Sculpturfunde von Pompei und Herculaneum, und zwar keineswegs bloß die
Bronzen, sondern auch Marmorwerke, sogar solche von Rom und Paris; in Erzguss
vervielfaltigt werden. Unprotokolliert bestehen daneben eine Menge kleinerer
Officinen, die dasselbe Geschäft handwerklich betreiben. Eine dieser letzteren, die
von vier armen Gesellen bedient wurde, während der Meister in der Bronze-
sammlung des Museums, um hier Kauflustige zu interessieren, an einem kleinen
fertigen Wachsmodell beständig fortbossierte, habe ich genauer kennen gelernt
und dort die unbarmherzigsten Anstückungs- und Überarbeitungsproceduren ver-
folgen können. Die Concurrenz hat sich dermaßen gesteigert, dass sie den Geschäfts-
gewinn bitter drückt und schon bei Spottpreisen angelangt ist, die sich von den
durch Sclavenarbeit erklärlichen des Alterthums 48) kaum mehr entfernen. Man
begreift dies; wenn man in allen Fremdenläden der Stadt; ja bei Antiquaren und
Kunsthändlern in ganz Italien immer und immer wieder den nämlichen Neapler
Antiken begegnet; die hier von den kleinsten Nippesformaten an in abgestuften
Größen; selten aus Originalformen; rneist nach fragwürdigen Modellen gegossen;
ciseliert oder in den verschiedenen üblichen Farben patiniert, zum Verkaufe stehen
und Liebhaber aus aller Herren Ländern finden. Statistische Daten über diesen
Massenvertrieb sind wohl kaum zu erlangen; schätzungsweise wird aber die An-
nahme nicht fehl gehen; dass Lieblingsfiguren des Publicums; wie der pompeianische
Narciss, der seit vierzig Jahren unaufhörlich fortcopiert wird; nachgerade in
Tausenden und aber Tausenden von Exemplaren in Europa und über Europa
hinaus verbreitet sind. So wiederholt sich heute in den Bahnen des Weltverkehres,
was sich einst im Gebiete der Mittelmeercultur abspielte.
Wien; Juli 1901. O. BENNDORF.
Bronzeaufsatz
im Besitze von Hans Grafen Wilczek in Wien.
Tafel VII.
Auf Tafel VII und in Fig. 204, 205 ist eine Bronze wiedergegeben; die
Se. Exc. Plans Graf Wilczek vor zwei Jahren von Dr Forrer in Straßburg- für
seine Wiener Sammlung erwarb und als ein kunstgeschichtliches Problem dem
archäologischen Institute zur Veröffentlichung überließ. Dr Forrer hatte das Stück;
wie er mir mittheilt; von einem Pariser Händler erworben und dieser angeblich
4S) Friedländer, Sittengesclriclrte Roms III G 332 ff.
Bronzen, sondern auch Marmorwerke, sogar solche von Rom und Paris; in Erzguss
vervielfaltigt werden. Unprotokolliert bestehen daneben eine Menge kleinerer
Officinen, die dasselbe Geschäft handwerklich betreiben. Eine dieser letzteren, die
von vier armen Gesellen bedient wurde, während der Meister in der Bronze-
sammlung des Museums, um hier Kauflustige zu interessieren, an einem kleinen
fertigen Wachsmodell beständig fortbossierte, habe ich genauer kennen gelernt
und dort die unbarmherzigsten Anstückungs- und Überarbeitungsproceduren ver-
folgen können. Die Concurrenz hat sich dermaßen gesteigert, dass sie den Geschäfts-
gewinn bitter drückt und schon bei Spottpreisen angelangt ist, die sich von den
durch Sclavenarbeit erklärlichen des Alterthums 48) kaum mehr entfernen. Man
begreift dies; wenn man in allen Fremdenläden der Stadt; ja bei Antiquaren und
Kunsthändlern in ganz Italien immer und immer wieder den nämlichen Neapler
Antiken begegnet; die hier von den kleinsten Nippesformaten an in abgestuften
Größen; selten aus Originalformen; rneist nach fragwürdigen Modellen gegossen;
ciseliert oder in den verschiedenen üblichen Farben patiniert, zum Verkaufe stehen
und Liebhaber aus aller Herren Ländern finden. Statistische Daten über diesen
Massenvertrieb sind wohl kaum zu erlangen; schätzungsweise wird aber die An-
nahme nicht fehl gehen; dass Lieblingsfiguren des Publicums; wie der pompeianische
Narciss, der seit vierzig Jahren unaufhörlich fortcopiert wird; nachgerade in
Tausenden und aber Tausenden von Exemplaren in Europa und über Europa
hinaus verbreitet sind. So wiederholt sich heute in den Bahnen des Weltverkehres,
was sich einst im Gebiete der Mittelmeercultur abspielte.
Wien; Juli 1901. O. BENNDORF.
Bronzeaufsatz
im Besitze von Hans Grafen Wilczek in Wien.
Tafel VII.
Auf Tafel VII und in Fig. 204, 205 ist eine Bronze wiedergegeben; die
Se. Exc. Plans Graf Wilczek vor zwei Jahren von Dr Forrer in Straßburg- für
seine Wiener Sammlung erwarb und als ein kunstgeschichtliches Problem dem
archäologischen Institute zur Veröffentlichung überließ. Dr Forrer hatte das Stück;
wie er mir mittheilt; von einem Pariser Händler erworben und dieser angeblich
4S) Friedländer, Sittengesclriclrte Roms III G 332 ff.