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Seidlitz, Woldemar
Die Kunst in Dresden vom Mittelalter bis zur Neuzeit (Buch 1 - 3): 1464 - 1625 — Dresden, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.43932#0115
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DRITTER ABSCHNITT • GEORG <I>

Unter den sächsischen Kirchenbauten der ersten anderthalb Jahrzehnte des
16 Jahrhunderts66) stellt die Pirnaer Stadtkirche mit ihrer von einem engmaschigen
Rippenwerk überzognen Decke die unmittelbare Fortsetzung und den Höhepunkt
der Bestrebungen des vorhergehenden spätgotischen Menschenalters dar, während
die 1499 in Annaberg gegründete Kirche, deren Bau zwanzig Jahre in Anspruch
nahm, das bisherige Streben nach einem übermächtigen Ausweiten der Halle so-
weit steigerte, daß in ihr schon die gotische Betonung des in düstre Höhe auf-
ragenden Mittelschiffs als vollkommen zugunsten einer lichten Breiträumigkeit
überwunden und damit das Renaissanceempfinden, wenn auch ohne die Formen
der Antike, als verwirklicht angesehen werden konnte. Durch die Verschmelzung
des Chors mit dem Langhause, den Fortfall des Querschiffs, die Einziehung
der steinernen Empore und die flache Wölbung der breiten Decke war eine neue
Form geschaffen, die dem behäbigen Wohlstand der jungen Schatzgräberstadt
vornehmen Ausdruck gab. Um 1515 konnte unter dem einflußreichen Baumeister
Jakob von Schweinfurt die Emporenbrüstung mit Reliefs des Steinmetzen Franz
von Magdeburg geschmückt werden, welche Szenen aus dem Neuen Testament
sowie die zehn Lebensalter darstellten. Damit zog die Renaissance zunächst als
Bildhauerei ein,- 1518 folgte die Tür der alten Sakristei, das erste größte Werk
dieses Stils in Obersachsen,- der Hauptaltar von Adolf Daucher in Augsburg aus
rotem Marmor mit der Darstellung der Wurzel Jesse von Solenhofer Kalkstein
schloß sich unmittelbar an. Am 26 Juli 1518 wurde in Annaberg der bedeutsame
Meißnische Hüttentag unter dem Vorsitz Jakob von Schweinfurts und mit Be-
teiligung namhafter Baumeister aus Böhmen und der Lausitz abgehalten, wobei
Dresden zur Haupthütte erklärt und Hans Schicketanz, der Wiedererbauer der
Kreuzkirche, zum Hüttenmeister gewählt wurde. Kursachsen undTüringen hatten
bereits 1462 auf dem Torgauer Tage eine eigne Brüderschaft begründet und in
der Folgezeit sich von dem Einfluß der den Westen und den Süden beherrschenden
Straßburger Hütte freigemacht. Die »Schöne Tür« von 1512, mit dem Wappen
Herzog Georgs und seiner Gemahlin, die den Hauptschmudc des sonst ganz
schlicht gehaltnen Kirchenäußern bildet und mit ihrer gotischen Bewegtheit die
Renaissancebildwerke des Innern wesentlich überragt, stammt aus dem von Georg
besonders begünstigten Franziskanerkloster der Stadt und wurde erst 1597 an
die Kirche versetzt. Dieses Aufblühen Annabergs ist der regen Teilnahme Her-
zog Georgs zu verdanken, die sich in dessen Spruch äußerte: Leipzig die beste,
Freiberg die größte, Chemnitz die feste, Annaberg die liebste.
Aus dem Anfang des Jahrhunderts ist noch die Sakristei des Meißner Doms
neben dem Chor mit ihrer reich behandelten Tür von 1504 zu erwähnen,- an

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