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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 7.1903-1904

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Heft 3
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Bosshart, Jakob: Wenn's lenzt, [3]: eine Erzählung aus den Schweizer Bergen
DOI Artikel:
Heinemann, Karl: Schillers Reliquien
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https://doi.org/10.11588/diglit.19303#0156

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Lr wußte nichts zu sagen als: „Rosine, Rosine!"
und schloß seine starken Rrme sester zusammen.
Dabei suchten seine Lippen ein passendes plätzchen
an ihrem Röpschen, um sich sestzusaugen; sie aber
zitterte und wand sich, und der Zorn lohte aus
ihrer Zrage: „Was willst du von mir?" Lr war
nicht in der Laune, nach einer Antwort zu suchen,
er mochte meinen, seine Arme verständen jetzt ihr
Eeschäst besser als seine Zunge, und wirklich, sie
machten so tressliche Arbeit, daß Rosine bald ohn-
mächtig war wie ein Lisenstück in einem Schraub-
stock, und schon sühlte sie des Burschen heiße Lippen
aus ihrem Nacken brennen. Da machte sie noch
eine letzre Anstrengung und schrie ihn an: „Lin
schlechter Rerl, der sich so benimmt! Hör aus oder
ich schreie, daß der ganze Hof erwacht!"

„Was will ich denn Lchlechtes?" keuchte er in
seiner Leidenschast.

„Was ein rechter Bursche ist, küßt nur seine
Braut!"

„And so küss' ich auch dich!" ries er ohne Über-
legung und setzte wieder seine Lippen auf den un-
willigen Racken.

lDa drehte ihm das Nädchen das Tesicht zu:
„Ist das dein Lcherz oder ist's dein Lrnst?" und
sie zeigte ihm das Weiße der dunkeln Augen.

„Nein Lrnst!" rief Aonrad, dem das Buchen-
laub die Besinnung abgewischt hatte.

„Lchwörst du's bei deiner Lhre?"

„Bei jedem heiligen Namen!"

Da wehrte sie sich nicht mehr: „V, Aonrad."

Und nun siel es über beide wie ein Rausch, ein
dämmernder Taumel, nichts als Lefühl, Herz ohne
Nops. Ihre Lippen sanden sich und sügten sich
fest zusammen, und aus ihren Üehlen klang ein ver-
haltenes Llurmeln: es war das Tlück, das sich in

ihre Brust genistet hatte, das nun einen Ausweg
suchte, um in die Welt hinauszuschreien: „Slück!
Tlück!" dem aber die Lchranken der Lippen den
Ausweg versperrten und es in die Brust hinab-
bannten, aus der es auss neue loszubrechen suchte.
Und die Brust, voll der eingesperrten, unbändigen
Lust, voll des mächtig geslügelten, aber gesesselten
Iubels, wogte wie die Lee im Zturm und wollte
zerspringen.

Wie lange standen sie da, Brust an Brust,
Lippe an Lippe, Atem in Atem? War's ein Augen-
blick? War's eine Ztunde? War's eine Lwigkeit?
Lie hätten's nicht zu sagen vermocht.

Plötzlich suhr es durch Uonrad wie ein lähmender
Lchlag, und ein Zchmerz durchsuhr ihn, als hätte er
slüssiges Lrz getrunken. Lr hätte ausfahren mägen.
Paulinens Bild hatte wie ein Metterleuchten in
seine Zeele gezündet und nun war er nüchtern aus
einen Zchlag: nüchtern vom Wein, nüchtern von
der Liebe. Kort war der Taumel, und die Lust
sort! Me eben noch so volle Brust war leer
wie ein ausgebranntes tzaus.

Wie er Rosine verließ, er wußte es nicht; er
eilte querfeldein, seinem Hose zu, über die Watten
hin und durch die Uornfelder und achtete des
kalten Taues nicht, in dem er sich bis an die Uniee
badete. „G, ich Llender! o, ich Llender!" stöhnte
er. „Noch ist sie nicht unter dem Loden und ich
habe ihr schon die Creue gebrochen!"

Nachdem des Lebens Himmel sich über ihm ge-
schlossen hatte, brach unter ihm des Lebens Hölle
auf, ein schwarzer, schmutziger Lumps, und ihm
wäre recht gewesen, der Psuhl hätte ihn hinein-
gezogen und ihn ertränkt, ihn und auch den Lkel,
den er an sich selber empfand. „L>, ich Llender,
ich Llender!" (Schluß im Ianuarheft.)

LLliillers R.e1iciuieli.

Öber Zckillers 8eeräi§vn§ uncl äie spätere
^.uksuckun^ uuä ^weite 8eiset2un§ seiner Qe-
beine sinä nocb iinrner irrixe ^nsckuuun^en
verbreitet. Oie ^rollen seit 10 sakren iin Lr-
scbeinen bexriAenen LcbillerbioZrapbien sinä
bellanntlick steclcen xeblieben, äie populüren
kaben Iceine VeranIassunZ, sicb init äieser ^n-
ß;e1e§enbeit einZebencler 2u bescbültixen. ^rn
rneisten verbreitet ist äie OarstellunA ^6o1k
Ltakrs in seinein Bucb: „Weiinar uncl sena"
(clritte ^ukl. 1892); aber xerucle sie ist nickt krei
von §roben Irrtüinern, äenen 2U wiclersprecben
cler HersusAeber cler neuesten H.ukla§e leiäer
sicb nickt bewoxen ^eküklt kat. In cliesein
8ucke wircl unter snclerin „clie LrinnerunZ; an
clss Lexröbnis Lcbillers ein clunkler Lleclc in
cler Qescbickte Weiinurs uncl cles cleutscken
Vollces" ^enannt. ^.ucb clie neueste Oarstellunß;
von I^artin Qreik in seinern „blacbspiel ru

Lcbillers Oeinetrius" ist clurck irri§e Lekaup-
tunxen entstellt.

Oa nun cler Lux, un clern Lcbiller vor 100
sukren xestorben ist, irniner nüber rückt, so
vväre es wokl an cler 2eit, clus Lckicllsal 6er
„Reliciuien" Sckillers nack ununkecktbaren
cZuellen un6 neueren ^.ukscklüssen irn ^ussinrnen-
kanxe 2U erörtern.

Von clen LckilclerunAen 6er ^u^en^eu^en
Icoinrnen in Letrackt 6ie ^nxuben von Lrok.
Heinrick Voll in V^eiinar, 6er Sckiller in seiner
let^ten Lrankkeit §eplle§t kat, 6er Lerickt cles
kreZisseurs /^nton Qenast in Weirnar, 6er sick
in 6ein Lucke seines Loknes „^.us 6ein Raxe-
bucke eines ulten LckLuspielers" (LeipNx 1862)
kin6et, un6 en6Iick clie ivickti^ste (Auelle, 6as
jetrt ksst versckollene Lücklein von sulius
Lckivabe: „Lckillers 8eer6i^un§ un6 6ie ^uk-
suckunZ un6 Seiset^unx seiner Qebeine. blLck

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