Die Enthauptung der heiligen Katharina.
Oelgemälde auf dem Altar zu Corvara in Tirol.
Nach Cyprian Pescosta von 1512.
Von G. Dahlke.
Wo sich im Hintergründe des Abteithals die Pfade nach Gröden
und Buchenstein verzweigen, da bezeichnet das Dorf Corvara eine alte
Stätte romanischer Cultur, die Jahrhunderte hindurch der Gerichtsbar-
keit des Frauenstiftes Sonnenburg unterworfen blieb. In dem Chor der
einschiffigen, auf dem Grunde der romanischen Katharinencapelle
1498 erbauten, 1501 geweihten Kirche prangt auf den Flügeln des
spätgothischen Altars ein Gemälde, dessen Composition und Charakte-
ristik die Verbreitung oberdeutscher Kunst in dem tirolischen Gebirge
bezeugen; Holzsculpturen füllen Aufsatz und Schrein.
Als Mittelfigur des dreitheiligen, 1,74 M. hohen, 1,28 M. breiten
Feldes steht die Madonna in goldnem, an der rechten Seite aufgerafften
Mantel und hält mit beiden Händen das Kindlein an die Brust gedrückt.
Um die rundgewölbte Stirn des hocherhobenen Kopfes schmiegt sich
ein Kronenreif und diesem Zeichen königlicher Würde entspricht die
stolze Haltung der Figur, aber nicht die unbestimmte Miene des Ge-
sichts, dem die Stumpfnase über geradem Munde und das flache Kinn
keine edlen Formen geben. Während unter der gebauschten und in
stumpfen Brüchen gefalteten Hülle das rothe Kleid in parallelen Linien
auf die Füsse niedergleitet, ist des Kindes voller Körper unbedeckt ge-
blieben: die Linke hebt das Kreuz, die Rechte lässt den Apfel sinken,
aus dem runden Antlitz leuchtet Lebensfreudigkeit und verständiger Sinn.
Selbstbewusst stützt Katharina zur Rechten beide Hände auf das
Schwert, trägt auf der Stirn eine Krone und hat in freiem Wurf den
goldnen Mantel wie das grüne gemusterte Kleid um die runden Glieder
gelegt. Aus den Augen strahlt geistige Klarheit, ernste Ruhe kündet
die Miene, aber die vollen Wangen, der breitgezogene Mund und das
lässig niederrieselnde Haar geben der vornehmen Jungfrau einen An-
Oelgemälde auf dem Altar zu Corvara in Tirol.
Nach Cyprian Pescosta von 1512.
Von G. Dahlke.
Wo sich im Hintergründe des Abteithals die Pfade nach Gröden
und Buchenstein verzweigen, da bezeichnet das Dorf Corvara eine alte
Stätte romanischer Cultur, die Jahrhunderte hindurch der Gerichtsbar-
keit des Frauenstiftes Sonnenburg unterworfen blieb. In dem Chor der
einschiffigen, auf dem Grunde der romanischen Katharinencapelle
1498 erbauten, 1501 geweihten Kirche prangt auf den Flügeln des
spätgothischen Altars ein Gemälde, dessen Composition und Charakte-
ristik die Verbreitung oberdeutscher Kunst in dem tirolischen Gebirge
bezeugen; Holzsculpturen füllen Aufsatz und Schrein.
Als Mittelfigur des dreitheiligen, 1,74 M. hohen, 1,28 M. breiten
Feldes steht die Madonna in goldnem, an der rechten Seite aufgerafften
Mantel und hält mit beiden Händen das Kindlein an die Brust gedrückt.
Um die rundgewölbte Stirn des hocherhobenen Kopfes schmiegt sich
ein Kronenreif und diesem Zeichen königlicher Würde entspricht die
stolze Haltung der Figur, aber nicht die unbestimmte Miene des Ge-
sichts, dem die Stumpfnase über geradem Munde und das flache Kinn
keine edlen Formen geben. Während unter der gebauschten und in
stumpfen Brüchen gefalteten Hülle das rothe Kleid in parallelen Linien
auf die Füsse niedergleitet, ist des Kindes voller Körper unbedeckt ge-
blieben: die Linke hebt das Kreuz, die Rechte lässt den Apfel sinken,
aus dem runden Antlitz leuchtet Lebensfreudigkeit und verständiger Sinn.
Selbstbewusst stützt Katharina zur Rechten beide Hände auf das
Schwert, trägt auf der Stirn eine Krone und hat in freiem Wurf den
goldnen Mantel wie das grüne gemusterte Kleid um die runden Glieder
gelegt. Aus den Augen strahlt geistige Klarheit, ernste Ruhe kündet
die Miene, aber die vollen Wangen, der breitgezogene Mund und das
lässig niederrieselnde Haar geben der vornehmen Jungfrau einen An-