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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 7.1903-1904

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Heft 1
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Rüttenauer, Benno: Würzburg-Veitshöchheim
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https://doi.org/10.11588/diglit.19303#0029

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verließ alle Märchenivunder und allen Linien- und
Farbenzauber des Golf und des Posilipo und ging
in die einförmige capuanische Ebene hinaus, um dort
seiu Caserta zu schaffen. Und bei allen großen
Barockschöpfungen handelt es sich, in mehr oder weniger
drastischer Form, nm denselben Vorgang. Die Fürsten
von Würzburg wollten keine Ebene aufsuchen oder
hatten keine in ihrem Land, und so erhielten ihre
Gärten notwendig einen besonderen Charakter, dessen
Wesen darin besteht, daß sie, was ihneu an Weite des
wirklichen Planes und an Vorspiegelung vvn Un-
endlichkeit mittels Linienperspektive abgeht, durch Reiz
und Reichtum im einzelneu zu ersetzen suchen, sich
also, ob sie wolleu oder nicht, dem Stil der ältern
Renaissance-Anlagen nähern, Jn der Tat denkt man
zu Würzburg und Veitshöchheim weit eher an die
Villa Medici zu Rom, an die Villa d'Este zu Tivoli
oder an den Giardino Bobolo zu Florenz, als an die
spätern reinen Barockschöpfungen zu Versailles oder
Caserta. Aber während in jenen berühmten Renaissance-
Gärten die Skulptur schon durchaus unter den Barockstil
fällt, gehört die von Würzburg diesem Stil schon
wieder nicht mehr an. Hier bedarf es einer kleinen
Ausholung.

Es gibt nicht oft zwei Begriffe, die im gemeinen
Sprachgebrauch sv viel miteinander verwechselt werden
oder doch so viel fortwährend ineinandersließen, in-
einanderschillern, wie die Begriffe Barock und Rokoko.
Und doch ist, was sie in richtiger Anwendung be-
zeichnen, etwas so Verschiedenes, etwas so klar sich

Unterscheidendes, daß man über die ewige Ver-
schwommenheit der Begriffe sich wundern muß.

Wie aus dem Barock das Rokoko entstanden ist,
gehört zu den größten Wundern der Kunstgeschichte.
Und zwar ist es nicht, wie so ost vbenhin angenommen
wird, ein fortwirkendes einheitliches Gesetz, das der
ganzen Entwicklung von der Renaissance her zu-
gruude liegt; svndern das Prinzip, unter dem die
Rokoko-Metamorphvse sich vollzog. ist gerade das ent-
gegengesetzte von dem, das in der Fortbildung der
Renaissance ins Barock wirksam war. Jn dem letztern
Fall war der Vorgang, wenigstens nach der Seite
hin, die uns hier interessiert, uach der dckorativen Seite
hin, folgender: Ein aus bürgerlichem Geist und reli-
giöser Empfindung erwachsener Kunstbetrieb hält sich
in bürgerlichen Schranken, bevorzugt mäßige Ver-
hältnisse, liebt kleine Winkel, liebt das Detail, aber
will beides so schön als möglich, so geschmückt und
geziert als möglich, und da man gerade die antiken
Schmuckformen wieder neu eutdeckt zu haben glaubte
und sich daran förmlich berauschte, so widmete man
ihnen nicht nur die liebevollste, ja man kann sagen
die seeleuvollste Behandlung im einzelnen, svndern
man mochte auch nichts mehr ohne sie sehen, und
man brachte sie überall an, oft auch wo sie nicht hin-
gehörten. Was bei den gotischen Völkern (wenu man
so sagen kann) um dreihundert Jahre srüher zu so
üppiger Blüte trieb, — wo die Jtaliener nur erst
mit ungeschicktem Stammeln dabei waren —, das
vollzog sich jetzt, weun auch nicht ganz so reich, anfs
 
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