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Rahn, Johann Rudolf
Geschichte der bildenden Künste in der Schweiz: von den ältesten Zeiten bis zum Schlusse des Mittelalters ; mit 2 Tafeln und 167 in den Text gedruckten Holzschnitten — Zürich, 1876

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https://doi.org/10.11588/diglit.29817#0048

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i6

Eintheilung.

sind auch aus dem Gebiete der Plastik und der Malerei höchst namhafte
Arbeiten erhalten geblieben. Wie das ganze Leben der karolingischen-
Epoche, so ist auch der Stil ihrer künstlerischen Schöpfungen voller Er-
innerungen an die Antike und diese bleibt nun maassgebend bis zum XI. Jahr-
hundert, wo für die Kunst eine neue Wendung beginnt.

Mit dem XI. Jahrhundert datirt die Kunstgeschichte den Beginn des-
eigentlichen Mittelalters. Auch in diesem Zeiträume sind wieder ver-
schiedene Abschnitte zu unterscheiden, nämlich die Epoche des romanischen
und die des gothischen Stiles. Die Grenze beider bildet für die Schweiz,
das XIII. Jahrhundert. Der romanische Stil ist ein glücklicher Compromiss
zwischen den immer noch fortlebenden Elementen der Antike und den
neuen nationalen Formen, ein Process vergleichbar mit jener sprachlichen
Wiedergeburt aus der die romanischen Idiome hervorgegangen sind. Für
die Schweiz kommt hier nun zuvörderst die Theilung in drei ganz gesonderte
Monumentalgruppen in Betracht; man wird für diesen Zeitraum eine schwä-
bisch-alamannische, eine burgundische und eine lombardisch-italienische
Schule unterscheiden müssen. Aber schon seit der zweiten Hälfte des

XII. Jahrhunderts mehren sich die Anzeichen, die eine merkliche Aenderung
des romanischen Stiles verkünden. Von Frankreich aus, wo sich mittlerweiledie
Gothik entwickelt hatte, verbreiten sich ihre Einflüsse bis nach dem Norden
Deutschlands, und getragen insbesondere von dem neugegründetenCistercienser-
Orden bald über alle Länder des europäischen Continents. So entstehen in der
Schweiz seit Ende des XII. und Anfang des XIII. Jahrhunderts die Kathedralen
von Genf und Lausanne, die Collegiatkirche von Neuchätel, Notre-Dame-de-
Valere bei Sitten, Muster des sogenannten Uebergangsstiles, der sich nun auch
der letzten gothischen Reminiscenzen entkleidet, um seit dem Laufe des-

XIII. Jahrhunderts als reine Gothik die gesammte mittelalterliche Kunst zu be-
herrschen. Waren bisher die Trägerder Architektur vorzugsweise Geistliche
gewesen, so tritt jetzt der Laienstand an ihre Stelle. Kein Wunder — denn eben
um diese Zeit beginnt sich überall ein Freiheitsdrang zu regen, durch welchen
sich das bürgerliche Element in langen und theilweise blutigen Kämpfen von
der Oberherrlichkeit der geistlichen und weltlichen Machthaber zu emancipiren
wusste. Zu der Summe unsrer heimischen Denkmäler bietet diese Epoche
das Vollzähligste, wenn auch keineswegs das Beste dar. Aber die Blüthe
der Gothik war nur eine kurze. Schon seit dem Anfänge des XIV. Jahr-
hunderts mehrten sich die Anzeichen des Verfalls. Die Kunst, die Architektur
wie die Plastik und die Malerei geräth in ein bloss handwerkliches Geleise,,
und als dann das XVI. Jahrhundert mit seinen geistigen und politischen
Stürmen hereinbrach, als von Süden her die Elemente der jugendlichen
Renaissance herüberdrangen, da bedurfte es nur eines Anstosses, damit das
alterschwache Gerüste einer archaistisch erstarrten Kunst in Trümmern zerfiel-
 
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