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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 7.1903-1904

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Heft 2
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Bossart, Jacob: Wenn's lenzt
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https://doi.org/10.11588/diglit.19303#0099

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wenn's lenzt.

Linc Lrzählung aus den Schwcizer Bergen von Iakob Boßhart.

II.

Am folgenden Tag ging ein Nädchen von Ee-
höst zu E>ehöft und meldete dem ledigen Volk, daß
am Zamstagabend im Lchulhaus Aellerjakobs Pau-
line „geschäppelt" iverde.

Die Hofbauern hangen an alten Tebräuchen so
zäh, ivie an ihrer lehmigen Lrdscholle, und ivas
anderwärts schon längst vergessen ist, ivird dort
noch liebreich in Lhren gehalten. Wenn eine Iung-
frau stirbt, tun sich die Iugendsreundinnen und
Lameraden zusammen, flechten aus Immergrün
und Noos lange Rränze, die um den Larg ge-
ivunden iverden. Nit Rränzen wird auch ein
schwarzes, hohes Areuz geschmückt, an das ein
Porträt mit einer Widmung besestigt ist und das
dem Zarg vorangetragen wird. Krüher, als sich
die Landestracht noch nicht in die alten wurm-
stichigen Aasten verkrochen hatte, setzte man oben
aus das Areuz das „Lchäppeli", den schmucken
Hut, den die Bräute an ihrem Hochzeitstage als
Zeichen der Reinheit trugen. Als eine Himmels-
braut sollte die Hreundin im Hriedhof Linzug
halten. Daher kommt es, daß das bekränzte Areuz
„Ichäppeli", das Slechten der Aränze aber „Zchäp-
peln" genannt wird.

Am Zamstagnachmittag versammelten sich die
Nädchen beim Zchulhaus, das auf einem Weiler
etwa im Nittelpunkte der Hofgemeinde steht. Als

sie vollzählig waren, stiegen sie zum Ichloßrain
hinauf. Dort ragen zwischen mächtigen Höhren
die geborstenen, von den Wurzeln der Iträucher
zernagten Nauern und Türme einer alten Ritter-
burg empor und rings um den Hügel im Eebüsch
und aus dem grauen Nörtel wuchert üppiges
Immergrün, das einzige, das in der Tegend wild
wächst und, wie die alten Leute versichern, vom
Achloßgarten herrührt. Ls war eben in voller
Blüte und es schien, als hätte sich ein Ltück des
klaren ßrühlingshimmels auf den Lchloßrain nieder-
gelassen und ins srische Trün geschmiegt.

Die langen Ltengel des Immergrüns mit den
glänzenden Blättern wurden nun sorglich mit den
Hingern aus dem grünen und blauen Teppich
herausgeholt und ordentlich in Aörbe gelegt; andere
Aörbe wurden mit gelbgrünem, weichem Noos ge-
füllt und von den rissigen Ltämmen der ßöhren
löste man einige Lfeuranken. Als die Lonne in
die dunkeln Tannenprotzen des Hasenwaldes hinunter-
sank, neckisch durch die Äste und Zweige hindurch
blitzte und plötzlich nochmals eine Laa?von Told-
staub über den L6)loßrain ausschüttete, da waren
die Aärbe gefüllt, die einen mit hellem, die andern
mit dunklem Trün. Die Nädchen ergrissen zu
zweien die nach dem Waldboden dustenden Lasten
und nun ging^s wieder hinab, dem Lchulhause zu.


 
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