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Nachträgliches zu dem vorstehenden Aufsatze.
Die von dem geehrten Herrn Verfasser des vor-
stehenden Aufsatzes dankenswert herangezogenen An-
gaben iiber drei mit dem Bogen erzielte Schuss-
resultate, welche auf kleinen Denksäulen des Ok-
meidän in Constantinopel verzeichnet sind, bedürfen
meines Erachtens einer genaueren Prüfung.
Zu diesem Zwecke liegt mir die türkische Hand-
schrift Minhädsch-i rumät „Der leitende Weg der
Bogenschützen“ von Sejjid AVahid Efendi aus
der k. k. Hofbibliothek, N. F. 179, 1) vor, in der
fol. 27a—54r die auf Denksäulen des Ok-meidän
und Votivtafeln des daselbst von Muräd IV- fiir
die Wettkämpfer erbauten Ruheortes (Tehje) ver-
ewigten Schussdistanzen von 272 Schützen in 46
Concurrenz- und Einzelschießen verzeichnet und be-
sprochen sind. 2)
Die erste und älteste Angabe (fol. 27r) betrifft
den auch in dem vorstehenden Aufsatze erwähn-
ten Meisterschuss Muräds IV. (1623 —1640). Das
mit ,Unterstützung‘ (bi-ijäd) des Nord- Ostwindes
erreichte Resultat ergab eine Schussweite von 1070
Gez d. h. Ellen. Da sich kein weiterer Zusatz bei
der Maßangabe findet, darf man unter Gez wohl
die in der Türkei seit alters geltende gemeine Elle
von 0'68 m verstehen. Darnach würde sich die Schuss-
distanz Muräds IV. auf 1070 X 0'68 = 727'6o m oder
970 Schritte (ä 0'75 m) stellen.
Dem gegeniiber steht die von Herrn Pharma-
kowsky mitgetheilte Schussweite von 1255 Fuß. Ich
bemerke gleich hier, dass diese Angabe, wenn sie
der von Herrn Pharmakowsky zugezogene Drago-
man so auf dem Steine las, sich mit der Angabe
bei Skarlatos Demetrios Byzantios, 'H Kovoxavuvoö-
7roXt? II 13 f: „. . . . ev 015 pövo? iSouXxäv MoupocS
6 ra^Tj? 7) A’., ecpü'aos psxP 1 I255 ^oScöv“ deckt.
Es ist mir nicht bekannt, dass man im 17. Jahr-
hundert im osmanischen Reiche derlei ausgiebige
AVegmaße nach den vielfachen des Fußes berechnet
habe; ich finde vielmehr, dass die hiefür gebrauchten
Ausdrücke, wie liadcm, adym = Fuß, im türlcischen
Gebrauch, gleicliwie im Griechischen uotR, für Tritt,
Scliritt angewendet wurden. So setzt Hädschi
1) Im Fliigelschen Katalog II 481 falsch: 197.
2) Wahid Efendi verfasste dieses Werkchen
unter der Regierung Selims III. (1789—1807); die
Abschrift datiert Dienstag den 13. Jänner 1807.
3) Denkschr. Akad. Wien XXXIII 1882 S. 2T9.
Chalfa (J 1658), der Zeitgenosse Muräd’s IV., in
seinem Dschihän nümä, S. 56, ausdrücklich adym -
chatwat, Schritt, und bemerkt, dass derselbe als
itinerarisches Maß (freilich in verfehlter Anwendung
auf die römische Meile) irn Betrage der Schneider-
elle festgesetzt sei (chatwat zirä-i chaijät mikdäri
takdir olunür). Setzt man die Richtigkeit der durch
Herrn Pharmakowsky vermittelten Lesung voraus, so
würden die 1255 ,Fuß‘ (richtiger: Schritte) im Ver-
hältnis zu den obigen ’]2j'6o m auf die Länge eines
türkischen ,Schrittes‘ oder der ,Schneiderelle‘ von
0 5797 m hinführen. Thatsächlich habe icli seinerzeit
die für alle orientalischen Manufacte geltende Tuchelle
Makrizis mit 0'58 m Normallänge berechnet, 3) was der
analogen, also zu gleichen Zwecken dienenden und
heute noch geltenden aegyptischen Landeselle, die
zwischen 0'575 und 0'583 m variiert, gleichkommt.
Ist die A.nwendung dieses Ansatzes auch für
die Schneiderelle Hädschi Chalfas zutreffend, wofür
ich keinen Beweis habe, so ergäbe sich aus 1255X
0'58 = 727'90 m die crwünsclite Übereinstimmung
der beiden Angaben über das Schussresultat des
Sultäns Muräd IV. — Später wird sich übrigens aus
zwei weiteren analogen Ansätzen dasselbe Verhältnis
zwischen Elle (gez) und Schritt (,Fuß‘) ergeben.
Die beiden anderen Angaben des vorstehenden
Aufsatzes datieren aus der Neuzeit: 1247 H. = 1831/2
und 1272 H. = 1855/6; sie entziehen sich der
Gegenrechnung, da unsere Handschrift nicht so weit
heraufreicht.
Im erstgenannten Jahre entsandte Sultän Mah-
müd II. seinen Pfeil auf die Entfernung von 1215
Pfeillängen und — traf das Ziel! Eine quellenmäßige
Abschätzung dieses Längenmaßes vermochte ich bis-
her niclrt aufzufinden; es diirfte aber unschwer an-
nähernd festzustellen sein. Die türkischen Pfeile des
18. bis 19. Jahrhunderts variieren 4) in der Länge
zwischen 0'70—079 m, womit die von W. Boeheim
(Handbuch 399) gefundene Durchschnittslänge von
075 m stimmt. Somit zeigt sich, dass eine türkische
Pfeillänge genau der Länge unseres (militärischen)
Schrittes von 075“ entspriclit. 5) Es dürfte also lcein
4) Nacb gütigen Messungen des Herrn Conser-
vators Dr AV. Erben im k. u. k. Heeresmuseum.
5) Der deutsche militärische Schritt ist bekannt-
lich mit o'8o m festgesetzt.
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Nachträgliches zu dem vorstehenden Aufsatze.
Die von dem geehrten Herrn Verfasser des vor-
stehenden Aufsatzes dankenswert herangezogenen An-
gaben iiber drei mit dem Bogen erzielte Schuss-
resultate, welche auf kleinen Denksäulen des Ok-
meidän in Constantinopel verzeichnet sind, bedürfen
meines Erachtens einer genaueren Prüfung.
Zu diesem Zwecke liegt mir die türkische Hand-
schrift Minhädsch-i rumät „Der leitende Weg der
Bogenschützen“ von Sejjid AVahid Efendi aus
der k. k. Hofbibliothek, N. F. 179, 1) vor, in der
fol. 27a—54r die auf Denksäulen des Ok-meidän
und Votivtafeln des daselbst von Muräd IV- fiir
die Wettkämpfer erbauten Ruheortes (Tehje) ver-
ewigten Schussdistanzen von 272 Schützen in 46
Concurrenz- und Einzelschießen verzeichnet und be-
sprochen sind. 2)
Die erste und älteste Angabe (fol. 27r) betrifft
den auch in dem vorstehenden Aufsatze erwähn-
ten Meisterschuss Muräds IV. (1623 —1640). Das
mit ,Unterstützung‘ (bi-ijäd) des Nord- Ostwindes
erreichte Resultat ergab eine Schussweite von 1070
Gez d. h. Ellen. Da sich kein weiterer Zusatz bei
der Maßangabe findet, darf man unter Gez wohl
die in der Türkei seit alters geltende gemeine Elle
von 0'68 m verstehen. Darnach würde sich die Schuss-
distanz Muräds IV. auf 1070 X 0'68 = 727'6o m oder
970 Schritte (ä 0'75 m) stellen.
Dem gegeniiber steht die von Herrn Pharma-
kowsky mitgetheilte Schussweite von 1255 Fuß. Ich
bemerke gleich hier, dass diese Angabe, wenn sie
der von Herrn Pharmakowsky zugezogene Drago-
man so auf dem Steine las, sich mit der Angabe
bei Skarlatos Demetrios Byzantios, 'H Kovoxavuvoö-
7roXt? II 13 f: „. . . . ev 015 pövo? iSouXxäv MoupocS
6 ra^Tj? 7) A’., ecpü'aos psxP 1 I255 ^oScöv“ deckt.
Es ist mir nicht bekannt, dass man im 17. Jahr-
hundert im osmanischen Reiche derlei ausgiebige
AVegmaße nach den vielfachen des Fußes berechnet
habe; ich finde vielmehr, dass die hiefür gebrauchten
Ausdrücke, wie liadcm, adym = Fuß, im türlcischen
Gebrauch, gleicliwie im Griechischen uotR, für Tritt,
Scliritt angewendet wurden. So setzt Hädschi
1) Im Fliigelschen Katalog II 481 falsch: 197.
2) Wahid Efendi verfasste dieses Werkchen
unter der Regierung Selims III. (1789—1807); die
Abschrift datiert Dienstag den 13. Jänner 1807.
3) Denkschr. Akad. Wien XXXIII 1882 S. 2T9.
Chalfa (J 1658), der Zeitgenosse Muräd’s IV., in
seinem Dschihän nümä, S. 56, ausdrücklich adym -
chatwat, Schritt, und bemerkt, dass derselbe als
itinerarisches Maß (freilich in verfehlter Anwendung
auf die römische Meile) irn Betrage der Schneider-
elle festgesetzt sei (chatwat zirä-i chaijät mikdäri
takdir olunür). Setzt man die Richtigkeit der durch
Herrn Pharmakowsky vermittelten Lesung voraus, so
würden die 1255 ,Fuß‘ (richtiger: Schritte) im Ver-
hältnis zu den obigen ’]2j'6o m auf die Länge eines
türkischen ,Schrittes‘ oder der ,Schneiderelle‘ von
0 5797 m hinführen. Thatsächlich habe icli seinerzeit
die für alle orientalischen Manufacte geltende Tuchelle
Makrizis mit 0'58 m Normallänge berechnet, 3) was der
analogen, also zu gleichen Zwecken dienenden und
heute noch geltenden aegyptischen Landeselle, die
zwischen 0'575 und 0'583 m variiert, gleichkommt.
Ist die A.nwendung dieses Ansatzes auch für
die Schneiderelle Hädschi Chalfas zutreffend, wofür
ich keinen Beweis habe, so ergäbe sich aus 1255X
0'58 = 727'90 m die crwünsclite Übereinstimmung
der beiden Angaben über das Schussresultat des
Sultäns Muräd IV. — Später wird sich übrigens aus
zwei weiteren analogen Ansätzen dasselbe Verhältnis
zwischen Elle (gez) und Schritt (,Fuß‘) ergeben.
Die beiden anderen Angaben des vorstehenden
Aufsatzes datieren aus der Neuzeit: 1247 H. = 1831/2
und 1272 H. = 1855/6; sie entziehen sich der
Gegenrechnung, da unsere Handschrift nicht so weit
heraufreicht.
Im erstgenannten Jahre entsandte Sultän Mah-
müd II. seinen Pfeil auf die Entfernung von 1215
Pfeillängen und — traf das Ziel! Eine quellenmäßige
Abschätzung dieses Längenmaßes vermochte ich bis-
her niclrt aufzufinden; es diirfte aber unschwer an-
nähernd festzustellen sein. Die türkischen Pfeile des
18. bis 19. Jahrhunderts variieren 4) in der Länge
zwischen 0'70—079 m, womit die von W. Boeheim
(Handbuch 399) gefundene Durchschnittslänge von
075 m stimmt. Somit zeigt sich, dass eine türkische
Pfeillänge genau der Länge unseres (militärischen)
Schrittes von 075“ entspriclit. 5) Es dürfte also lcein
4) Nacb gütigen Messungen des Herrn Conser-
vators Dr AV. Erben im k. u. k. Heeresmuseum.
5) Der deutsche militärische Schritt ist bekannt-
lich mit o'8o m festgesetzt.