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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 7.1903-1904

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Heft 1
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Rüttenauer, Benno: Würzburg-Veitshöchheim
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https://doi.org/10.11588/diglit.19303#0036

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Die Gestalten der Kaskade gehören auch als
Plastik zum Besten im Garten; aber die hohe Schönheit,
die dem Ganzen verliehen ist durch das wundersam
farbige Geslecht von Moos und Algen und Schling-
pflanzen, durch die das Wasser in Tropfen rieselt,
die Statuen selbst von der Natur sarbig damit
zusammengestimmt: daneben kommt der eigentlich
plastische Wert der Gruppe wenig in Betracht.

Und erst der Pegasusfelsen im großen See. Wie
das Ganze heut wirkt, können wir ohne Mühe den
komischen Aufputz der neun Musen, können wir auch
die gemeinen Gesichter dieser himmlischen Damen über-
sehen. Die Natur hat diese Uarkies dontönsss gnädig
überdeckt. Die Farben sind auch hier die Hanptsache ge-
worden. Die Farben, die Lichter, die Reflexe. So ist es
eine große Schönheit. Selbst das Wasser des Sees hat
eine Patina, eine schönere als die schönste Bronze. Wer
wird daran denken, daß der Pegasus da droben eigentlich
eine plumpe Bestie ist! Das Ganze ist ein Zanber.

Aber deswegen wird der Garten nicht zu einem
Hpmnus. Er ist und bleibt ein komisches Gedicht.
Nnd er stimmt uns mehr zum Lachen als zur Andacht.

Seines Schöpfers kann man darum doch in Dank-
barkeit gedenken. Auch in Heiterkeit — bei allem
Respekt. Der oben zitierte Bailamtmaiin stimmt
freilich andere Töne an. „Osiris-Dionysos", schreibt
er, „ist das Vorbild aller Herrscher .... Gute
Regenten nehmen sich mit Vvrliebe Dionysos zum
Vorbild. Der Kirchenfürst, der den Garten schnf,
der ihn beseelte, war ein Menschensreund, ein Beglücker
seiner Untertanen, er verdient mit Dionysos ver-
glichen zu werden; er selbst hielt sich wohl und
zwar mit vollstem Recht für einen Dionysos. Diese
Jdee verbarg er aber bescheiden in seinem Jiinern."

Wenn man sogar von längst verstorbenen Fürsten
so redet! Aber wir sind ja doch in dem Garten der
unfreiwilligen Komik; der angeführte Dithyrambus,
denk ich, vermehrt dieselbe noch um eine Note.

Aus Goethe, Wahrheit und Dichtung. Erster Teil. Erstes Buch.

„Mein Vater hatte den Grundsatz, den er öfters und sogar
leidenschastlich aussprach, daß man die lebenden Meister beschäftigen
und weniger auf die abgeschiedenen wenden solle, bei deren
Schätzung sehr viel Vorurteil mit unterlaufe. Er hatte dis Vor-
stellung, daß es mit den Gemälden völlig wie mit den Rhein-
weinen beschaffen sei, die, wenn ihnen gleich das Alter einen vor-
züglichen Wert beilege, dennoch in jedem folgenden Jahre ebenso
vortresflich als in den vergangenen könnten hervorgebracht werden.
Nach Verlauf einiger Zeit werde der neue Wein auch ein alter,

ebenso kostbar und vielleicht noch schmackhafter. Jn dieser Meinung
bestätigte er sich vorzüglich durch die Bemerkung, daß mehrere
alte Bilder hauptsächlich dadurch für Liebhaber einen großen Wert
zu erhalten schienen, weil sie dunkler und brauner geworden und
der harmonische Ton eines solchen Bildes öfter gerühmt wurde.
Mein Vater versicherte dagegen, es sei ihm gar nicht bange, daß
die neuen Bilder nicht künftig auch schwarz werden sollten; daß
sie aber gerade dadurch gewönnen, wollte er nicht zugestehen."

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