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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 7.1903-1904

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Heft 1
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Rüttenauer, Benno: Würzburg-Veitshöchheim
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https://doi.org/10.11588/diglit.19303#0033

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klassischeres, als den Residenzgarten zu Würzburg, und
kein in tollster Übertreibung lustigeres, als den Lust-
garten des benachbarten Veitshöchheim, jener aus der
ersten, dieser ans der zweiten Hälste des 18. Jahr-
hunderts stammend.

Gerade um ein Gefühl davon zu bekomme», wie
das Rokoko nicht nur die Arabeske, sondern auch die
Figur mit seincm Geist durchdrungen und der Einzel-
gestalt ivieder Leben und Seele — und seinste Aus-
führung zurückgegeben hat, braucht man nur den
Würzburger Residenzgarten zu besuchen. Man muß
aber unterscheiden zivischen den einzelnen Leistungen.
Die großen Gruppenwerke z. B. in der Nähe des
Fischbeckens, ivie der Raub der Europa und ähnliches,
stehen uiiter Einflüssen, die außerhalb des Rahmens
dieser Betrachtung fallen.

Reiner im Stil und weitaus bedeutender ist das
Zivergen- und Kindervolk, das den ganzen Garten
belebt, das sich bald zwischen den geschornen Laub-
gängen versteckt hält, bald frei sich auf den Staffel-
geländern und den Balustraden der hohen Terrasse
herumtreibt, das, entweder nackt oder in zierlich-
eleganten Rokoko-Kostümen, außer dem daß es schmückt
und belebt, noch dazu alles mögliche vorstellt, oder
doch vorstellen soll: die vier Jahreszeiten und die
vier Kardinaltugenden; die sieben Todsünden und die
sieben Planeten; die sieben freien Künste und siebenund-
zwanzig unfreien Gewerbe, und was weiß ich »och alles.

Von diesem allegorischen Sinn (und zum Teil
Unsinn) mag man ganz absehen. Nicht darin liegt

ihre Bedeutung. Er ist nicht ihre Seele. Er ist
nur eine Maske sozusagen, deren sich die lustigen
Kinder bedienen, um einen neckischen Fasching auf-
zuführen; aber nicht die Rollen, die sie spielen, machen
sie uns interessant und liebenswert, sondern ihre ein-
fache lebendige Gegenwart, ihre liebenswürdige Kinder-
natnr voll von Schalkhaftigkeit und Laune, ihre
Feinheit und Grazie in jeder Gestalt und Bewegung

Es sind Kunstwerke. Jhren Rang zu bestimmeii?
Sie sind erfreulich, das genügt.

Leider sind sie lange nicht mehr alle im Original
vorhanden; viele sind längst verwiltert und durch
Kopien ersetzt. Einigen, scheint mir, bin ich im
Münchener National-Museum wieder begegnet, und es
soll mich nicht wundern, wenn man die herzigen
Kinder überall gern aufnehmen und beherbergen
möchte; so schön wie im Residenzgarten zu Würzbnrg
sind sie nicht überall gewachsen.

Und dvch ist in diesem Garten etwas, das nian
fast noch mehr bewundert, als diesen reichen Figurcn-
schmnck: die durchgängige vrnamentale Bearbeitung
des Steins durch die gaiize weite Anlage; da gibt es
keine Treppenstufe, keinen Hauplpfosten der Treppen-
geländer und der weitläufigen Balustrade», keinen
Sockel für Statue oder Urne, keinen Maiiergesims-
stein, und vor allem keine Bank, die nicht durch den
graziösen Linienschwung des Rokokv und durch reiches,
minutiös ausgefühites Ornament ins Gebiet der Kunst
gehoben ist. Die schniiedeeisernen Tore dieses Gartens,
teils im üppigsten Rokoko, teils in einer höchst pikanteu

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