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Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Hrsg.]
Die Weltkunst — 5.1931

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Nr. 19 (10. Mai)
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V, Nr. 19 vom 10. Mai 1931

DIE WELTKUNST

3

da brach
Urtrieb
er mit
Objektiv

der menschlich Spiele-
rn ihm durch, da be-
seiner Fertigkeit zu tän-
hafte er bisher das Leben
lediglich mit dem Äußeren

sich die Photographie. Ihr ursprüng-
liches Endziel war ein durchaus t e c h n i -
s c h e s. Eine reine klare Aufnahme ohne
* erzerrungen, eine möglichst getreue Kopie
"er Wirklichkeit galt es zu erreichen. Das
Ziel wurde erreicht Und nun begann sich eine
Fntwicktung anzubahnen, der man als solcher
n°ch zu wenig Beachtung geschenkt hat. Das
Ursprüngliche, jeljt erreichte Ziel dünkte uns
9ar nicht mehr so erhaben, es wurde vielmehr
Zur Basis wieder eines neuen Zieles.
Als sich der Photograph nämlich im Voll-
besiß aller technischen Mittel und Finessen
wu&fe,
nsche
Sann
dein.
bezeichnet, sich lediglich mit dem Äußeren
der Dinge begnügt. Nun begann er hinabzu-
horchen in das Dämmerreich der Natur, nun
drang er über die Oberfläche hinaus, ver-
suchte das Wesentliche, den Kern der Dinge
erfassen. Mit anderen Worten: Der bis-
herige bloße Techniker arbei-
tete jetzt mit den Mitteln des
Künstlers!

Der neue Mensch hatte andere Erlebnisse
bis der frühere. Er sah im Auto abends die
bäume der Chaussee im hellen Scheinwerfer-
acht aufwachsen, gespenstisch heranhuschen
Und hinter dem Wagen wieder in unergründ-
hches Dunkel versinken. Er wollte nun diesen
Eindruck bildhaft gestaltet haben. Und da
Z(;igte es sich, daß der malende Künstler ver-
sagte. Er schuf zeitgemäße Bilder mit einer
unzeitgemäßen (weil vergangenen) Technik,
ihm fehlte der Stil. Aber gerade das, was
dem Maler fehlte, der zeitgebundene Stil, die
‘cchnik des Aktuellen, besaß ja der Photo-
graph. Er hatte sie sich, bevor er künstlerisch
arbeitete, in jahrelangen Übungen zu eigen
bemacht. Er vertiefte sich in diese neuen Le-
henseindrücke, und siehe da, dem Film gelang
es, sie einzufangen. Der neue Stil, nach dem
hie bildende Kunst so lange begierig gesucht
hatte, war gefunden. Der Photograph wurde
der zeitgemäße Sfimmungsmaler, sein stilisti-
scher Entwicklungsvorsprung vor der Malerei
Var zu groß, als daß diese ihn vorläufig zu-
’’ückerobern könnte. Es hat sich eine Entwick-
lung vollzogen, die an Bedeutung und Ähn-
lichkeit etwa mit der Erfindung der Buch-
druckerkunst vergleichbar wäre: Der Uber-
bang von der handarbeitlichen
z,Ur technischen Kunst!

Weltanschaulich zieht diese Erscheinung
den Schlußstrich unter eine vollzogene Ent-
wicklung. Die Kunst hat aufgehört, „erhaben
Und feiertäglich“ zu sein, sie will nicht länger
bis leuchtende Blume abseits vom Wege
blühen. Sie beginnt wieder den so lange ver-
haßten Anschluß an das Leben zu finden.
Erst der Technik konnte es gelingen, die Kunst
Wieder im wahrsten Sinne volkstümlich zu
fachen. Ein Bild wird nur einmal gemalt und
Eann auch nur in den Besiß eines einzigen
Menschen übergehen. Eine Photographie, em
* iIm dagegen kann in derselben Qualität tau-
sendfach reproduziert und so jedem dafür in-
teressierten Menschen zugänglich gemacht
Werden.

Ein ganz ähnliches Verhältnis haben wir
^Wischen Theater und Rundfunk vor uns.
E ’ne theatralische Vorführung muß sich immer
huf einen — örtlich variierenden — Zuschauer-
Meis einstellen. Vielleicht ist das auch ein
Mrund mit, warum es nie zu dem noch vor
einigen Jahren so heftig umstrittenen kultur-
politischen Volkstheater kommen konnte. Dies
Wichtige Erbe tritt nun der Rundfunk an, der
theoretisch allumfassend ist und der dieser
Seiner Bestimmung nach Vollendung der im
bau befindlichen Großsender auch praktisch
c’nen guten Schritt näher kommen wird.

Als drittes Symptom bleibt noch die
Schallplatte, die ein reines Gegenstück
|Um technisch hergestellten Bild bietet. Dem
Sprechmaschinen-Erfinder Edison erging es
ähnlich wie dem ersten Photographen: Er
’eute sich kindlich über Reproduktionsresm-
1Qte, bei deren Anhören uns heute die Haare
Zu Berge stehen würden. Konseguent ging
uje Entwicklung der Schallplatte weiter. Als
■el schwebte die naturgetreue Wiedergabe
'es Tons vor, und als dieses Ziel erreicht
Mr, da erwachte in dem Techniker das
künstlerische Moment. Heute ist es möglich,
cine Beefhovensche Sinfonie, die so unge-
heure Forderungen an den Klangkörper stellt,
H.Us tiefgrabende Spiel einer Konzertorgel,
/■ höre, aufrauschend ans Mystische, gegen-
, artsnah wiederzugeben. Diese Platten,
pren Klänge aus der Weite des Aufnahme-
|.?ums gewaltig brausend in uns eindringen,
lQsen ein ganz eigenes musikalisches Er-
pbffensein aus, wie wir es in dieser Art beim
ßbfen im Konzert nicht empfinden würden.
.as heißt, die Schallplattenmusik ist heute
!ne Kunstart für sich geworden, sie strebt
lcnt mehr danach, Klänge möglichst natur-
getreu einfach zu kopieren, sondern sie sucht
s‘üe eigene Klangfarbe, ein eigenes musikalii-
ches Empfinden hervorzurufen.

Photographie, Film, Rundfunk, Schallplatte,
s’cse Beispiele, auf die ich mich beschränke,
qPü Symptome. Symptome einer Kunst der
I a9enwart. Noch allzu oft wird ihr Stil an
‘scher Stelle gesucht, indem man für zu-
Jbfisträchtig hält, was nur Nachwehen des
tt) Cn Stils in anderer Aufmachung sind. Die
il öderne, zeiterfüllte technische Kunst hat
U® ersten großartigen Erfolge bereits hinter
? "1, sje wjr<j zumindest die nächsten Jahr-
ente kulturell stark beeinflussen.


DER PARISER
„salon^
Von Dr. Friß Neugass, Paris
Die alten Kasfanienbäume der Champs-
Elysees stehen in voller Blüte. Die lange
Reihe der Autos scheint nicht aufzuhören.
Das ganze mondäne Paris ist auf dem Wege
zum Grand-Palais, wo der Präsident

der Republik den „Salon" eröffnet. Fahnen
umrahmen die Portale, Tulpenbeete
schmücken die Auffahrt — und die Laternen-
pfähle sind frisch lackiert. Wie ein Omen für

die Ausstellung warnen an ihnen die kleinen
Schilder: „Prenez Garde! La Peinfurel“, die
den todesmutigen Besucher aber nicht zur
Umkehr verleiten können. Vor dem Hauptein-
gang stauen sich Wagen und Menschen; Zei-
lungsverkäufer bieten dazwischen mit großem
Geschrei die Extra-Ausgabe des salon-offi-
ziösen Blattes „La Peinture" an. Ein doppel-
seitiger Artikel in Fettdruck springt in die
Augen:
„Erleuchtete Kunstfreunde — liest man dort
—, die Ihr diese Ausstellung besucht, in der

die großen Maler und Bildhauer unserer Zeit
vereinigt sind, seid willkommen!“
„Anderswo rasen die Kranken, die von
dem vergiftenden Leiden befallen wurden, das

man Dummheit, Spießerhaftigkeit und Snobis-
mus nennt, jene Kranken, die da glauben, daß
die Kunst von Theorien und Formeln leben
kann . . .“
„Sie haben aus Cezanne einen Gott ge-
macht und haben die Welt lehren wollen, daß
Häßlichkeit Schönheit und Unwissenheit
Wissen bedeutet!“
„Andere Narren haben Utrillo auf den
Schild gehoben!“
„Wir dagegen wollen den Ruhm der
Künstler des ,Salon“ verkünden und ihre Be-
rufung in die Winde
hinausrufen: Chabas,
Forain usw.“ ....
Nachdem der er-
leuchtete Kunstfreund
eine Reihe fremder
Namen gelesen hat,
die vielleicht seinen
Ahnen bei der Lektüre
von Pariser Kunst-
berichfen gelegentlich
begegnet waren, dringt
er bis in die große
Halle des Palais vor.
Der unerträgliche
Jugendstil der Jahr-
hundertwende erdrückt
und überwältigt ihn.
Aus dem Restaurant
im Hintergründe erklin-
gen die Weisen des
Hausorchesters her-
über, dessen veraltete
Schlager in diesem
Milieu noch hyper-
modern wirken.
Auf dem Sandboden,
der noch vor wenigen
Tagen der Schauplaß
von Pferderennen war,
haben heute die gro-
ßen Skulpturen
ihren Plaß gefunden:
Kriegerdenkmäler,
Totenmonumente, Rei-
terbildnisse, Heilige
und kirchliche Würden-
träger, Göttinnen und
Nymphen recken dort
ihre gipsernen Körper.
Alles, was die leßten
50 Jahre an Kitsch er-
zeugten, ist hier vereinigt und potenziert.
Kein Hauch von künstlerischem Wollen, kein
Schimmer von dem ernsten Ringen um die
Probleme unserer Zeit. Die Verkalkung der
Akademie — diese internationale Krankheit
unseres Jahrhunderts — hat sich durch eine zu
diesem Zweck ungemein geschickt gewählte
Jury vor dem Eindringen aller lebendigen
Kräfte zu schößen gewußt.
Uber die Bilder ist nichts besseres zu
sagen. Die annähernd 7000 Werke, die der
Katalog des 144. Salons verzeichnet, genügen
nicht, die Lebensberechtigung dieser Aus-
stellung zu beweisen, an der die Mitglieder
aber selbst das größte Interesse haben.
Der moderne Kunsthandel hat sich fast soli-
darisch gegen den „Vertrieb“ ihrer Werke er-
klärt, — so bleibt denn diesen Künstlern nur
noch der Salon mit seinem anspruchslosen
Publikum zur Wahrnehmung ihrer wirtschaft-
lichen und — künstlerischen Interessen.
Das Schloß
in Madrid
als Museum
So wie bei uns das früher kaiserliche
Schloß, das Kronprinzenpalais und andere
Schlösser nach der Revolution zu Museen um-
gestaltet wurden, soll nun auch in Madrid,
nachdem der Herrscher das Land verlassen
hat, aus dem königlichen Palast ein Museum
gemacht werden. Aber welche Kunstwerke
wird der Palacio Real wohl künftig beher-
bergen? Welche Sammlungen werden am
zweckmäßigsten ihren augenblicklichen Auf-
bewahrungsort mit den verlassenen könig-
lichen Wohnräumen vertauschen?
Um ihrer Inneneinrichtung selbst
willen dürften wohl nur wenige Räume gezeigt
werden können. Der gewaltige Prunkbau aus
der Mitte des 18. Jahrhunderts, dessen Anlage,
Ornamentik und Material dem Wunsche nach
überladener Pracht unterworfen wurden, bietet
in den Innenräumen nichts, was sonderlich zur
Besichtigung reizt. Möglicherweise wird man
den Thronsaal mit dem Deckengemälde von
Tiepolo nicht als Aussfellungssaal benußen,
sondern unverändert lassen. Aber auch wenn
die berühmte Gobelinsammlung, die
noch von Karl V. her sich im Schlosse befin-
det, in einigen Sälen jeßt dem Publikum zu-
gänglich gemacht wird, bleibt noch immer in
dem Riesenbau, der die berühmte Armeria
schon lange birgt, genügend Plaß für andere
Aussfellungszwecke übrig.
Einen Teil der Gemälde aus den oberen
Stockwerken des Prado in den Palacio Real
zu überführen, wird kaum in Frage kommen.
Die Gemälde sind in einzigartiger, wenn auch
nicht idealer Weise untergebrachi. Der
Eindruck, den der Besucher beim Betreten des
Museums empfängt, ist ein so gewaltiger, daß
(Fortsetzung auf Seite 9)

LONDON
CHRISTIE, MANSON & WOODS
geben hiermit bekannt, daß am
DONNERSTAG, DEN 11.JUNI 1931
in ihren Räumlichkeiten in
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LONDON
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P. Cassirer, H. Helbing, Frederik Muller & Co., München, 16.—19. Juni 1931

. „ GALERIE E. A. FLEISCHMANN

GEGRÜNDET 1806

MÜNCHEN * MAXIMILIANSTRASSE1
 
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