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Rahn, Johann Rudolf
Geschichte der bildenden Künste in der Schweiz: von den ältesten Zeiten bis zum Schlusse des Mittelalters ; mit 2 Tafeln und 167 in den Text gedruckten Holzschnitten — Zürich, 1876

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https://doi.org/10.11588/diglit.29817#0047

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Eintheilung.

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Kunst bereits dem Verfalle entgegenrückte. Wichtig und bedeutsam wird
.Rom erst für die Folgezeit, aber nicht das Rom wie es sich in den cisalpi-
nischen Militärcolonien darstellt, sondern die römische Kunst, die drüben
im Süden ein für alle Zeiten mustergültiges Formenwesen schuf, eine Kunst,
deren Ausläufer und stets erneuerte Einwirkungen bis zum Beginn der
gothischen Epoche nachzuweisen sind. Der Einblick in die römische For-
menwelt im Allgemeinen wrird uns daher mehr beschäftigen als die küm-
merlichen Reste, welche die fremden Herrscher hinter den Schaufenstern
unserer Museen zurückgelassen hab en.

Wichtiger schon gestaltet sich der zweite Abschnitt über die
Kunst der altchristlichen Epoche. Zwar ist auch in diesen früheren
Jahrhunderten die Geschichte der Schweiz in ein völliges Dunkel gehüllt.
Seit dem III. Jahrhunderte schon hatten sich die Römer nur mit Mühe
.gegen den Andrang der germanische11 Völker erwehrt. Das IV. Jahr-
hundert bezeichnet ein Hin- und Herwogen der römischen Waffen, eine
Reihe von Kämpfen gegen die germanischen Eindringlinge, die sich endlich
seit der zweiten Hälfte des V. Jahrhunderts endgültig in unseren Gegenden
festsetzten; im Westen die Burgunder, im Nordosten die Alamannen, während
die Rätier hinter ihren Gebirgsbollwerken die von den Römern überkom-
mene Cuitur bewahrten. Auch die Burgunder erscheinen als ein Volk
■voller Anlagen zu höherer Gesittung. Die höchste Blüthe ihres Staates er-
innert an die Zustände, deren sich Italien etwa gleichzeitig unter Theodorichs
Regierung erfreute. Anders die Alamannen, deren kriegerischer Geist
die römische Cuitur und Sprache verwarf und die ihrem volksthümlichen
Wesen getreu auf dem eroberten Boden fortlebten. Die fränkische Er-
oberung vereinigt endlich die burgundischen wie die alamannischen Gebiete
mit dem grossen Reiche der Merowinger, wobei freilich die alten Stämme,
soweit es sich mit der neuen Obergewalt vertrug, in ihrer Eigenart fort-
lebten. Allein wie bedeutsam diese Wandlungen für den Historiker sich
■darstellen, so spurlos beinahe sind sie für die Kunstgeschichte vorüber-
gegangen. Nicht ein Bauwerk ist erhalten geblieben, das mit Sicherheit
dieser Epoche zugeschrieben werden könnte. Zwischen . der römischen
Epoche und dem Wiederaufleben der Wissenschaften und Künste unter den
Karolingern herrscht eine unausfüllbare Kluft, und doch fällt in diese Epoche
gerade die Entwickelung der grossen kirchlichen Typen. Es wird also
nöthig sein diese Lücke aus ferner Quelle zu ergänzen. Und wie die Archi-
tektur, so treten auch ihre Schwesterkünste zurück. Die Plastik, unfähig zu
grösseren Leistungen, verkümmert in kleinen handwerklichen Schöpfungen.
Erst mit der karolingischen Epoche beginnt sich das Dunkel zu
klären. In diese Zeit fällt die Blüthe der neugegründeten Stifte, es erfolgt
zum ersten Male die Kunde von grösseren baulichen Unternehmungen und
 
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