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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 7.1903-1904

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Heft 5
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Hesse, Hermann: Donna Margherita und der Zwerg Silippo, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.19303#0248

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Iägers Begräbnis.

Auv den ^lünchener Vilderbogen verlag Brcrun L- Lchneidcr, München.

Donna lTlarghenta und der Zwerg Älwvo.

Line alte venezianische tlveiitiure.

während so viele vornehme, reiche und hiibsche
iNänner ihre Rugen aus Nlargherita richteten und
ihr Lild in ihren Herzen trugen, blieb sie selbst so
stolz und kalt, als gäbe es keine Nlänner auf der
welt. Zie ivar nämlich nicht nur bis zum Tode
ihrer Lklutter, einer gewissen Donna Naria aus
dem Hause der Eiustiniani, sehr streng erzogen
worden, sondern hatte auch von Natur ein hoch-
mütiges, der Liebe widerstrebendes wesen und galt
mit Recht sür die grausamste Zchöne von Venedig.
Ihretwegen siel ein junger Ldler aus Padua im
Duell mit einem Lkkailänder Hauptmann, und als
sie es vernahm und die an sie gerichteten letzten
Worte des Eesallenen ihr berichtet wurden, sah
man auch nicht den leisesten Zchatten über ihre weisie
Ztirn lausen. LNit den aus sie gedichteten Zonetten
trieb sie ewig ihren Lpott, und als fast zn gleicher
Zeit zwei Hreier ans den angesehensten Hamilien
der Stadt sich seierlich um ihr.e Hand bewarben,
zwang sie trotz seines eisrigen widerstrebens nnd
Zuredens ihren vater, beide abzuweisen, woraus
eine schwere und langwierige tzamilienzwistigkeit
entstand.

Allein der kleine geflügelte Tott ist ein Lchelm
und läßt sich ungern eine Leute entgehen, zumal
aber eine so schöne. Nan hat es ost genug erlebt,
daß gerade die unzugänglichen und stolzen Hrauen
sich am raschesten und hestigsten verlieben, wie auf
den härtesten winter gewöhnlich auch der früheste
und wärmste Hrühling solgt. Ls geschah bei Te-
legenheit eines Hestes in dcn Nuraneser Eärten,
dasi Margherita ihr Herz an einen jungcn Ritter
und Zeesahrer verlor, der vor kurzem von der
Levante zurückgekehrt war. Lr hieß Äaldassare
LRorosini und gab der Dame, deren Llick auf ihn
gefallen war, weder an Adel noch an Lchönheit
etwas nach. An ihr war alles licht und leicht, an
ihm aber dunkel und stark, und man konnte ihm
ansehen, dasi er lange Zeit auf der Zee und in

t)cm tzermann tzesse. (Schluß.)

sernen Ländern gewesen und ein Hreund der Aben-
teuer war, denn üver seine gebräunte Ltirn zuckten
die Eedanken wie Rlitze, und über seiner kühnen
gebogenen Rase brannten dunkle Augen heiß und
schars.

Ls war nicht anders möglich, als daß auch er
Lllargherita sehr bald bemerkte, und sobald er ihren
Ramen in Arfahrung gebracht hatte, trug er sogleich
Zorge, ihrem Vater und ihr selber vorgestellt zu
werden, was unter vielentzöflichkeiten und schmeichel-
haften Worten geschah. Ris zum Lnde der Kestlich-
keit, welche nahezu bis Mtternacht dauerte, hielt
er sich, soweit der Anstand es erlaubte, in ihrer
Rähe auf, und sie hörte auf seine Worte, auch
wenn sie an andere als an sie selbst gerichtet waren,
eifriger als auf das Lvangelium. Wie man sich
denken kann, ward Herr Baldassare des öfteren
genötigt, von seinen Reisen und bestandenen Ee-
sahren zu erzählen, und er tat dieses mit so viel
Anstand und Heiterkeit, dasi jeder ihn gern an
hörte. In Wirklichkeit waren seine Worte nur
einer einzigen Auhörerin zugedacht, und diese ließ
sich nicht einen Hauch davon entgehen. Lr be-
richtete von den seltensten Dingen so leichthin, als
müßte ein jeder sie kennen, und stellte seine person
nicht allzusehr in den Vordergrund, wie es sonst
die Zeesahrer und zumal die jungen zu machen
pslegen. Rur einmal, da er von einem Eefecht mit
kleinasiatischen Piraten erzählte, erwähnte er einer
schweren verwnndung, deren Rarbe quer über seine
linke Schulter lause, und bei diesem Äericht litt die
schöne Margherita gewisi nicht weniger Angst und
Schmerzen^ als er selber dazumal erlitten hatte.

jZum Schlusse begleitete er sie und ihren Vater
zu ihrer Eondel, verabschiedete sich und blieb noch
lange >tehen, um dem Hackelglanz der über die
bläulichc Lagune entgleitenden Eondel nachzublicken.
Lrst als er diesen ganz aus den Augen verloren
hatte, kehrte er zu seinen Hreunden in ein Earten-

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