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Münzenberger, Ernst Franz August; Beissel, Stephan
Zur Kenntnis und Würdigung der Mittelalterlichen Altäre Deutschlands: ein Beitrag zur Geschichte der vaterländischen Kunst (Band 2): Mit 100 photogr. Tafeln — Frankfurt a.M., 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.15164#0032

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und Annas, unten ihre Abweisung dargestellt, auf der Lpistel-
seite oben die Äegegnung bei der goldenen pforte, unten die
Gpferung Marias wie die Rönige in der Mitte jenen platz
einnebinen, an dem man sonst Grüppchen antrifft, so stehen
auch rechts und links an der Stelle der Grüppchen iin Ganzen
vier verhältnißmäßig große Lseiligenfiguren. s)m Nande und
auf den Trennungsleisten find ebensoviele Prophelen angebracht,
oben auf den drei Sxitzen des Schreines übergroße Figuren.
vornehme Renaissanoeornaniente finden sich überall, selbst auf
den im Rern noch gothischen Baldachinen über den Gruppen.
Das Ganze ist eine vortreffliche Leistung. Der Meister kennt
die älteren Schreine, sucht ihr Gutes zu behalten, aber in
neue Formen zu gießen. den Abtheilungen zur Rechten
und Linken ahnit er das Svstcm der besten alten Schreine
seines Landes nach, die untere Gruxpe als bsauptsache zu be-
handeln, die obere als Zugabe. So hat er denn an jeder
Seite die untere Gruxpe groß und hoch gemacht, die obere
klein. Sein versuch letztere in den Baldachin zu stellen ist ihm
nicht gelungen, sie steht jetzt ehcr zwischen zwei Baldachinen,
als in einem zusammenhängenden Gberbau. Auch an dem,
besonders in Antwerpen festgehaltenen Schema, die Gruxxen
in vielseitige Lhörchen zu stellen, welche zwischen und hinter
zwei Rehlen beginnen, hat er festgehalten. Line Lrinnerung
an ältere vorbilder ist endlich der einfache, in einem viertel-
kreise vorgekragte Baldachin, welcher oben die Bekrönung
des ganzen Schreines: die Bilder des hl. Antonius, der hl.
Anna mit Zesus und Maria, sowie der hl. kselena überschattet?)

>) Die alten Kirchenrechnungen ron Leau nennen für den Aus-
gang des XV. nnd deu Anfang des XVI. Iahrhunderts eine große
Reihe Bildhauer »nd INaler, welche Altäre und Statuen lieferten oder
in Gold und Farben setzten. Diese Angaben sind deßhalb besonders
lehrreich, weil sie zeigen, daß Aünstler aus Brüssel, Antwerpen, Löwen
und anderen Städten nebeneinander arbeiteten. Letzteres beweist die
Schwierigkeit und Gefahr, da, wo Marken fehlen, mit Sicherheit ein
Iverk der Brüsseler oder Antwerxener „Schule" zuzuschreiben. Lin
INeister Ivilhelm aus Röln schnitzte Z45Z die Bilder des Gekreuzigten,
der Gottesmutter und des Lieblingsjüngers, welche auf einen Balken
beim Lhoreingange gestcllt wurden. Iean Ncrtens aus Ant-
werpen war nach Piot lXoties Iiistorigus sur In vllls cls llsan.
Lruxslles. vsvroZs 1859 p. 71 s.) Alaler, Bildschnitzer und Dekorateur.
Doch scheint sein eigentliches Isandwerk dasjenige des lNalers gewesen
zu sein. Er lieferte t-ies f. den Schrein des lsochaltares, ;q8z den Altar
der hh. Georg, Lucia und Johannes d. T-, ^8-4 f. bemalte er eine Statue
des hl. Arnold und einen Iohannesaltar, <435 f. malte er ein Bild für
den Dreifaltigkeitsaltar und 1490 f. die drei lNarien hinter einem hl.
Grabe. Arnold von Diest aus Brüssel wird in den Rechnungen
ausdrücklich als „Maler" bezeichnet, doch hat er nach Piot ^zz f. Bal-
dachine für die Apostel au den Lhorsäulen gemacht, ^rz f. das Lhor
des hl. lNartin und die Vrgel bemalt, ^78 f. Gruppen für einen
Leonardaltar und eine Statue der Gottesmutter geschnitzt, ^479 sogar
ein Lisengitter geliefert. Lin lsermann polychromirte zqsz f. Apostel,
MS zwei Lngel, M7 einen vor dcm Lettner hängenden Aronleuchter,
die ganze Aapelle des hl. Leonard nnd die neue Aanzel, endlich ^495
eine verkündigung am Lettner. Meister Josse Beyaerts aus
Löwen lieferte ;480 einen Schrein für den Altar des hl. Nikolaus,
14«! den Schrein des Jakobusaltares, 1,478 ein Modell zum Reliquiar des
hl. Leonard, ,43; die Statuen des hl. Jakobus, der hl. Lorina und
siebenzehn andere. Dann lieferten laut den Rechnungen von Leau ,qqs
bis zsss die Bildschnitzer peter, kseinrich, Iean (?) und Nikolaus
Roesen aus Löwen viele Altarschreine und Statuen. Lin lNaler
Iean von Roermond malte ;505> die Flügel zum Altare dcr hh.
Georg, Lucia und Iohannes d. T., sowie den Baldachin des Lhristo-
xhorusaltares. Lin Franz lNarscalx scheint „Aistenmacher" gewesen
zu sein; denn er verfertigte H8Z f. einen Baldachin zum Altare der hh.
Georg, Lucia und Iohannes d. T-, ;485 f. eine Aanzel und 148s f. ein
Tabernakel.

II. Flttmlsche Miire in der Rheinprovin;.

s. Die Rbeinprovinz besitzt weit mehr flämische Altäre,
als man vermuthen sollte. Sie sinb bis dahin nie zusammen-
fassend behandelt worden. viele bat man bis in die allerneueste
Zeit der „Schule von Aalkar" zugeschrieben, andere als
Leistungen einheimischer Aünstler angesehen. Die auf einer
großen Gruxxe dieser Altäre eingebrannte bsand ist ein sicherer
Wegweiser. Sie bewahrt vor falschen Zuschreibungen; denn
sie ist ein sicheres und urkundliches Zeugniß der Antwerpener
werkstätten. Sie beweist dann aber auch, daß die Lrzeugnisse
der Antwerpener werkstätten sehr verschiedenartig waren.

Die meisten Antwerpener Altäre bietet das alte
Lserzogthum Zülich. Zn der Stadt Zülich ist kein flämisches
werk erhalten.') An der Bahn vo» Zülich nach Aachen hat
Aldenhoven einen hervorragenden noch nicht restaurirten
passionsaltar, -) während der passionsaltar zu Siersdorf,
eine halbe Stunde von der folgeuden Station Schleiden, stark
restaurirt ist. Folgt man von Zülich aus dem Laufe der Noer,
so findet man nach etwa einer Stunde auf dem linken Ufer
einen passionsaltar zu Barmen, etwas weiter auf dem
rechten einen großen Marienaltar zu Boslar. Nahe bei
Boslar haben die Dörfer Münz und Mersch wiederum
passionsaltäre, auf denen die Antwerxener bsand deutlich l)«r-
vortritt. Zn Barmen findet sich überdies auf der Seiteuwand
das volle Antwerpener wapxen, zwci bsände neben drei ein-
gebrannten Vertiesungen, welche die Thürme der Stadt sinn-
bilden. Zn Mersch sind auf der Rückwand des Schreines drei
geometrisch gezeichnete bsausmarken eingeschnitten, vielleicht die
Zeichen des Bildschnitzers und Schreinarbeiters. weiter hin-
ab an der Noer bietet Linuich drei gute Antwerpener
Altäre. Sein passionsaltar im Hochchor zeichnet sich aus durch
vortreffliche Rkalereien auf den Flügeln, der kleinere passions-
altar auf der Lpistelseite und der Aatharina-Altar auf der
Lvangelienseite sind noch durch keine Restauration ihres ur-
sprünglichen werthes beraubt worden. Ltwa zwei Stunden
wciter abwärts besitzt Süggerath einen restaurirten passions-
altar, dessen Abbildung man auf Tafel 7<) des I. Bandcs
findet. Süggerath liegt an der Bahn von Aachen nach Glad-
bach, zwischen Geilenkirchen und Lindern. Auch das beim
Linfluß der Noer in die Rlaas gelegene Roermond bewahrt,
wie wir bereits angaben, in seiner ehedem den Listercien-
serinnen gehörenden Münsterkirche einen Antwerxener passions-
altar. Ls ist nicht zu übersehen, daß die genannten Schreine
an der wasserstraße zwischen Roermond und Zülich stehen;

<) Die Angabe des I. Bandes S. 149, in Iülich befänden
sich zwei flämischc Altäre, ist demnach zu bcrichtigen. Lrhalten ist dort
imr das Mittelstück ciues ziemlich großen Schreines. Ls enthält drei
Gruxpen, oben eine hohe, dreitheilige Areuzigung mit z; Figurcn, da-
runter die Auferweckung des Lazarus und eine eigenthümliche Aufer-
stehungsgruxpe. Um das Grab Lhristi finden wir nämlich in sechs
Figuren den Lrstandenen als Gärtner mit Ularia Magdalena, ernen
Lngel mit zwei Frauen und Johannes den Täufer. kvahrscheinlich ist
diese Gruppe aus verschiedenen Resten zusammengestellt. Das Ganze
ist von einem mittelmäßigen Aünstler unter starker Anlehnung an fiä-
mische vorbilder um Z525 geschuitzt. Die polychromie ist wohl schon
im verflossenen Jahrhundert „ernenert" worden.

^) Zur leichtern Bcschreibung nenne ich „passionsaltäre" die-
jenigen Schreine, melche iu der obern Abtheilung in drei großen Gruppen
die Areuztragung, die Areuzigung und die Abnahme vom Areuze oder
die Beweinung der hl. Leiche Lhristi haben. Auch Marienaltäre
enthalten in der mittlern Abtheilung oft eine hohe Areuzigungsgruxxe,
zeigen aber dann zur Seite den Tod oder die Aufnahme der Gottes-
mutter. Die übrigen Altäre werde ich unter dem Nanien der peiligen
aufführen, deren Legende sie schildcrn, z. B. Anna-Altar.
 
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