nvtivendig vernachlässigt wird, wvmit dann der Ver-
grvberung und Verrvhung Tür und Tor gevffnet ist.
Sie haben alle Einzelbedeutung eingebüßt. Sie sind
nur noch Choristen. Nur noch der Zusanimenklang
ihrer Stimmen ist wichtig; was jeder einzelne singen mag,
darauf hört kein Mensch mehr. Denn was sie singen,
ist Begleitung, die Melodie ist ihnen abgenvmmen.
Und ebenso ist es in der Malerei desselben Stils.
Seitdem man am liebsten die höchsten Gewölbe und
Kuppeln mit Tausendeu von Gestalten bedeckte, mußte
die einzelne Gestalt nach und nach allen individuelleu
Wert einbüßen und künstlerisch liederlich werden. Jn
der Frührenaissanee hatte die Einzelgestalt manchmal
zu viel selbständige Bedeutung, im Barock hat sie gar
keine mehr. Das Rokoko aber, das, nicht ohne Zu-
sammenhang mit dem französischen Bedürfnis geist-
reichen Planderns, aus der prunkvoll-kalteu Weit-
räumigkeit des Barock heraus sich nach warinen,
lauschigen Winkeln sehnte, niußte auch der Einzel-
gestalt wieder Wärme und Leben geben.
Damit war der Kreis von der Frührenaissance
her geschlossen. Nur sprach man sreilich jetzt eine
andere Sprache. Damals hatte sich bürgerlicher Geist
und bürgerliches Gehaben natürlich ausgedrückt; jetzt
sehnte sich eine raffinierte Hofgesellschaft nach Schäfer-
lichkeit. Das war nicht durchaus Verlogenheit, wie
man lange meinte. Die Sehnsucht war echt, wenn
ihr auch ein großes Mißverständnis zugrunde lag.
Auch der Sehnsucht Rousseaus lag ein großes Miß-
verständnis zugrunde, aber es liegt auf der Hand,
daß sich hier das Rokoko bereits mit der Romantik
berührt. Jn unsern ewigen Kreisläufen des Lebens
ift nichts Ende, das nicht zugleich Anfang wäre.
Das Rokoko ist die überwindung des Barock durch
Germanen und Goten — durch den Geist der Gotik.
Man muß diesen Stil nicht danach beurteilen, wie
er sich in bäuerlich-schluddriger Behandlung in vielen
deutschen Kirchen darstellt. Hier ist er oft geradezu
karikiert. Er wirkt dann, wenn ich mich derb aus-
drücken soll, wie ein vornehmer Tanz von besoffenen
Bauern aufgeführt.
Aber deutsche Schlösser gibt es eine große Anzahl,
wo er seiner höchsten Feinheit, die allerdings auf
französischem Boden zu suchen ist, wenigstens sehr
nahe kommt. Und soweit speziell die Gartenkunst in
Betracht steht, hat Deutschland, dessen Schöpfungen
durchaus jünger sind als die französischen, sogar die
zahlreichsten nnd besten Beispiele. Jch kenne kein
19
grvberung und Verrvhung Tür und Tor gevffnet ist.
Sie haben alle Einzelbedeutung eingebüßt. Sie sind
nur noch Choristen. Nur noch der Zusanimenklang
ihrer Stimmen ist wichtig; was jeder einzelne singen mag,
darauf hört kein Mensch mehr. Denn was sie singen,
ist Begleitung, die Melodie ist ihnen abgenvmmen.
Und ebenso ist es in der Malerei desselben Stils.
Seitdem man am liebsten die höchsten Gewölbe und
Kuppeln mit Tausendeu von Gestalten bedeckte, mußte
die einzelne Gestalt nach und nach allen individuelleu
Wert einbüßen und künstlerisch liederlich werden. Jn
der Frührenaissanee hatte die Einzelgestalt manchmal
zu viel selbständige Bedeutung, im Barock hat sie gar
keine mehr. Das Rokoko aber, das, nicht ohne Zu-
sammenhang mit dem französischen Bedürfnis geist-
reichen Planderns, aus der prunkvoll-kalteu Weit-
räumigkeit des Barock heraus sich nach warinen,
lauschigen Winkeln sehnte, niußte auch der Einzel-
gestalt wieder Wärme und Leben geben.
Damit war der Kreis von der Frührenaissance
her geschlossen. Nur sprach man sreilich jetzt eine
andere Sprache. Damals hatte sich bürgerlicher Geist
und bürgerliches Gehaben natürlich ausgedrückt; jetzt
sehnte sich eine raffinierte Hofgesellschaft nach Schäfer-
lichkeit. Das war nicht durchaus Verlogenheit, wie
man lange meinte. Die Sehnsucht war echt, wenn
ihr auch ein großes Mißverständnis zugrunde lag.
Auch der Sehnsucht Rousseaus lag ein großes Miß-
verständnis zugrunde, aber es liegt auf der Hand,
daß sich hier das Rokoko bereits mit der Romantik
berührt. Jn unsern ewigen Kreisläufen des Lebens
ift nichts Ende, das nicht zugleich Anfang wäre.
Das Rokoko ist die überwindung des Barock durch
Germanen und Goten — durch den Geist der Gotik.
Man muß diesen Stil nicht danach beurteilen, wie
er sich in bäuerlich-schluddriger Behandlung in vielen
deutschen Kirchen darstellt. Hier ist er oft geradezu
karikiert. Er wirkt dann, wenn ich mich derb aus-
drücken soll, wie ein vornehmer Tanz von besoffenen
Bauern aufgeführt.
Aber deutsche Schlösser gibt es eine große Anzahl,
wo er seiner höchsten Feinheit, die allerdings auf
französischem Boden zu suchen ist, wenigstens sehr
nahe kommt. Und soweit speziell die Gartenkunst in
Betracht steht, hat Deutschland, dessen Schöpfungen
durchaus jünger sind als die französischen, sogar die
zahlreichsten nnd besten Beispiele. Jch kenne kein
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