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Grothe, Hugo [Oth.]
Orientalisches Archiv: illustrierte Zeitschrift für Kunst, Kulturgeschichte u. Völkerkunde der Länder des Ostens — 2.1911/​1912

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Hartmann, Martin: Über einige Anlagen und Bauwerke Jarkends (Chinesisch Turkestan)
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https://doi.org/10.11588/diglit.69723#0043

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Über einige Anlagen und Bauwerke Jarkends (Chinesisch Turkestan).

,ich möchte mir eine schöne Ruhstatt bauen, aber
mein Geld ist nicht haläl1-, dein Geld ist es,
denn du hast es redlich durch den Handel er-
worben; so baue mir denn ein schönes Mauso-
leum, spare nichts!‘ Qäsim ließ einen persischen2
Usta kommen — seinen Namen kenne ich nicht —,
der baute das schöne Denkmal; als das Gebäude
fertig war, ersetzte Baisä Bek dem Qäsim alle
Ausgaben und belohnte ihn außerdem reichlich.
Den Qäsim sah ich nicht, wohl aber kannte ich
seinen Sohn Ahmed Eli Chodscha.“ Als ich dann
erwähnte, daß das Gebäude nach dem Schech,
der es zu hüten hat, vor + 83 Jahren errichtet sei,
sagte Arabschä eifrig: „Das ist gewiß richtig“.3 —
Die Mauer, die den Hof umgibt, bildet zugleich
die Hinterwand eines bedachten Ganges (riwäq),
der nach vorn offen durch Holzsäulen gestützt ist,
auf der Süd-, West-, und Nordseite (den der West-
seite zeigt Abb. 10); auf der Nordseite tritt dieser
Gang nahe an das Gebäude heran. Im südlichen
Riwäq finden sich Malereien an den Wänden, in
denen das Motiv des von Diametern durchschnitte-
nen Kreises vorherrscht (vgl. die Rosette in der
Südwand und die Rosetten der Innenverzierung).
Im südlichsten Teile des Westganges ein Quadrat
mit einem kleineren Quadrate darin, das in 49 Felder
geteilt ist; jedes Feld enthält ein weißes, rotge-
rändertes Ornament, kleeblattartig.
Der Bau stellt sich dar als ein vollkommenes
Quadrat, über welchem sich eine gestelzte, oben
abgeplattete Kuppel (im Durchschnitt Spitzbogen)
erhebt; die Rippen der Kuppel, die sich nach einem
bekannten Prinzipe gegenseitig stützen, sind als
Tragerippen ein Halt für die Platten, die zwischen
ihnen gelegt werden (es ist auf der Abb. 11
erkennbar, daß die ganze Kuppel mit Platten
belegt ist). Über den Kachelbelag der Wände

1 Es ist ein im Islam beliebtes Motiv, daß nur Ver-
mögen, das haläl, d. h. redlich erworben ist, zu guten
Werken verwandt werden soll.
2 Daß Perser nach Jarkend kommen, ist nichts Seltenes;
während meiner Anwesenheit in Jarkend hatte Arabschä
einen Perser einige Zeit bei sich wohnen, der als ein
Meister in der Käsefabrikation galt. Der persische Bau-
meister wird wohl aus Indien gekommen sein; vgl. das
über den Bau Bemerkte S. 21b.
3 Die Zeitangabe von 83 Mondjahren ergibt, von
Dezember 1902 (Ende 1320) an gerechnet, 1237, und das
ist nahe dem Jahr, das in der Inschrift des Mausoleums
angegeben ist (1238), siehe S. 22b.

siehe S. 19a. Die Westwand ist so gegliedert,
daß das mittlere Stück mit der Tür hervortritt;
es ist zugleich höher als die beiden Seitenstücke
(Gesamtansicht der Westwand zugleich mit der
anstoßenden Nordwand, von der Stadtmauer aus
genommen, Abb. 11, ein Einzelstück der West-
wand zeigt Abb. 5). Die anderen Wände sind
glatt, nur hat die Südwand in der Mitte eine
Rosette mit Qoran Sure 112 (Abb. 12). Über der
Tür befindet sich eine kunstvolle Holzschnitzerei.
Zum Stil des Baues bemerkte mir ein befreun-
deter Baumeister Folgendes: „Die mir vorgelegte
Gesamtansicht (Abb. 11) erinnert mich durch die
Brüstungen (mit Sims) und die Türmchen an die
Bauten von Sikandra (Indien); ich möchte glauben,
daß das Mausoleum ein Erzeugnis der Kunst ist,
die in dem islamischen Indien des 17. und 18.
Jahrhunderts herrschte, und die ich eine mongo-
lisch modifizierte persische Kunst nennen möchte“
Es liegt mir fern, an dieser Äußerung eine Kritik
zu üben, aber ich möchte auch hier meiner Über-
zeugung Ausdruck geben, daß Individuen und
Gruppen rein mongolischen bzw. türkischen Ur-
sprungs nur in ganz vereinzelten Fällen die Kunst-
übung befruchtet haben. Wenn es unter den
Mongolenkaisern Indiens zu einer Kunstblüte ge-
kommen ist, und in ihr persische Motive eine
Modifikation erfahren haben, so dürfen meines
Erachtens diese neuen Momente nicht als „mon-
golisch“ bezeichnet werden. Sie sind unter ver-
schiedenen Einflüssen, die vielleicht ein sorgfäl-
tiges Studium noch ermitteln wird, hineingetragen
worden. Daß das unter Herrschern mongolischen
Ursprungs geschah, die übrigens bei der Konku-
binenwirtschaft der islamischen Dynastien (von
den 37 Abbasiden sind 33 Konkubinenkinder,
die osmanischen Sultane haben seit fünf Jahr-
hunderten keine freien Frauen) sehr bald des mon-
golischen Blutes ledig wurden, ist unwesentlich
und darf kaum bei der Charakterisierung der in-
disch-islamischen Denkmäler bewertet werden.
Das Innere des Mausoleums zeigt ein gleich-
seitiges Achteck, gebildet durch Abschneiden der
Ecken des quadratischen Baues. Jede Seite bildet
einen türähnlichen Rahmen, dessen Grund etwa
15—20 cm vertieft ist; dieser Grund hat nun wieder
eine spitzbogige Nische, die an den Seiten des
Oktogons, die die Ecken abschneiden, tief hin-
eingeht und zwar oben muschelförmig, unten in

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