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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 7.1903-1904

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Heft 6
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Moser, Heinrich: Wandlungen der Gedichte Conrad Ferdinand Meyers
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Voigt-Diederichs, Helene: Vorfrühling: aus "Leben ohne Lärmen"
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https://doi.org/10.11588/diglit.19303#0311

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Unä er rvies sus sin 6sILn6s:
„lsisr sir einern lickien 1s§s
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Ssussnö übsr rnir (lis l.ukt,
8cbivin^en, clie öen Ilsuin bssießcen,
Wis sie nickt uin nieclrs llÜAsl
l'Isttsrn, 8cbcvin§en, üis sick iviexen,
llerrsckencl über Ssrx uncl lllukt.

8slix wsr ick init clsn Leiüsn,
OLininsrunß; vsrwob clie Weiclsn
llnü icb ssb rwsi trsue 8tsrns
llber rnsinsr llsiinst Aekn.
l^sben vircl insin Vollc uncl clsusrn
2wiscben seinen IlelseninLuern,
Wsnn clis Ilioslcursn xerne
8sß;nen<I ibin 2u llsupts stsbn.

vorfrühling.

. Von Helene Voigt-Diederichs.

Das also war der neue Verwalter.

ßeindselig sah Luse vom unteren Tischende zu
dem ßremden hinüber. Da saß er nun breit und
selbstverständlich aus ibres toten Vaters Platz.
Memand schien das sür ein llnrecht zu halten.
Niemand sagte zu ihm, daß er nicht so laut schreien
müsse in einem Hause, wo alle Nenschen in schwarzen
Rleidern gingen.

Luse wartete nicht bis zum „Tesegnete LUahl-
zeit". Lie entsernte sich geräuschlos und schlüpfte,
von einem Papierblatt auf das andere springend,
über die frischgemalte ßlurdiele.

llls sie draußen um die Hansecke gebogen war
sing sie plötzlich zu lausen an,
lies ein paarmal um den runden
Trasplatz und machte dann ebenso
plätzlich wieder Halt, gerade an
der breitästigen Ldeltanne.

Da hinauf. Zwischen den
harzigen Zweigen war's kühl
und heimlich.

Das llind warf die Zchürze
ab und stieg an den starken Aesten
auf. Lie kniff die Lider zusammen.

Noos und Nadeln fielen in ihre
llugen und zwischendurch blendete
die Iulisonne.

tzerr Keddersen würde nun
all das tun, was sonst Vater
getan hatte. Die Leute anstellen,
und die Pferde kausen und gewiß
den blinden Hinnerk aus der
Wohnung schmeißen.

Luse weinte.

ttnd dann fiel ihr unvermittelt
ein, daß sie dem Hauslehrer ver-
sprochen hatte, für die Natur-
geschichtsstunde heut nachmittag
die kleinen komischen ßliegennester
zu holen, die zwischen den zeit-
weis überschwemmten Lteinen
am Ncrgelgrubenrand zu finden
waren.

Nun dachte sie nicht mehr an
Vater und den Hremden. lleber-
hastig glitt sie vom Äaum herab,
wand sich durch den dornigen
Gartenzaun und jagte über die

' verlag von Lugen Diederichs, Leipzig.

llus „Leben ohne Lärmen".*

mittagsschwüle, kurzgemähte Rleekoppel der Nergel-
kuhle zu.

Nach der Lchule holte Zuse ihr Vesperbrot,
das sie stets im Pferdestalle aß. Nur dursten
Nlutter und die großen Lchwestern nicht dahinter
kommen. Lonst gab's Verweise und mißbilligendes
llopsschütteln.

Das llind stapste hin und her aus den buckligen
Pflastersteinen. Bei jedem Biß machte sie einen
Zchritt soweit sie konnte. Dann stand sie mäuschen-
still, bis sie fertig war mit llauen und zu einem
neuen Zatz ausholte.

llls sie den letzten Nundvoll hinunter hatte,
trat sie an den Ltand des llutsch-
pferdes. N)enn sie auf seinem
Rücken stand, konnte sie in das
Lchwalbennest am Deckbalken hin-
einlangen. tllanchmal lag, nachdem
die Iungen ausgeslogen waren,
noch ein rostgetüpfeltes Li darin.

Terade als sie zum Hinauf-
schwingen die Nähne des Pserdes
faßte, sagte jemand hinter ihr:
„Na, laß dich man nicht schlagen
llind . . ."

In der Tür stand der Ver-
walter und drohte lachend mit
dem Kinger.

Luse trat zurück. Lie hatte
ganz vergessen, daß er ein braunes
Tesicht und einen dünnen dunklen
llinnbart hatte.

„Du kleiner Racker, bist denn
gar nicht bang?"

Lr kam heran und saßte freund-
lich ihre Hand.

„Nee!" sagte sie und zog ihre
Hand zurück.

Der Verwalter klopfte das
schnuppernde Tier auf den harten
Lchenkel. Lisersüchtig beobachtete
Luse ihn. Das war ihr Pferd.
Da hatte keiner was zu klopfen
und zu göschen. A)enn Alex doch
einen sesten hintenaus gewichst
hätte — so ein däsiges Tier!

„Willst du mir nicht mal sagen,
wie die Pferde alle heißen?" bat

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