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Repertorium für Kunstwissenschaft — 7.1884

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https://doi.org/10.11588/diglit.62526#0295

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Litteraturbericht.

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»Der beigegebene Text soll nicht mehr als ein kurzes Verzeichniss sein,
welches die nothwendig wissenswerthen Daten über die einzelnen Blätter bringt.
Erst wenn unser Werk zu einem gewissen Abschlüsse gelangt ist, soll eine
Abhandlung nachfolgen, welche das ganze publicirte Material zusammenfasst.«
Diesen Principien kann man nur von ganzem Herzen zustimmen, und
so hoch gespannt die hier an die Reproduction gestellten Anforderungen er-
scheinen mögen, sie sind in den 99 Blättern, welche uns zunächst geliefert
werden, in der That erfüllt. Die denkbar grösste Aehnlichkeit mit den Ori-
ginalen ist mit dem Aufwande aller Mittel erreicht. In diesen mehr mate-
riellen und artistischen Vorzügen liegt weitaus der Schwerpunkt, die Bedeutung
der ganzen Publication. Der Text soll ja der Hauptsache nach erst nachfolgen
und darin wird dann wohl auch die getroffene Auswahl aus dem ungeheuren
Vorrathe von noch erhaltenen echten und zugeschriebenen Zeichnungen Dürer’s
gerechtfertigt werden. Das wird aber bei der Grösse des Unternehmens noch
lange dauern. Inzwischen darf Forschung und Kritik nicht stille stehen, und
es wird uns wohl gestattet sein, vorzugreifen und auf die Gefahr hin in jenem
künftig zu erwartendem Texte widerlegt zu werden, uns jetzt schon eine Mei-
nung über den Werth und die Echtheit der zur Reproduction ausgewählten
Zeichnungen ein Urtheil zu bilden. Hier müssen wir den Herausgeber schon
jetzt beim Worte nehmen, und zwar bei seinem oben von uns gesperrt ge-
druckten Wort? Vor allem muss die Frage der Echtheit einer Zeichnung ent-
schieden sein, bevor man an die doch immer mühevolle und kostspielige Re-
production schreitet, und da an echten Zeichnungen von Dürer kein Mangel
ist, so sollten vorerst die unbestritten echten, dann die zweifelhaften, endlich
die zugeschriebenen — gar nicht aber die offenbar gefälschten Zeichnungen
aufgenommen werden. In dieser Hinsicht aber scheint bei dem vorliegenden,
so verdienstvollen Unternehmen nur der Zufall gewaltet zu haben. Der Mangel
eines jeden Systemes für die Reihenfolge der publicirten Stücke und der Mangel
an Kritik bezüglich ihrer Echtheit, das ist die einzige Schwäche der Publication.
Allerdings ist auch in dieser Hinsicht im Verhältniss zu jener Festpubli-
cation von 1871 ein gewaltiger Fortschritt zu verzeichnen. Waren dort fast
keine echten Dürerzeichnungen enthalten, so bilden die echten Zeichnungen
vonDürer hier weitaus die Mehrzahl. Dies gilt insbesondere von den 30 Zeich-
nungen aus englischem Privatbesitz, welche den Schluss des Bandes einnehmen.
Unter diesen befindet sich bloss ein unechtes Stück aus der Sammlung von
J. Malcolm, Nr. 93: »Dürer’s Türkenzeichnung«, wie es im Jahrbuch der k.
preuss. Kunstsammlungen IV. S. 59 heisst, wo zwar der Nachweis einer Ent-
lehnung dieser Figuren aus Gentile Bellini’s Processionsbild, gar nicht aber ein
Beweis für die Urheberschaft Dürer’s geliefert wird; es sei denn, dass die an-
gerufene Autorität Charles Ephrussis als Aequivalent für die Beweisführung
gelten darf. Solche »Türkenzeichnungen« mit bocksteifen Figuren und falschem
Dürermonogramm von der Hand desselben ungeschickten Ifiuministen kommen
in verschiedenen Sammlungen vor, sogar auf altem Papier mit dem Ochsen,
köpf; z. B. ein linkshin reitender Türke in der Albertina. Mit dieser einzigen
Ausnahme sind sämmtliche Zeichnungen der Herren Mitchell, Malcolm und
 
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