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Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Hrsg.]
Die Weltkunst — 5.1931

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Nr. 1 (4. Januar)
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8

WELT KUNST

Jahrg. V, Nr. 1 vom 4. Januar 1931

Deutsche Zeichenkunst IZZO—1Ö3O

Ausstellung der Albertina, Wien

Eine überaus reiche Schaustellung, die in
mancher Hinsicht dem Interesse moderner
Kunstbestrebungen begegnet. Neue Stil-
richtungen führen ja immer auch zu einer
neuen Wertschäfeung verwandter älterer. So

Wien, Albertina
findet heute auch die sachlich klare Natur-
anschauung der Frühromantiker und ihre
herbe, aber gefühlsinnige Linienkunst ein
tiefer gehendes Verständnis. Ein reich-
gesialtiges Bild der künstlerischen Entwick-
lung dieses vielbewegten, von dramatischer
Spannung geistigen Ringens erfüllten Zeit-

mantik und bürgerlich nüchterne Sachlichkeit.
Und mit dem Untergang der alten Tradition
und der sinnlichen Farbigkeit in der Bild-
kunst gelangt die abstrakte Linienform zu
neuer Bedeutung. Wie zu Dürers Zeit wird
die Linienzeichnung
das eigentliche Aus-
drucksmittel deutscher
Kunst, besonders für
Maler wie Cornelius,
welche Pinsel und
Farbe als Mittel sinn-
licher Anschauung ver-
schmähen und am lieb-
sten mit dem Zeichen-
stift ihre Bilder gestal-
ten. Sie muß nun einer
neuartigen Wieder-
eroberung von Natur
und Welt dienen. In
stilhart abstrakter Um-
rißzeichnung schafft
der Deutschrömer aus
Tirol, Josef Anton
Koch, die neue klassi-
zistische Idealland-
schaft. Aber aus der
innigen Gefühlshingabe
der Nazarener er-
wächst der Linie eine
immer reichere Aus-
drucksfähigkeit. Be-
sonders in den Bild-
niszeichnungen und
Landschaftsstudien ver-
bindet sich mit der Ein-
fachheit und Klarheit
der Formgebung ein
wunderbarer Reichtum
an Empfindungs- und
Stimmungsinhalt: Oli-
vier, Schnorr von Ca-
rolsfeld, Scheffer von
Leonhardshof, Fohr,
Horny, Wasman u. a.
Das Aufleben der
neuen Landschaftskunst
des 19. Jahrhunderts,
der intimen Landschaft,
zeigen auch Land-
schaftsstudien von
Dillis, Heb, Reinhold
u. a. Die eigentliche
romantische Stimmungslandschafi wird durch
Blätter von Caspar David Friedrich und
Blechen veranschaulicht.
Alle diese Kostbarkeiten sind fast durch-
weg Neuerwerbungen der lebten zehn Jahre.
Noch in lebter Stunde mit Glück zusammen-
getragen. Gute Zeichnungen der Frühroman-


Julius Schnorr von Carolsfeld, Studie
Ausstellung ■— Exposition — Exhibition: Deutsche Zeichenkunst 1780—1830


Georg Dillis, Landschaft — Paysage — Landschaft
Ausstellung — Exposition — Exhibition: Deutsche Zeichenkunst 1780—1830
Wien, Albertina

abschnittes entrollt sich in der langen Reihe
ausgewählter Zeichnungen.
Vor allem der Übergang zur Umsturz-
bewegung. In den Ausklang der Barockkunst
und ihrer akademischen Schultradition dringen
auch schon die Sturmzeichen der neuen künst-
lerischen Bestrebungen: Klassizismus, Ro-

tiker sind sehr gesucht, aber tauchen nur noch
selten und vereinzelt auf dem Kunstmarkt auf.
Nicht wenige unter den frühromantischen
Künstlern, wie Scheffer von Leonhardshof,
Fohr, Horny, August Heinrich u. a., sind in
jungen Jahren gestorben.
Dr. Heinrich L e p o r i n i

D ie Museen ^Sibiriens

VI. Wladiwostok*’
Nur im Sinne der Geographie gehört der
Hafen Wladiwostok zu Sibirien, im heutigen
Rubland bildet er die Hauptstadt und das
Universitätszenfrum der Republik „Ferner
Osten“. Selbstverständlich verfüg! man auch
dort über ein Museum mit kunstgeschichtlicher
Abteilung. Mit den prachtvollen Sammlungen
lokaler Altertümer in den anderen Haupiorien
des russischen Ostens kann sich Wladiwostok
freilich nicht messen. Ob das nun an der ge-
ringen Ergiebigkeit des Bodens oder am
*) I. Minussinsk in Nr. 25, II. Irkutsk in Nr. 30,
III. Krasnojarsk in Nr. 33, IV. Tomsk in Nr. 35,
V. Tschita in Nr. 50 der „Weltkunst“ (IV. Jhrg.).

Fehlen systematischer Ausgrabungen liegt, ist
schwer zu sagen. Dafür gibt es dort ein
höchst anschauliches Bild der Nähe Ostasiens.
Chinesisches Gerät — Beschläge, Waffen,
Spiegel — hatten sich auch anderwärts fest-
stellen lassen. Bei Wladiwostok, am unteren
Amur, fand man Grobplaslik. Neben einigen
recht späten buddhistischen Steinen verdient
ein Granit-Tiger besondere Beachtung (Abb.
oben!. Uber den in der chinesischen Kunst
häufigen Gegenstand ist viel geschrieben und
gestritten worden. Meinen früheren Wider-
stand gegen die Ming-Datierung gebe ich auf
(vergl. Salmony: „Chinesische Plastik“, Ber-
lin 1925, Abb. 28, und Glaser, Ostasiatische
Plastik, Berlin 1925, Tafel 10).
Das Beispiel in Wladiwostok ergänzt die

interessante Reihe und beweist die Ver-
breitung über das eigentlich chinesische Ge-
biet hinaus. Gleichzeitig liefert es einen wich-
tigen Beitrag zur Datierung des Typs. Die
chinesischen Arbeiten im Amurgebiei — Ex-
porte eines nahen Zentrums oder
Schöpfungen einer Kolonie — seljen nicht
vor dem 13. Jahrhundert ein. Die Tiere der
Sammlung von der Heydt und des Britischen
Museums können kaum früher, vielleicht sogar
mit dem von Wladiwostok einige Jahrhunderte
später angeseßl werden.
Eine zweite Besonderheit des Museums
bilden die zahlreichen, im Süden von Sachalin
gefundenen Stichblätter (Abb. unten). In Japan


Fund aus Süd-Sachalin
Trouvaille au Sud du Sachalin
Discovery of South Sachalin
Eisen •— Fer — Iron, Dm. 8,3 cm
Wladiwostok, Museum
selbst gibt es meines Wissens keine ähnliche
Sammlung von sicheren Grabfunden, Zeugen
einer alten Kolonisierung der Insel durch die
Japaner. Es handelt sich stets um durch-
brochene Tsubas aus Eisen mit Einlagen in
Gelbmefall, die sich nur wenig über die Fläche
erheben, also um Arbeiten der Schule von
Kyoto aus dem 15. bis 16. Jahrhundert. Kein
einziges der Beispiele trägt eine Signatur,
doch lägt sich die Schulzugehörigkeit durch
Vergleich mit bekanntem Material leicht be-
stimmen (vergl. Vauiier-Kümmel: „Japanische

Schwertstichblätter und Schwerizieraten der
Sammlung G. Oeder“, Berlin o. J. Nr. 33 ff.).
Vor einigen Jahren ging Süd-Sachalin in
japanischen Besife über, aber man hat bisher
über die Ausbeute alter Gräber nichts er-


Tiger — Tigre — Tiger
Granit, H. 83 cm
Wladiwostok, Museum

fahren, so dafe möglicherweise die sichersten
und schönsten Belege der frühen Schweri-
stichblätfer mit Einlage in Wladiwostok ruhen.
Sogar für ein Gebiet der japanischen Kunst
muß also der russische Osten herangezogen
werden, zumal Beispiele eines noch primi-
tiveren Tsuba-Typs bis Minussinsk ver-
schlagen und dort in der Erde gefunden
worden sind. Dr. Alfred Salmony

Die Expertise
Beiträge zur Diskussion des Problems

Als wir in Nr. 33 der WELTKUNST die
Diskussion über die Expertise eröffneten*),
hatten wir im Auge, durch Veröffentlichung
von Zuschriften, die uns aus unserem Leser-
kreise zugingen und von Beiträgen aus der
Gelehrten-, Sammler- und Händlerwelt ein
Möglichstes zur Klärung dieses ganzen Fra-
genkomplexes beizutragen. Zur Wahrung
größter Objektivität ließen wir auch die ver-
schiedensten, zum Teil sehr entgegengesetz-
ten Meinungen zu Worte kommen, hatten
aber durchaus nicht die Absicht, diese Dis-
kussion eine Wendung nehmen zu lassen,
die den Eindruck erwecken könnte, als
handele es sich nur um eine persönlich zu-
gespitzte Auseinandersetzung zwischen Ver-
tretern der Kunstwissenschaft und Vertre-
tern des Kunsthandels. Es kann nicht unsere
Absicht und Aufgabe sein, eine Polemik, die
diesen Charakter angenommen hat, ins Un-
endliche fortzusetzen. Die WELTKUNST
betrachtete es als ihre Aufgabe, alles das
zu bringen, was zur Klärung des Exper-
tisenproblems dienen könnte, möchte aber
nicht ein Forum dar stellen, das zu Angriffen
oder zur Verteidigung einzelner Experten
dient. Unsere Leser werden mit uns über-
einstimmen, daß uns das der Klärung des
Problems nicht näherbringt.
Um nun eine derartige Diskussion nicht
ins Uferlose wachsen zu lassen, sehen wir
uns gezwungen, zu erklären, daß wir hier-
mit diese öffentliche Diskussion schließen
wollen und uns daher zu unserem Bedauern
außerstande sehen, noch weitere polemische
Eingänge, die einen durchaus persönlichen
Charakter tragen, zu veröffentlichen. Die
Redaktion der WELTKUNST wird ihrer-
seits Persönlichkeiten verschiedener Rich-
tungen, die ihr maßgebend für die Frage
erscheinen, bitten, sich abschließend noch
einmal zur Diskussion zu äußern.
Aus Gründen der Loyalität halten wir
es jedoch für nötig, in dieser Nummer noch
die nachstehenden Artikel von Geheimrat
Pinder und Prof. Dr. Rudolf Berliner,
Hauptkonservator am Nationalmuseum in
München, zum Abdruck zu bringen.
Die Redaktion
Geh.-Rat Prof. Dr. Pinder:
In Dr. Heinemann-Fleischmanns „Erwide-
rung“ sehe ich ein einziges Positives. Es ist
sein Eingeständnis, daß es meine Typen 3
und 4 in praxi gibt. Er kennt sie und weife
ihre aufeergewöhnlichen Leistungen zu wür-
digen. Ich sefee seine Worte in extenso her,
damit es ihnen nicht so gehe, wie jenen von
mir zitierten Worten seines ersten Beitrages,
deren sich ihr Verfasser (Nr. 49, S. 4, Spalte 2
oben) absolut nicht mehr erinnern kann, so
dafe er andere dafür einsefet, die niemand an-
gegriffen hat. (Der halbwegs aufmerksame
* Zu dem Vorschlag von Dr. Lapp-Rottmann
(Nr. 33) nahmen bisher in der „Weltkunst“ das Wort:
Geh.-Rat Max J. Friedländer, Prof. Dr. F. Schott-
müller, Dr. A. Gold, G. Brandmayer, Prof. Dr.
Winkler, Hofrat Prof. Dr. G. Glück, Sir Charles
J. Holmes, Prof. Dr. Koetschau, Dr. Jos. Stransky,
Ilofrat Prof. Dr. H. Tietze, Dr. Heinemann-Fleisch-
mann, Prof. Dr. J. Baum, Prof. Dr. 0. Fischer, Dr.
J. B. de la Faille, Prof. Dr. H. Schmitz, Dir. Dr. E.
Wiese, Dr. H. Leporini, Dr. Katz, R.-A. B. Svenonius
und Geh. Rat Prof. Dr. W. Pinder, München.

Leser wird indessen die wirklich gemeinten
auf S. 3, Spalte 3 von Nr. 49 ziemlich genau
in Nasenhöhe des links daneben abgebildelen
Frauenporträts um so leichter entdecken, als
sie durch Sperrdruck hervorgehoben wurden.)
Nunmehr meine ich folgende Worte und
keine anderen, und Herrn Dr. H.-Fl. darf es
nicht ein zweites Mal unerklärlich sein, auf
welche seiner eigenen Worte ich mich denn
eigentlich beziehe. Ich meine (genau wie
voriges Mal) den ganzen lebten Absafe, na-
türlich dieses Mal den der „Erwiderung“, ins-
besondere aber folgende Worte (Nr. 49, S. 4,
Spalte 4 oben): „Dafe es nicht angehf, dem
wirtschaftlich interessierten Experten die bona
fides abzusprechen, abgesehen (abge-
sehen 1) davon, dafe nicht wenige der
Vertreter gerade auch der von
Ihnen (von mir: Pinder) verschmähten
Gruppen für die Wissenschaft Außer-
gewöhnliches geleistet haben.“
„Verschmäht“ — wenn jemand tatsächlich
die Kennzeichnung des Unanständigen mit
einem an das Wort Schmähung erinnernden
Ausdruck benennen möchte — habe ich ledig-
lich die mit 3 und 4 gezählten Typen: die an
der Wertsteigerung durch ihr Gutachten Inter-
essierten und die Verkäufer ihrer Überzeu-
gung. Ihre Existenz wird zugestanden, indem
sie verteidigt wird. Nichts unterscheidet (in
diesem einen Punkt) uns noch als der Aspekt.
Mich geht das Würde- oder Ehrlose der sitt-
lichen Haltung an — Herr Dr. H.-Fl. inter-
essiert sich für die wissenschaftlichen Lei-
stungen. Unsittliche Haltung zu verwerfen,
helfet Herrn Dr. H.-Fl. „negieren“, — sie hinzu-
nehmen, heifet ihm „an neuem Aufbau mitzu-
wirken“. Ich hatte Typus 3 und 4 in allge-
meinerer Form erwogen — für ihn besifeen sie
die warme Farbe des Erlebten. Er k e n n t die
Schuldigen! Er erkennt sie an ihrer Schuld.
Ich begrüße diese methodische Verein-
fachung. Nun nenne er uns nur noch die
Leistungen — und wir haben endlich die
Männer, die wir suchen.
Wilhelm Pinder
Prof. Dr. Rudolf Berliner:
Es liegt in der Reinheit eine Kraft, die bei
einem Zusammenstoß das Unreinere zur
Selbsfentlarvung zwingt. Das ist immer so.
Niemand hätte aber hoffen können, dafe eine
Antwort des Herrn Dr. Heinemann-Fleisch-
mann auf die gegen eine bestimmte Sorte
Experten gerichteten Feststellungen Pinders
eine Enthüllung enthalten würde, die schnellste
und gründlichste Klärung erzwingen muß.
Denn, wider Willen Werkzeug der immanenten
Gerechtigkeit, fühlt er nicht die leiseste
Hemmung, seinem Zugeständnis, daß unter
den von ihm als bedeutende Wissenschaftler
eirigeschäfeten Männern diejenigen nicht fehlen,
die sich — als am Gewinn beteiligte
Geschäftsleute — ihre Expertisen nach dem
Marktwert des beurteilten Gegenstandes be-
zahlen lassen, noch eines hinzuzufügen: dafe
 
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