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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 7.1903-1904

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Heft 6
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Voigt-Diederichs, Helene: Vorfrühling: aus "Leben ohne Lärmen"
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https://doi.org/10.11588/diglit.19303#0316

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seine Lache, wie's recht war. Suse wurde an-
gefahren, weil der Pumpenschwengel quietschte, als
sie Wasser holte.

An einem regnerischen Aprilabend, als Zuse
mit den Teschwistern im Ainderzimmer saß, klopsre
jemand an die Tür. Der Verwalter war draußen
und bat, ob Kräulein Lisbeth nicht doch ßeuer in
der Zchreibstube anmachen wolle. 2o zum Zitzen
wär's kälter, als er geglaubt.

Lisbeth ging bereitwillig und kam erst nach
einer halben Ztunde zurück.

Am andern Nittag bekamen die Ainder ein
großes Geheimnis zu wissen: Lisbeth und Herr
^eddersen hatten sich verlobt.

Abends gab es sür jeden ein Glas roten Wein.
Ls wurde angestoßen und Hoch gerusen.

Zuse stieß auch mit an und ries auch mit Hoch.
Aber es war ihr unmöglich, „du" zu Herrn
Keddersen zu sagen und ihm einen Auß zu geben,
wie die Geschwister es der Reihe nach taten.

Als er durchaus daraus bestand, wehrte sie sich
so lange unter heftigem Lachen, das plötzlich in
weinen umschlug, bis er sie sreiließ.

Luse war den ganzen Abend traumhaft froh.
Die Wirklichkeit war gar nicht wirklich, sondern
eine bunte Eeschichte, die einem erzählt wurde.
Ls summte in ihrem Aopf vor lauter Närchen-
begeisterung, und ihre Lchläfen glühten.

Nur beim Zubettegehen stieg ein
rascher Aorn in ihr aus. Da saßen sie
nun und feierten Verlobung. Aeiner dachte
mehr dran, wie vaters fchivarzer kranz-
behangener Larg im selben Zimmer ge-
standen hatte.

Lie weinte und fühlte sich sehr ein-
sam. Alit trotziger Kreude empsand sie
bei jeder sallenden Träne, daß keiner,
keiner sie verstand.

Lpäter kam Lisbeth und beugte sich
über die schlasende Lchwester.

„Warum hast du ihm keinen Auß
gegeben. Aleines? Lr ist doch nun
mein Bräutigam, und du mußt ihn auch
lieb haben .. . !

„Ia Lisbeth, hab ich auch. Aber
zum Außgeben ist es doch viel zu schnell.

Lonst schämt man sich nachher so," mur-
melte schlasbesangen das Aind.

Am nächsten Tage hatte Luse Aopf-
weh. Und sie mußte immer und immer
dasselbe denken. Wie lächerlich traurig
es war, wenn man im Winter Ltunden
und Ltunden im blendenden Zchnee ge-
spielt hatte und mit einemmal ins dunkle
Wagenschauer lief, wo alles so nah und
nackt war.

Der Verwalter suhr in die Ztadt.

Als Zuse ein paar Cage darauf in ihr
Lagebuch schrieb, erwähnte sie das nicht.

Aur daß die Anechte gepflügt und die
Cagelöhner gezäunt hätten.

Abends lies sie übers Brachfeld. Dhne noch
unterzugehen, verlosch die rote Sonne im blei-
farbenen Tewölk. Lin warmer, seuchter Duft
quoll zwischen den nassen Lrdschollen empor, wo
die Lamenkärbchen des Huflattichs an schlass-
gewordenen Ltengeln hingen.

Zuse war müde. Ihr Aops tat noch immer weh.

Lie setzte sich an den Anick unter den bräunlich
verblühenden Lchlehdorn.

„Neine Lisbeth" hatte er immer gesagt und
die Lchwester mit seinen Augen angesehen, die
immer wie eine schillernde Brücke zu einem herüber-
kamen.

Das war nichts Trauriges und machte doch so
traurig, daß man gar nicht an all die Tage denken
mochte, die noch kamen.

Luse stand aus und pflückte gelbe primeln von
der Grabenkante. Lie hatte schon eine ganze
Handvoll, bevor sie merkte, was sie tat.

iZerade wollte sie die Llumen in das sließende
Wasser sallen lassen, als ihr etwas Besseres einfiel.

Lisbeth sollte sie haben.

Ihre Zchwester Lisbeth, die sie nie so lieb
gehabt hatte wie jetzt, wo sie die Braut des Ver-
walters war .. .

Nan beachte die Besprechung des Buches am Zchluß
des Heftes.

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Professor 0. Vlbrich. Zchrank aus einem Nusikzimmer.

Aus dcr Ausstcllung dcr Drcsdner Werkstätten.
 
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