600 m bis f,675 m hoch, 0,7^0 breit. Neben letzterer

liegt ein Löwe, der sein Gegenbild findet in einem Schwein,
das unter dem Mantel des hl. Antonius hervortritt. Den
Thiergestalten neben Antonius und Lsieronymus entspricht zu
den Füßen des hl. Augustin die Figur des Ltifters des IVerkes;
denn dort kniet der vorstcher (Präceptor) von Zsenheim,
Guido Guersi (fi (5(6). Die drei Figuren standen unter

muschelförmigen, gothischen Netzgewölben. Der Raum über
jenen Gewölben bis zum obern Nahnien des in seiner Mitte
überhöhten Schreins war mit reichem, durchbrochenem Laub-
werk, nicht mit Baldachinen gefüllt. Leider ist aber nur das
Laubwerk der mittlern Abtheilnng erhalten. Zn ihm sieht

man, wie bei andern süddeutschen Altären, z. B. einem in

Münzenbergers Nachlaß befindlichen, die Symbole der vier
Lvangelisten, welche an dieser Stelle gut wirken. Aus der
untergegangenen Bekrönung sind nur die beiden 0,80(, be-
ziehungsweise 0,8,ZZ hohen Figuren der hh. Zohannes d. T.
und Antonius übrig. Vielleicht standen ehedem in dcr untern
Reihe die Bilder der Gottesmutter und der beiden Zohannes;
das obcre Ltockwerk des mittlern Thurms umschloß dann das
Bild des hl. Linsiedlers. Alle Skulxturen dieses Altaraufsatzes
sind großartige, gewaltige kverke voll Rraft und Naturwahrheit.
Die Gesichter bleiben trotz ihrer Schönheit doch tief ernst, die
Haltung ist ruhig und doch bewegt, der reiche Faltenwurf
voll kvechsel und doch noch streng stilisirt. Gold und Farben
erhöhen den Lindruck und bringen uns diese Gestalten noch
näher. Sie sind viel zu gut, um denjenigen des oben beschriebenen
Altares von Alt-Breisach an die Leite gestellt zu werden.

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