Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Hrsg.]
Die Weltkunst — 5.1931

DOI Heft:
Nr. 10 (8. März)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44978#0110
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
8

W E L T K U N S T

Jahrg. V, Nr. 10 vom 8. März 1931




Johann Melchior Dinglinger
1664-1731
In Dresden begeht man am 6. März den
200. Todestag von Sachsens berühmtestem
Goldschmied ). M. Dinglinger. Seine Werke
bilden den Höhepunkt des „Grünen Gewölbes“
in Dresden, der besterhaltensten und schön-
sten Schaßkammer der Barockzeit. In August
dem Starken fand Dinglinger einen wahrhaft
königlichen Auftraggeber, der keine Kosten
scheute, wenn es galt, bisher ungeahnt Groß-
artiges zu schaffen. Für ihn allein hat
Dinglinger mit seinen Brüdern und Gesellen
gearbeitet, so daß man sein gesamtes Werk
heute im Grünen Gewölbe versammelt findet.
Kostbarstes Gerät für die Tafel, ein viel-
figuriges Spielzeug: der Hofhalt des Groß-
mogul, alle Arten von herrlichen Pokalen und
Tafelaufbauten, geheimnisvolle mythologische
Darstellungen, was ein Goldschmied zu
schaffen sich erträumen kann, hat er aus den
denkbar edelsten Materialien erfinden dürfen.
Es entstanden Gebilde, die in ihrem über-
schwenglichen Reichtum selbst uns Menschen
der sachlichen Zeit packen und begeistern.
Er erwarb sich die Liebe seiner Zeit, August
der Starke verehrte ihn, Peter der Große
wohnte lieber in seinem (heute noch in der
Dresdner Frauengasse stehenden) Haus, als
im Schloß beim König. Auch sein Privatleben
verlief ungewöhnlich. Fünf Frauen gebaren
ihm 23 Kinder und er starb doch als Witwer.
Sein Ruhm überstrahlt noch heute den seiner
Fachgenossen. Noch immer ist die zauber-
hafte Pracht seines „Hofhalt des Großmoguls“
eine der beliebtesten Sehenswürdigkeiten
Sachsens. Dresden feiert in Dinglinger einen
der Männer, die dem sächsischen Barock
Glanz und Ansehen gaben.
Dr. Hildebrand Gurlitt
Sudetendeutsche
Kunst
Am 22. Februar ist in Nürnberg eine
umfangreiche Ausstellung von Werken
sudetendeutscher Künstler eröffnet worden,
die von der Stadt Nürnberg in Gemeinschaft
mit der Deutschen Gesellschaft der Wissen-
schaften und Künste in der Tschechoslowakei
veranstaltet wird.
Die Ausstellung umfaßt Werke der
Malerei und der graphischen Kunst,
der Bildhauerei und auch der neuzeit-
lichen Architektur. Um das Bild Sudeten-

Aschheim

und

erinnert einen

auch ihre Kunst

Aschheim, Landschaft
Paysage — Landscape

gut bezeichnete
es nie zu einer

und
ging,
nur
dort

be-
ver-
ent-

von
ge-

großer Verehrer
Malerei nicht das

nach
nach
war
der
etwas1

dem machte ihn nur noch klarer auf die Zer-
klüftetheit seiner Heimat aufmerksam, die in
seiner Arbeit, in der Zeichnung, in der Farbe,
im Sujet, und wo er auch immer arbeiten mag,
spürbar wird.
Aschheim malt nicht nur für die nächsten
Jahre, sondern sucht sich in jedem Bilde, das
er malt, seiner malerischen Bestimmung be-
wußt zu werden, und deshalb ringt sich das
Werdende nur langsam zu einem Formbegriff
durch. In jedem seiner Bilder, besonders in
den in Frankreich gemalten, sieht man, daß
er eine gute Technik hat, das Räumliche im
Sujet zu erfassen, und diese Technik des
Schauens macht mit jedem Bilde handgreif-
liche Fortschritte. Er sucht die absolute
Malerei, und bei vielen seiner Bilder hat man
das Empfinden, Bilder von van Gogh in
dunklerer Farbe vor sich zu sehen.
Aschheim kam 1926 nach Frankreich, aber
er hat nie Pariser Bilder gemalt. Er kann nur
arbeiten, wenn er allein ist, und deshalb liebt
er die französische Provinz, am meisten die
Bretagne. In seinen französischen Land-
schaften ist nichts von der modernen franzö-
sischen Kunsiauffassung zu fühlen. Aschheim
bleibt immer ein deutscher Betrachter. Das

geht so weit, daß in seinen Landschaften aus
Brest noch etwas vom deutschen Konstrukti-
vismus zu fühlen ist.
Die Sujets, die sich Aschheim zu seinen
französischen Landschaften (Abbildungen
oben) aussucht, sind Fischerdörfer in der
Bretagne mit einer unheimlichen Verlassen-
heit, menschenleere kleine Dorfwege mit öden
Felsen im Hintergrund, verlassene Boote, die
sich in einem herbstlich aussehenden Hafen
vom Abendhimmel abheben. Immer muß die
Traurigkeit herhalien, aber hinter dieser
Traurigkeit liegt der Traum einer schlesischen
Lyrik.

schlesischen Lande an¬
schaut, dann glaubt man
nicht, daß Städte wie
Rom und Paris existie¬
ren. Als Aschheim
Positano
Frankreich
das nicht
Wunsch, i
künstlerisch zu lernen,
sondern auch die Sehn-
sucht, unter einem an¬
deren Himmel freier zu atmen. Aber Men-
schen wie dieser Maler verlieren niemals ihre
organische Heimatgebundenheit, es wird ihnen
unter einem anderen Himmel nur noch
wußter, wie bildhaft sie mit ihrer Scholle
bunden sind, aus der
stand.
Aschheim ist ein
Corot, mit dem seine
ringste zu tun hat, aber diese Verehrung kenn-
zeichnet die Sehnsucht des Schlesiers nach
dem Süden. Aber troßdem Aschheim monate-
lang in Positano war, gab ihm der Süden
nichts Durchgreifendes für seine Malerei, son-

schöpferischen Kunsttaten liefert jede Nation
ihren Beitrag zur internationalen Geistigkeit.
Man mißverstehe die Pariser Kunstkreise
nicht und glaube ja nicht, hinter der Gleich-
gültigkeit, mit der man manche deutsche
Maler hier betrachtet, eine chauvinistische
Anschauung zu entdecken; im Gegenteil, man
sehnt sich seit Jahren, wirklich deutsche
Kunstwerke kennenzulernen, aber fast alles,
was man bisher aus Deutschland präsentiert
bekam, war mehr oder weniger Pariser Imi-
tation. lind es gibt eine wirklich gute
deutsche Malerei, die man in Paris zeigen
könnte!
Aschheim erweckt Sympathien damit, daß er,
troßdem er in Frankreich viel lernte und ver-
stand, doch nur ein deutscher Maler blieb, der
mit seinem noch nicht festgelegten künst-
lerischen Wollen einen Einblick in deutsche
Wesensart gibt.
Er ist der bescheidenste Maler, dem ich je
begegnet bin. Er spricht fast nie über seine
Malerei und wehrt sich dagegen, daß man,
bevor er selbst mit seiner Malerei zufrieden
ist, darüber der Öffentlichkeit Kenntnis gibt.
Aschhcim wurde schon mehrere Male auf¬

gefordert, in Paris auszustellen, aber er
lehnte immer mit den Worten ab: „Ich habe
noch nicht das gemalt, was ich den Parisern
zeigen möchte.“ Hier müssen wir diesem
Maler widersprechen, weil es keinen wirk-
lichen Maler gibt, der je mit seiner Arbeit zu-
frieden war. Und wenn es davon abhänge,
von den Künstlern selbst als
Malereien auszustellen, käme
Ausstellung.
Aschheims Bescheidenheit
immer wieder an den schweren Menschen-
schlag in seiner schlesischen Heimat. Die
ideele Aufnahmefähigkeit ist dort immer mit
Melancholie verbunden,
’ der innere Rhythmus
■ Ist langsam. Diese
wwfWfefi,' ’AA;» Menschen werden mit
ihrem Leben und ihrer
: SÄ,
über ihnen und um
sie, und wenn man,
wie Gerhart Hauptmann
sagen könnte, den
Himmel über diesem

Von
Emil »Szittya, Paris
Selbstverständlich ist Chauvinismus
Kunst unvereinbar, aber die Kunst als natio-
nalismusfeindlich hinzustellen, ist auch eiwas
übertrieben. Herrioi sagte einmal zur Be-
grüßung von deutschen Künstlern: „Weil ich
die Kunst meines Vaterlandes liebe, verehre
ich auch die Kunst anderer Nationen.“ In

Aschheim, Dorfstraße in der Bretagne
Rue villageoise dans la Bretagne — Village Street

Carpeaux bis Degas, Rodin, Renoir, Maill°l’
Despiaux —, wird uns gerade von der Eigen'
art der bedeutendsten Meister wie eines R°x
din und Maillol nur eine ungenügende Vor'
Stellung vermittelt.
Wohl am besten kommt die Plastik
Deutschlands zur Geltung. Besonder5
eindringlich Lehmbruck mit einer ganzen Reih6
seiner bedeutendsten Großplastiken (worunf6*
die „Kniende“, „Der Aufwärtsschreitende'’
„Frau mit gesenktem Haupt"). Kolbes ganz
auf Rhythmus und Harmonie abgestimrnt2
Kunst wirkt sich auch in den zahlreiche11
Kleinplastiken aus. Zu den am eindruckvoll''
sten vertretenen künstlerischen Erscheinung6*1
gehört die Sinterns. Von Barlach sind nu*
einige Kleinbronzen und Zeichnungen vorhaß'
den, die immerhin genügen, um eine Ahnung
von der Ausdruckskraft dieses herbe*1
Meisters zu vermitteln. Von Belling einig5
charakteristische Bewegungsstudien.
In dieselbe Richtung abgeklärter Harmoßi6
und Formenschönheit wie die Plastiken vö*1
Kolbe und de Fiori weist die Kunst de*
Schweizer Haller („Tanzende“ u a) uß6
Huf.
Von dem Slovenen M e s t r o v i c ist di6
durch den Adel ihrer Formung und ihre Ab'
gekläriheit klassisch wirkende Gestalt de5
Dudelsackpfeifers ausgestellt.
Von den österreichischen Nachfolgestaat*1
ist außer Jugoslawien nur die Tschecho'
Slowakei vertreten, und zwar dank d6?
Entgegenkommens der tschechischen Behör'
den in eindringlichster Weise: mit Myslbecß’
dem Vater der neueren tschechischen Plastil4'
Jan Stursa, ihrem Größten, der hier den best6*1
Meistern Deutschlands ebenbürtig erschein1'
und dem früh verstorbenen reich begabt6*1
Otto Gutfreund.
Dr. St. Po glayen - Neu wall (Wi6*1'

zur Teilnahme an der Ausstellung herange-
zogen. Ist es doch ein tragisches Verhängnis,
daß viele der begabtesten Künstler in dem
begreiflichen Drange nach größeren Verhält-
nissen und lebhafterem Widerhall ihres
Schaffens ihre engere Heimat verlassen haben.
So erscheinen unter den Ausstellern zahlreiche
Namen, die in der allgemeinen deutschen
Kunst der Gegenwart einen ausgezeichneten
Klang besißen, wie zum Beispiel: Josef

tätige Architekt Josef Hoffmann und der
als Architekt einen Weltruf genießende Adolf
Loos.
Im übrigen ist von der zeitgenössischen
Kunst ein Bild geformt worden, welches die
Verschiedenheiten der Stammesanlagen der
sudetendeutschen Künstler, die Gegensäße
von Stadt und Land, von überlieferter und
nach neuem Ausdruck ringender Kunst in den
vorgeführten Werken ungeschminkt zum Aus-
druck kommen läßt. Unter diesen Umständen
bildet diese Ausstellung das erste Band,
welches zwischen den Künstlern sudeten-
deutscher Herkunft und unserem deutschen
Vaterlande hergestellt wird. Fr.

Zürcher, Szene vor dem Wirtshaus
Devant l’auberge — Before the public-house
31 : 46 cm — Sign., dat. 1853
Versteigerung — Vente — Sale:
Kunstauktionshaus Continental, Berlin, 11.—12. März 1931

der Arbeiten von Wilhelm Riedel werden auch
solche von dem Prager Akademieprofessor
August Brömse, dem Dresdner Akademie-
professor Emanuel H e g e n b a r t h , dem
Maler W. Fr. Jäger, dem Maler Eugen von
Jettei, von dem 1927 verstorbenen Prager
Akademieprofessor Karl Kratt ner d. Ä.,
von der Malerin Hermine L a u k o t a ,
von dem 1925 verstorbenen Maler Carl
Maria Thuma und von dem früher als Pro-
fessor an der Kunstgewerbeschule in Wien
tätigen, 1919 in Berlin verstorbenen Bildhauer
Franz M e t z n e r gezeigt.
Aber auch die im Ausland schaffenden
Künstler sudetendeutscher Herkunft wurden

Ilege.nbarth in Dresden; Akademie-
professor Walter Klemm in Weimar, Aka-
demieprofessor Anton K o 1 i g in Stuttgart,
Alfred Ku bin in Leitmeriß, Akademie-
professor Richard Müller in Dresden, Max
Oppenheimer in Berlin, von dem unter
anderem das große zwischen 1920 und 1923
entstandene Gemälde „Orchester“ gezeigt
wird, Akademieprofessor Emil O r 1 i k in
Berlin, der Radierer Ferdinand Staeger in
München, Akademieprofessor Hugo Stei-
ner-Prag in Berlin, der Bildhauer Franz
B a r w i g in Wien, der Bildhauer Prof. Anton
Hanak in Wien, Akademieprofessor Hugo
Lederer in Berlin, der bekannte, in Wien

deutscher Kunst möglichst in sich abzurunden,
wurden auch Werke verstorbener Künst-
ler, die als die Lebendigsten aus der leßten
Vergangenheit empfunden werden, beige-
bracht. An erster Stelle steht der bereits 1876
verstorbene W. Riedel, — in seiner Land-
schaftskunst ist der wertvollste Beitrag
Böhmens zu der Entwicklung deutscher
Malerei in der zweiten Hälfte des 19. Jahr-
hunderts zu erblicken. Neben der Kollektion

Europäische Plastik
im Hagenbund
Was uns im Wiener „Hagenbund" ge-
boten wird, ist nur ein kleiner Ausschnitt au5
der europäischen Plastik der leßten hundert
Jahre unter Ausschluß der österreichischen,
eingeengt noch durch den Umstand, daß man
sich wohl der Transportspesen halber haupt-
sächlich auf K 1 e i n p 1 a s 1 i k e n beschränkte.
So bietet denn auch die Ausstellung, so be-
merkenswert sie auch im einzelnen ist, kein
einheitlich geschlossenes Bild der neueren
Plastik, wird doch die Plastik der einzelnen
Länder und Künstler sehr ungleich zur An-
schauung gebracht.
Auch die Skulptur Frankreichs ist
nur stiefmütterlich behandelt worden. Denn
wenn auch fast alle berühmten Künstlernamen
vor uns Revue passieren — von Barye,

Schreibkommode — Secretaire
Louis XVI, sig. G. Dester
Ehern. Collection Carl XV. von Schweden
Versteigerung — Vente — Sale:
AktiebolagetH. Bukowskis Konsthandel, Stockholm
18. —19. März 1931
 
Annotationen