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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 7.1903-1904

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Heft 2
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Rüttenauer, Benno: Schwäbische Wirtshausschilder: auch ein abgestorbener Zweig der Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.19303#0107

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„Traube".
Eberstatt bei
Cleversulzbach.

Schwübische Wirtshausschilder.

Auch eiu abgestorbe
Von Bennv

Volkskunst. Straßenkunst. Der Worte ist man über-
drüssig; die Sache ist elwas anderes. Man darf aber
kecklich sagen, daß es am schlimmsten um eine Sache
steht, die am meisten gepredigt ivird. Heute ivill man
zur Kunst erziehen, hat aber keine Ahnung vom Werden
und Wachsen, keine Ahnung vom Wesen der Kunst. Oder
ist das zu stark ausgedrückt? Jedensalls war es um
die Volkskunst, besser gesagt, um die Kunst im Volke,
durch die Jahrhnnderte hindurch nicht so traurig be-
stellt, als seitdem die Kunstgewerbeschul - Pädagogik
dieses Gebiet entdeckt hat.

Daran ist freilich die Pädagvgik nicht schuld, —
ein solcher Sophist bin ich nicht —, aber sie hat auch
bis jetzt nichts daran zu ändern vermocht, und wv
wirklich Kunst im Volke war, dahin haben die Herren
nicht gesehen, das war für sie Handwerk, Banausen-
tum (wie schon den Schulmeistern Athenst und sie
haben sie gründlich verachtet. Man sagt nicht zu viel,
wenn man behauptet, daß durch die Akademien das
eine und durch die Kunstgewerbeschulen das andere
Gebiet der Kunst verödet worden ist. Jch habe von
solchen Schulen nie etwas anderes pflegen sehen, als
„stilgerechtes" Kopieren. Das abschreckendste Beispiel
habe ich in Karlsruhe kennen gelernt unter der Leitung
des berühmten Direktors Götz. Die alten Renaissance-
formen, die in ihrer ursprünglichen lebendigen Schönheit
zu begreifen schon etwas wäre, hat man da, nachdem
sie seit drei Jahrhunderlen tvt waren, von neuem tot-

ier Zweig der Kunst.

Rüttenauer.

gcschlagen, indem man auf das Verkehrteste ausging,
nämlich diese Formen als bloß korrekte Schablone zu
sinulosem Gebrauch neu zu gewinnen.

Eine Gewerbeschule freilich, die unter einem Peter
Behrens oder Otto Eckmann steht, wird anderes
leisten; aber dieses Verdienst darf nicht der Schule als
solcher zugeschrieben werden, sondern konimt allein auf
Rechnung der betreffenden starken Künstler-Jndividua-
lität. Ob diese durch ihre Stellung an einer Schule
in ihrer Wirkung begünstigt. oder nicht vielleicht eher
gehindert wird, ist sehr die Frage. Die Wirkung,
die von einer lebendig-schaffenden Künstlerkrast ausgeht,
ist natürlich, im weiteren Sinne des Wortes, auch
eine pädagogische, uud jene Schnlmeisterei, die ich
oben meinte, und die sich mit ihren weinerlichen
Predigten, muffigen Rezepten und ratlosen Rat-
schlägen, sei es auf Akademien, sei es in Gewerbe-
schulen, sei es in Buch und Zeitung, breit macht,
ist im Grunde so nnpädagogisch d. h. sv nnfruchtbar
als möglich.

Wir haben in Deutschland unzählige alte Städte,
große und kleine, mit schönen Plützen und Straßen.
Und wie schön! Ein bezauberndes Bild, wo man
hinblickt. Und damals haben die Zeitungen noch
keine Artikel gebracht über „Straßenknnst", und ihre
albernen Vorschlägc ausgekramt. Es gab zum Glück
noch gar keine. Und die klugen Herren haben
damals nvch nicht über Kunst geschwätzt. Sie haben

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