Litteraturbericht.
Allgemeine Kunstgeschichte.
Raphael und Michelangelo von Anton Springer. Mit Illustrationen. Zweite
verbesserte Auflage. Zwei Bände. Gross 8°. Leipzig, Verlag von E. A. See-
mann. 1883.
Um eine eigentliche Besprechung der zweiten Auflage des Werkes kann
es sich hier nicht handeln; aber der Freude soll Ausdruck gegeben werden,
dass sie so schnell erscheinen konnte. Dem an dieser Stelle (Repertorium III,
S. 427 fg.) von einem verehrten Fachcollegen geäusserten Bedenken, ob es
nicht misslich sei, die beiden Biographien zu verschmelzen, antwortet der
Verfasser mit dem Hinweis: dass erst gemeinsame Betrachtung, die Stellung
und Bedeutung Beider in der Geschichte des italienischen Volkes vollkommen
erkennen lasse. Der Verfasser hätte auch sagen können, dass erst eine solche
Doppelbiographie das abgerundete Bild des künstlerischen Zustandes der Hoch-
renaissance ergebe. Wie in seiner ersten Auflage, so repräsentirt auch jetzt
das Werk den Höhepunkt der Michelangelo- und Raphaelforschung; die ur-
sprünglichen Resultate der ersteren sind durch keine Arbeit von Belang in
irgend einem Punkte alterirt worden; der Fortschritt der letzteren ist eng mit
dem Namen des Verfassers verknüpft. Die Jugendentwicklung Raphael’s hat
durch seine besonnene Auseinandersetzung mit Morelli-Lermolieff viel von ihrem
Dunkel verloren. Das Resultat, dass Timoteo Viti aller Wahrscheinlichkeit nach
der Lehrer Raphael’s vor dessen Eintritt in das Atelier des Perugino gewesen
sei, einverleibt Springer seinem Buche. Die entschiedene und schlagend be-
gründete Ablehnung des Venezianischen Skizzenbuchs ist auch aus des Ver-
fassers Aufsatz über Raphael’s Jugendentwicklung bekannt (Repertorium IV,
S. 370 fg.). Rückhaltlos stimmt nun auch der Verfasser dem Urtheile jener
bei, welche die Gartoncini zu den Fresken in der Libreria in Siena äusser Ver-
bindung mit Raphael lassen. In der Revision des Gapitels über die Jugend-
entwicklung Raphael’s hatte die »verbessernde« Hand am meisten zu walten;
doch hier wie an allen Punkten, wo mit neu aufgetretenen Urtheilen oder
Thatsachen zu rechten war, begegnen wir stets der unbestochenen besonnenen
Kritik des Verfassers, der jedes Verdict unter strenge historische Zucht stellt —
der auch nicht den Anschein erwecken will, willkürliche Meinungen, auch
Allgemeine Kunstgeschichte.
Raphael und Michelangelo von Anton Springer. Mit Illustrationen. Zweite
verbesserte Auflage. Zwei Bände. Gross 8°. Leipzig, Verlag von E. A. See-
mann. 1883.
Um eine eigentliche Besprechung der zweiten Auflage des Werkes kann
es sich hier nicht handeln; aber der Freude soll Ausdruck gegeben werden,
dass sie so schnell erscheinen konnte. Dem an dieser Stelle (Repertorium III,
S. 427 fg.) von einem verehrten Fachcollegen geäusserten Bedenken, ob es
nicht misslich sei, die beiden Biographien zu verschmelzen, antwortet der
Verfasser mit dem Hinweis: dass erst gemeinsame Betrachtung, die Stellung
und Bedeutung Beider in der Geschichte des italienischen Volkes vollkommen
erkennen lasse. Der Verfasser hätte auch sagen können, dass erst eine solche
Doppelbiographie das abgerundete Bild des künstlerischen Zustandes der Hoch-
renaissance ergebe. Wie in seiner ersten Auflage, so repräsentirt auch jetzt
das Werk den Höhepunkt der Michelangelo- und Raphaelforschung; die ur-
sprünglichen Resultate der ersteren sind durch keine Arbeit von Belang in
irgend einem Punkte alterirt worden; der Fortschritt der letzteren ist eng mit
dem Namen des Verfassers verknüpft. Die Jugendentwicklung Raphael’s hat
durch seine besonnene Auseinandersetzung mit Morelli-Lermolieff viel von ihrem
Dunkel verloren. Das Resultat, dass Timoteo Viti aller Wahrscheinlichkeit nach
der Lehrer Raphael’s vor dessen Eintritt in das Atelier des Perugino gewesen
sei, einverleibt Springer seinem Buche. Die entschiedene und schlagend be-
gründete Ablehnung des Venezianischen Skizzenbuchs ist auch aus des Ver-
fassers Aufsatz über Raphael’s Jugendentwicklung bekannt (Repertorium IV,
S. 370 fg.). Rückhaltlos stimmt nun auch der Verfasser dem Urtheile jener
bei, welche die Gartoncini zu den Fresken in der Libreria in Siena äusser Ver-
bindung mit Raphael lassen. In der Revision des Gapitels über die Jugend-
entwicklung Raphael’s hatte die »verbessernde« Hand am meisten zu walten;
doch hier wie an allen Punkten, wo mit neu aufgetretenen Urtheilen oder
Thatsachen zu rechten war, begegnen wir stets der unbestochenen besonnenen
Kritik des Verfassers, der jedes Verdict unter strenge historische Zucht stellt —
der auch nicht den Anschein erwecken will, willkürliche Meinungen, auch