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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 7.1903-1904

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Heft 2
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https://doi.org/10.11588/diglit.19303#0122

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Das war dic Heschichte vom Knoblauch, und
uun will ich die von der

Teufelsschleppe

erzählen.

In einer rheinischen Ltadt lebte zur selbigen
Aeit, wie jener Reinhard, ein weit und breit ge-
achteter Raufmann namens Ronrad, nach dem Bilde
über seines stattlichen Hauses Tor „Zum Hirschen"
genannt. Dieser ttonrad war mit Tlücksgütern
überaus gesegnet; in den Wagenzügen nahmen seine
Wagen stets den größten Raum ein, und in den
versammlungen der Rausherren sprach er stets am
lautesten.

Indessen hatte ihn der Himmel auch noch mit
ganz anderen Tütern gesegnet, als nur mit solchen,
die sich in der Teldtasche umhertragen lassen. Lr
hatte nämlich die schönste und beste Frau in der
Ztadt und ein halbes Dutzend wohlgeratener Rinder.

Hrau Nagdalene war jung, und in ihrer Iugend
lag wohl der Grund zu dem einzigen ßehler, den
selbst die übelwollendste Kreundin an ihr entdecken
konnte.

Hrau Nagdalene war nämlich eitel. Mcht als
ob sie nur mit einigem Wohlgefallen hier und da
in den Lpiegel gesehen und sich gern hübsch und
zierlich gekleidet hätte; das wäre keine versehlung
gewesen, denn eine Hrau, die solcher Litelkeit ent-
behrt, wird bald einhergehen als ein Treuel vor
den Äugen der Nenschen.

Nein, ßrau Nagdalene war sehr eitel, sie war
verschwenderisch eitel. Die köstlichsten Ztoffe waren
ihr gerade gut genug, und ihre Lchleppen wurden
länger mit jedem Iahre, das ins Land ging.

Nonradus zum tzirschen hatte anfänglich wohl
die Ltirn gerunzelt, aber seine Gattin wußte immer
freundlich und mit einem sansten Lächeln von etwas
anderem zu reden, wenn er das eheliche Zwie-
gespräch auf ihre Rleiderpracht lenken wollte. Zo
ließ er es denn. Aber es wurmte ihn schwer,
wenn er so manchen Toldgulden dasür hergeben
mußte.

Und es kam ein Tag, an dem das Zädchen riß,
an welchem des Uonradi Eeduld noch hing.

Hrau Nagdalene hatte ein seidenes Uleid er-
worben, das schillerte in vielen ßarben wie ein
Regenbogen, und kostete unendlich vieles Teld. An
diesem Aleide war eine Lchleppe wohl sechs Zchuh
und darüber lang. Line solche Lchleppe war
Zünde, darüber war Aonradus sich klar. Und so
machte er sich denn daran, auch seine Lheliebste
von dieser Tatsache zu überzeugen.

Srau Nagdalene blieb lange freundlich; als
sich aber ihr Eemahl dauernd der Lrkenntnis ver-
schloß, daß es im Grunde eine Lrsparnis gewesen
sei, das Uleid zu kaufen, begann sie ernster zu
reden.

Zeiger Eemütsart war Uonradus nicht; daß er
fchwieg und fich beschied, bewirkte nur seine lciden-
fchastliche Hriedensliebe. Aber im Herzen war er
fehr traurig, und da er selbst keinen Ausweg aus

seinen Nöten wußte, begab er sich zu einem Nanne,
der in der ganzen Ltadt im Nnfe einer sehr heiligen
tveisheit stand.

Meser Mann, tzieronymus mit Namen, war ein
Nönch. In jungen Iahren ein arger Zünder und
dem Weine mehr als bekömmlich zugetan, hatte
auch er seinen Tag von Damaskus erlebt und eine
Vision des heiligen Petrus gehabt, der ihm mit
dem schweren Himmelsschlüssel drohte. Da war er
in sich gegangen und ein tltönch geworden.

Ver Ruf von des Hieronymus Heiligkeit war
groß und begründet, denn manchem sündenschweren
Nenschenkind hatte er die Hölle schon so heiß ge-
macht, daß es jegliche böse Gewöhnung abstreiste
wie die Natter ihre Haut.

Zu diesem Nanne also begab sich Nonradus.
Der sromme Nönch hörte die Alagen des Raufherrn
über die Verschwendung seines Meibes mit ernster
Mene an. Lndlich sagte er: „Laß mich machen,
o Nonrade, hindere dein Lheweib nicht, wenn sie
sich mit jener kostspieligen Ausgeburt der tzölle
bekleiden will; im Tegenteil, ermuntere sie, sich
darin ihren Nitchristen am Lonntag in der Nirche
zu zeigen."

„Das wird nicht nötig sein, o frommer Bruder,"
sagte Nonradus traurig, „das tut sie schon von
selbst."

Der Lonntag kam. Nit leuchtenden Augen
betrachtete Krau Nagdalene das seidenschimmernde
Tewand, das bestimmt war, sie für den Airchgang
zu schmücken. Lie sand, daß es einen herrlichen
Lindruck mache. Nonradus war anderer Ansicht,
aber schwieg, der Lehren des srommen tzieronymus
eingedenk.

In der verwichenen Nacht hatte es geregnet,
und die Ltraßen waren sehr schmutzig. Am das
köstliche Tewand mit der sündhast langen Zchleppe
nun vor Lchaden zu bewahren, ging eine Nagd
auf der Ltraße hinter Hrau Nagdalene einher und
trug die gefährdete Zchleppe. AUe Nachbarinnen
aber verzogen den Nund und meinten, daß es eine
rechte Protzerei sei.

Nonradus dachte nicht unähnlich. Nit schwerem
Herzen betrat er an seiner Eattin Leite die sonn-
tägliche Airche. Aaum aber hatten sie sich dem
Meihwasserbecken genaht, da ertönte ein grausiger
Lchrei. Hinter einer Läule war plötzlich der sromme
Lruder Hieronymus hervorgestürzt, hatte jenen
Lchrei ausgestoßen und starrte mit allen Zeichen
höchsten Lntsetzens aus Hrau Nagdalenens Lchleppe.

Aengstlich zog die junge ßrau das Prunkstück an
sich, aber mit wildem Areischen suhr Hieronymus
wiederum darauf los. Nonradus zum tzirschen
wünschte sich weit weg.

Allmählich hatte sich ein Haufen neucyerigen
Volkes, der immer größer wurde, um das^Schau-
spiel versammelt. Aus dieser Nenge fragte schließ-
lich jemand den frommen Lruder, ob er toll ge-
worden sei, daß er im Sotteshause so schreie.

tzieronymus aber raufte sich sein spärliches Haar
und rief: „Ia, seht ihr denn nichts, ihr blinden

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