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Rahn, Johann Rudolf
Geschichte der bildenden Künste in der Schweiz: von den ältesten Zeiten bis zum Schlusse des Mittelalters ; mit 2 Tafeln und 167 in den Text gedruckten Holzschnitten — Zürich, 1876

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https://doi.org/10.11588/diglit.29817#0281

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246 Verhältnis zur lombardischen Bauschule.

die herrlich fruchtbaren Niederungen gegen Italien öffnen, ist der Ausfall
höheren Kunstlebens bemerkbar. Mögen es die politischen Stürme ge-
wesen sein, die während des ganzen Mittelalters in diese Gegenden hin-
überspielten, oder mag es der Mangel an geistlichen Mittelpunkten und
grösseren Städten erklären, genug die einzigen Werke von wahrhaft
künstlerischer Bedeutung reichen nicht über die Grenzscheide des XV.
und XVI. Jahrhunderts zurück. So ist es z. B. auffallend, wie der gross-
artige Aufschwung, den der Gewölbebau seit der Frühzeit des XII. Jahr-
hunderts in Oberitalien nahm, ohne jeglichen Einfluss auf die Baukunst
dieser Gegenden geblieben ist. Ueberall bleibt die Basilika mit flacher
Holzdecke die herrschende Kirchenform, wobei man, so recht im Gegen-
sätze zu der reichen Gestaltung, wie
sie beispielsweise die Kreuzconchen-
anlage lombardischer Chore darstellt,
bei den einfachsten Grundformen
beharrte, sich öfters mit dem gerad-
linigen Chorabschlusse begnügte und
nicht selten bei grösseren Kirchen
sogar die Seitenschiffe fortliess. Auch
der Schmuck, den man dem Aeusseren
ertheilte, beschränkt sich auf eine
möglichst sparsame Verwendung der
in der lombardischen Bauweise ge-
bräuchlichen Elemente. Man pflegte
wie dort die Fapade zuweilen als
einen einheitlichen Vorbau zu be-
handeln, der ohne Rücksicht auf die
Abstufung der Schiffe mit einem ein-
zigen Flachgiebel abschliesst, wäh-
rend die Fläche durch Mauerstreifen in drei oder mehrere Felder getheilt
wird. Derselbe Schmuck wiederholt sich an den Langseiten des Ge-
bäudes, oft so, dass man in echt lombardischer Weise auf Horizontal-
gliederung verzichtete und die Lesenen ununterbrochen vom Boden bis zum
Gesimse emporsteigen liess, doch ist auch hierin ein durchgreifendes System
nicht nachzuweisen. Ueberall endlich fehlt, mit einer einzigen Ausnahme,
die originelle Ausbildung des Portalbaus, fehlen die Radfenster oder Ro-
setten, die Zwerggalerien u. s. w., die dem lombardischen Aussenbau einen
so reichen und malerischen Charakter verleihen.

Der einfachen, selbst ärmlichen Erscheinung des Aeusseren entspricht
das Innere dieser Bauten. Der Mangel antiker Vorbilder und verfüg-
barer Spolien mag es erklären, dass man bei mehrschiffigen Anlagen

Fig. 78.
 
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