Bildercyclen und Illustrationstechnik im späteren Mittelalter.
Von K. Lamprecht in Bonn.
Gelegentlich des Erscheinens von:
Die Romfahrt Kaiser Heinrichs VII., ein Bildercyclus des Codex Bal-
duini Trevirensis, herausgegeben von der Direction der Königl. Preussischen
Staatsarchive. Erläuternder Text Bearbeitet (unter Benutzung des litterarischen
Nachlasses von L. v. Eitester) von Dr. Georg Irmer, Archivsecretär in Marburg.
Berlin, Weidmann’sche Buchhandlung 1881. Fol. 39 Tafeln und 120 S. Text.
Ulrich Richental, Concilium ze Costenz 1414—1418 (nach dem Original
im Besitze des Grafen Gustav von Königsegg in Aulendorf, herausgegeben von
Th. Sevin; Lichtdruck von L. Bäckmann in Karlsruhe). Edition in 40 Exempl.,
126 Bll. Lichtdruck in KL-Fol. 1881. 160 M. —.
In den beiden genannten Veröffentlichungen sind in dankenswerther
Weise zwei Bildercyclen reproducirt worden, welche, kunsthistorisch wie cultur-
geschichtlich gleich wichtig, zwei der bedeutendsten Ereignisse am Beginn
des 14. und 15. Jahrhunderts in fast gleichzeitigen und für den jeweiligen
Stand der deutschen Malerei bezeichnenden Darstellungen vorführen. Hier wie
dort handelt es sich urn politische Vorgänge, wie sie sich in den höchsten Schichten
der Nation abspielen, hier wie dort tritt zugleich der internationale Charakter
des Mittelalters im Kaiserreich und in der Universalkirche durch Hineinziehen
fremder, romanischer Volkselemente in der bildlichen Schilderung zu Tage. Ist
so die Grundlage des politischen Lebens, das beide Bildercyclen zur Darstel-
lung bringen, die gleiche, so gehen sie doch vorwiegend auf verschiedenartige
Aeusserungen desselben aus; hier auf das kriegerische Leben des Ritters, die
sociale Stellung der weltlichen Aristokratie, dort dagegen auf Thun und
Treiben der geistlichen Aristokratie, namentlich der Spitze derselben, des
Papstes. Auf diese Weise ergänzen sich beide Cyclen; in beiden zusammen
liegt eine Schilderung des äusseren Daseins der höchsten socialen Schichten
unseres Volkes, geistlicher wie weltlicher Art, vor, welche zwei Jahrhunderte
umfasst und kaum eines der für eine solche Darstellung wichtigeren Momente
vermissen lässt.
Nicht minder wichtig wie diese inhaltliche, erscheint die formale Seite
beider Handschriften für die Entwicklung der Gyclenbildung und namentlich
der Illustrationstechnik im späteren Mittelalter. Während aber wenigstens die
Irmer’sche Publication der Realerklärung der Bilder wesentlich gerecht wird,
Von K. Lamprecht in Bonn.
Gelegentlich des Erscheinens von:
Die Romfahrt Kaiser Heinrichs VII., ein Bildercyclus des Codex Bal-
duini Trevirensis, herausgegeben von der Direction der Königl. Preussischen
Staatsarchive. Erläuternder Text Bearbeitet (unter Benutzung des litterarischen
Nachlasses von L. v. Eitester) von Dr. Georg Irmer, Archivsecretär in Marburg.
Berlin, Weidmann’sche Buchhandlung 1881. Fol. 39 Tafeln und 120 S. Text.
Ulrich Richental, Concilium ze Costenz 1414—1418 (nach dem Original
im Besitze des Grafen Gustav von Königsegg in Aulendorf, herausgegeben von
Th. Sevin; Lichtdruck von L. Bäckmann in Karlsruhe). Edition in 40 Exempl.,
126 Bll. Lichtdruck in KL-Fol. 1881. 160 M. —.
In den beiden genannten Veröffentlichungen sind in dankenswerther
Weise zwei Bildercyclen reproducirt worden, welche, kunsthistorisch wie cultur-
geschichtlich gleich wichtig, zwei der bedeutendsten Ereignisse am Beginn
des 14. und 15. Jahrhunderts in fast gleichzeitigen und für den jeweiligen
Stand der deutschen Malerei bezeichnenden Darstellungen vorführen. Hier wie
dort handelt es sich urn politische Vorgänge, wie sie sich in den höchsten Schichten
der Nation abspielen, hier wie dort tritt zugleich der internationale Charakter
des Mittelalters im Kaiserreich und in der Universalkirche durch Hineinziehen
fremder, romanischer Volkselemente in der bildlichen Schilderung zu Tage. Ist
so die Grundlage des politischen Lebens, das beide Bildercyclen zur Darstel-
lung bringen, die gleiche, so gehen sie doch vorwiegend auf verschiedenartige
Aeusserungen desselben aus; hier auf das kriegerische Leben des Ritters, die
sociale Stellung der weltlichen Aristokratie, dort dagegen auf Thun und
Treiben der geistlichen Aristokratie, namentlich der Spitze derselben, des
Papstes. Auf diese Weise ergänzen sich beide Cyclen; in beiden zusammen
liegt eine Schilderung des äusseren Daseins der höchsten socialen Schichten
unseres Volkes, geistlicher wie weltlicher Art, vor, welche zwei Jahrhunderte
umfasst und kaum eines der für eine solche Darstellung wichtigeren Momente
vermissen lässt.
Nicht minder wichtig wie diese inhaltliche, erscheint die formale Seite
beider Handschriften für die Entwicklung der Gyclenbildung und namentlich
der Illustrationstechnik im späteren Mittelalter. Während aber wenigstens die
Irmer’sche Publication der Realerklärung der Bilder wesentlich gerecht wird,