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Grothe, Hugo [Oth.]
Orientalisches Archiv: illustrierte Zeitschrift für Kunst, Kulturgeschichte u. Völkerkunde der Länder des Ostens — 2.1911/​1912

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Zimmermann, Ernst: Wann ist das chinesische Porzellan erfunden und wer war sein Erfinder?
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https://doi.org/10.11588/diglit.69723#0060

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Wann ist das chinesische Porzellan erfunden und wer war sein Erfinder?

anzunehmen, daß das, was damals in jenen frühen
Zeiten als Porzellan erfunden ward, bis in die
Mingzeit (1368—1644) hinein noch gar nicht das
wirkliche Porzellan, sondern nur eine Art Vor-
stufe oder gar eine Art Surrogat gewesen wäre.
Man operiert dann gern mit dem Worte „Weich-
porzellan“ (soft paste) und meint, es wäre an-
fangs nur eine Art Frittenporzellan gewesen,
wie es Persien in viel späterer Zeit hergestellt
hat. Diese Behauptung ist wohl zuerst von
Brinckley in seinem vielbändigen Werke „China
its History, Arts and Litterature“ (London 1904,
Bd. IX) ausgesprochen worden und Münster-
berg in seiner „Japanischen Kunstgeschichte“
hat nicht übel Lust gehabt, ihm zu folgen. Sie
hat aber ersichtlich ganz allein darin ihren
Grund, daß unter den ersten, uns erhaltenen
Erzeugnissen Chinas aus der Sungzeit sich nur
selten solche finden, die ganz ausgemacht wirk-
liches Porzellan und nicht Steinzeug oder noch
einfachere keramische Erzeugnisse darstellen.
Dem widersprechen nun aber völlig die in den
chinesischen Quellenschriften gegebenen Schil-
derungen dieser frühen Erzeugnisse, von den
oben zur Feststellung der Zeit der Erfindung
angeführten ganz abgesehen. Dünnwandig
(die Dichter vergleichen einmal eine Porzellan-
sorte dieser Zeit geradezu „mit Blumenblättern,
die auf dem Wasser schwimmen“, was natür-
lich Übertreibung ist, aber doch keine ganz
ohne tatsächliche Veranlassung), weiß, klin-
gend — Musikinstrumente wurden vielfach dar-
aus gemacht — vor allem aber transparent, so
wurden viele der besten Erzeugnisse dieser Zeit
beschrieben. Nun aber nenne jemand einen kera-
mischen Stoff, der diese Eigenschaften besitzt,
aber nicht Porzellan ist! Doch Brinckley? er
hat sich sofort zu helfen gewußt. Ohne eine
Spur von Beweis erklärt er eben alles „Por-
zellan“ bis zur Mingzeit, ja z. T. noch bis in
diese hinein, für „Weichporzellan“ und alles
scheint wieder klar. Leider ist aber hier zu be-
merken, daß Brinckley gar nicht zu wissen
scheint, was Weichporzellan eigentlich ist. Denn
einmal versteht er darunter, wie es ganz allge-
mein heute die Kunstwissenschaft tut, jenes
glasartige Produkt, Frittenporzellan genannt, das
äußerlich dem Porzellan zwar recht ähnlich sieht,
innerlich diesem aber, da es eben eine Art Glas

ist, ganz wesensfremd ist, das andere Mal aber,
wie es die heutige Technik zu tun pflegt, jene
Sorte von echtem, kaolinhaltigen Porzellan, das
nur deshalb Weichporzellan genannt wird, weil
es weniger Kaolin enthält als das gewöhnliche
und darum auch nicht so fest ist! Zu ersterem
gehören bekanntlich alle berühmten französi-
schen Porzellane des 18. Jahrhunderts, voran
das von Sevres, zu letzterem in erster Linie über-
haupt das gesamte ostasiatische Porzellan im
Gegensatz zu dem unsrigen, das man dann
„Hartporzellan“ zu nennen pflegt. Meist je-
doch denkt Brinckley hier an Frittenporzellan
und namentlich bei den Anfängen des chine-
sischen Porzellans. Nichts aber ist unverstän-
diger als eine solche Ansicht, nichts unver-
ständiger als anzunehmen, daß das Frittenpor-
zellan einst eine Art Vorstufe für das chine-
sische Porzellan gewesen wäre, aus der sich
dieses langsam und allmählich durch immer neue
Verbesserungen entwickelt hätte. Denn nicht
nur ist das glasartige Frittenporzellan technisch
etwas so anderes, als das keramische echte Por-
zellan, daß eine Entwicklung von jenem zu
diesem technisch gänzlich unmöglich ist — man
hätte dann einfach nach jenem das echte Por-
zellan als etwas gänzlich Neues, durch nichts
Vorbereitetes erfinden müssen —, das Fritten-
porzellan stellt auch einen so komplizierten,
schwierig herzustellenden und in jeder Bezie-
hung unpraktischen Stoff dar, daß er niemals
anders als durch die Verzweiflung hat er-
funden und hergestellt werden können, durch
die Verzweiflung nämlich, das so reizvolle und
so bewunderte echte Porzellan nachmachen zu
wollen, aber es nicht zu vermögen. Mit anderen
Worten: ohne ein echtes Porzellan hätte es
nie ein Frittenporzellan gegeben und darum
kann es auch niemals, wie Brinckley will, jenem
vorangegangen sein.
Und so möchte ich noch einmal zum
Schlüsse wiederholen, was diese ganze Abhand-
lung feststellen sollte: Das chinesische Por-
zellan ist aller Wahrscheinlichkeit nach
um die Wende des 6. Jahrhunderts nach
Christi erfunden worden und sein Er-
finder ist der damalige Minister der
öffentlichen Arbeiten Ho Chou ge-
wesen.

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