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Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Hrsg.]
Die Weltkunst — 5.1931

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Nr. 20 (17. Mai)
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10

DIE WELTKUNST



(Fortsetzung von S. 3)
mit Preisgabe der Weiträumigkeit früherer
Wohnungen, die wichtig genug war, zu teuer
erkauft wird.
Treten wir einen sprunghaften Rund-
gang an mit dem kühnen Vorhaben, das Ge-
sicht des einzelnen Raumes, der einzelnen
,Wohnung im erstem Eindruck zu erfassen.
Der bei weitem eindriuckvollste Bau der Ab-
teilung ist das Erdgeschoßwohnhaus von Mies
van der Rohe, das sich flach hinlagert,
trennende Wände nach Möglichkeit vermeidet
und dadurch die einzelnen Räume in konti-
nuierlichen Fluß und in unmittelbare Verbin-
dung mit dem Garten, mit der Terrasse, mit
dem Draußen bringt. Statt Addition kasten-
förmiger Einzelräume ein Gesamtraum,, von
äugen durch große Glasflächen erhellt, innen
durch richtunggebende und ein ganz neues
Raum- und Lebensgefühl erzeugende Scheide-
wände gegliedert. Wer hier wohnt, hat den
Süden zu Hause. — Bei den Wohnungen von
Hilbersheimer, seltsamerweise auch bei
denen des Dessauer Bauhauses, er-
hebt sich die Frage, ob man der breiten
Masse denn unbedingt ein kleinliches, ja
spießiges Milieu geben muß. Warum Ge-
wohntes bieten, wo doch die Möglichkeit be-
steht, daß Menschen sich in Ungewohntes,
Besseres umgewöhnen? Übrigens haut das
Bauhaus in den allzu grellen Farben der
Wände oft daneben. Unerträglich auch die
rote Wandfläche in der sonst so netten Woh-
nung von Gutkind. Anständige Lösungen
bringen die Wohnungen von Richtenberg
und F i e g e 1. Ausgezeichnet das Boarding-
haus von Albert und Reich mit Einzel-
und Gemeinschaftsräumen — schöner als
manche Berliner Rheinterrasse das Cafe mit
Bar und anschließender Terrasse mit niedriger
Brüstung und genießerisch-flotten Stroh-
sesseln. Eine gute Lehr- und Arbeitssfim-
mung erfüllt den Seminarraum. Im sonst
recht gelungenen Studentenzimmer kommt
das Ruhebett besser weg als der Schreibtisch,
der doch wohl als eigentliche Tätigkeitsstätte
gedacht ist. Die Grausamkeit der Folter-
instrumente in den beiden zahnärztlichen Be-
handlungsräumen wird durch technisch-phan-
tastische Reize gemildert und weckt Ver-
trauen zur Zahnheilkunde. Der Sport- und
Baderaum könnte selbst einen Kunsthistoriker
zur Gymnastik verführen. Der Musiksaäl mit
Orgel und amphitheafralischen Sißreihem wirkt
gesammelt und überzeugend. Weniger trifft
das auf den von Kandinsky entworfenen
Musikraum zu, der in der Farbe und den ab-
strakten Figuren der Wände verfehlt ist; auch
sollen die ihn verkleidenden KeranvkplaHen
akustisch nicht einwandfrei sein. Unterkunfts-
räume für Wachtmeister und Gemeinschafts-
zellen für Gefangene unterrichten über er-
strebten Komfort in der Kriminalwelt. Die
doppelten Tischplatten scheinen als Ablage
für das fünfte Aß beim Kartenspiel gedacht
zu sein. Dr. K. K u s e n b e r g

Ausstellungen

Große Berliner
Das hübsche Schlößchen Bellevue hätte es
sich einst gewiß nicht träumen lassen, später
einmal solch kuriosen Inhalt zu bergen. Der
Blick des Besuchers irrt auch immer wieder
weg von den behängten Wänden, die ihm
nichts zu sagen haben, zu den Fenstern hin-
aus in das frische Grün der Gartenanlagen.
Die friedliebende Stimmung, die ihn beim
Durchschreiten des Hofes überkommen hat,
verfliegt sehr rasch. Da hier doch Zufällige
und Viele, Alte und Junge, ausstellen, hatte
man immerhin gehofft, ein Zipfelchen Kunst
zu entdecken, ein Talent aufzustöbern, auf
das hinzuweisen sich verlohnte. Nichts der-
gleichen. Die Ausstellung zeigt dasselbe
Sammelsurium wie die vorangegangene, nur
um einige Grade schlechter. Es hat keinen
Zweck, diesen oder jenen zu nennen, der
sich um Einiges über das Gesamtniveau er-
hebt, denn die Folie, die ihm Kontur verleiht,
ist nicht diskutabel. Diese Ausstellung hat
das Malheur gehabt, infolge der durch Döb-
lins Anstoß geschaffenen, hyperkritischen
Stimmung in der Beurteilung besonders
schlecht abzuschneiden. Die aus jahrelanger
Lauheit aufgescheuchte Kritik ist jeßt plöß-
lich unerbittlich geworden. Schlimmer als
andere ist diese Schau eigentlich auch nicht,
und darauf kommt es auch gar nicht an, son-
dern darauf, daß die Malerei sich nun endlich
besinnt, Selbstdisziplin übt und Besseres
leistet.
Jury fr eie
Das Haus zeigt die fünfte Reihe der an
sich recht verdienstvollen Sonderausstellun-
gen, welche die verschiedenartigsten Begabun-
gen zu Wort kommen lassen. Die Gobelins
von Johanna Schüß-Wolff, die den größ-
ten Saal füllen und auch diesem entwachsen,
sind formal und farbig geschickt und ange-
nehm. Der Betrachter fühlt sich sonderbar und
kleinwinzig vor diesen Mammutfiguren und
sympathisiert legten Endes mit ihrer fried-
lichen Existenz. Den schwachen Bildern von
Paul Dobers sind seine auf wenige, elegant
spielende Linien vereinfachte Zeichnungen
vorzuziehen, die einen ausgesprochen kunst-
gewerblich-modischen Einschlag zeigen. Al-
fred Stuller zieht die stärksten Register,
wobei ihm leider Verwechslung von Format
mit Monumentalität unterläuft. Hanna Nagel
erzählt in einer gezeichneten Folge hübsch
und märchenhaft ihre Selbstbiographie. Die
Entwürfe von G. G ö r r e s zu der katholischen

Notkirche in Lichterfelde-Ost und der Kirche
Großbeeren zeigen schöne Holzkonstruktionen
und eine sympathisch puristische Haltung, die
dem religiösen Zweck gut entspricht. K.
Jean Lurcat
Am 16. Mai eröffnete die Galerie Flecht-
heim eine Ausstellung von Werken des
Pariser Malers Jean Lurcat. Zur gleichen
Zeit wird die zentralasia tische No-
madenkunst gezeigt, über deren Aus¬

kopfs Entwicklung mehr und mehr zu einer
rein farbigen Behandlung der Fläche geht.
Seine starke künstlerische Vitalität dringt
über die Gebundenheit am Gegenständlichen,
über den Kontur hinaus und läßt die Farbe
in breiten kräftigen Pinselslrichen fließen.
Was vorläufig noch fehlt, ist eine stärkere
Synthese dieser farbigen Gestaltung, die
starke künstlerische Gesinnung, die sich nicht
in Stilleben und Landschaften erschöpft, son-
dern zu einer visionären Gestaltungsweise
vordringk Krauskopf hat zweifellos die Mittel,
die den begabten Künstler ausmachen. Aber


Nürnberger Malerei
1350-1450

Das Germanische Museum ’f1
Nürnberg veranstaltet in den Monaten JUI1*'
Juli und August dieses Jahres eine Ausstellung
Nürnberger Malerei von 1350—1450. Die Au5'
Stellung will durch eine vorübergehende Ver'
einigung der Arbeiten dieser Epoche nicht f>ur
das reiche künstlerische Leben dieser Zeit 111
Nürnberg vor Augen führen, sondern auch d‘e
bisher noch vielfach unsicher beurteilte En*'
Wicklung der Nürnberger Malerei dieser Z61t
klarzulegen und die wissenschaftlich6
Forschung darüber auf einen neuen Boden
stellen versuchen. Die Ausstellung reicht ef*a
bis zum Auftreten Pleydenwurffs ‘n
Nürnberg, hört also dort auf, wo die Dürci'
Ausstellung begann. Besonderes Interesse
verdient die wenig beachtete Kunst der
zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, die in deIt*
Altar von Sf. Jakob in Nürnberg ihren Höhe'
punkt erreicht. Dieses Hauptwerk deutscher
Malerei jener Zeit ist bisher fast gänzlich un'
bekannt geblieben, woran vor allem d’6
barocke Übermalung schuld war. Die &e'
sucher der Ausstellung werden diesen Altar 1(1
einem ganz neuen Aussehen vorfinden, wenn
auch leider die Verständnislosigkeit früherer
Zeiten schwere Wunden geschlagen hat.
verschiedenen Nürnberger Werkstätten, di6
dann in der Zeit von 1400—1450 den Bedarf
kirchlichen Kultbildern versorgten, werden ver'
suchsweise nach neuen Gesichtspunkten gruP'
piert werden. Auch aus diesem Zeitraum wer'
den Altäre aus der Umgegend erscheinen, d’6
selbst den Spezialisten auf diesem Gebi6
bisher entgangen sind. Die Ausstellung
schließt mit dem für Nürnberg wichtigst11
Künstler der ersten Hälfte des 15. Jahrhundert5'
dem Meister des Tucheraltars in der Frauen'
kirche.

Jean Lurpat: Akropolis, 1927
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
Galerie Alfred Flechtheim, Berlin

Stellung in der Galerie de la Nouvelle Revue
Frangaise, Paris, in Nr. 11 der „Weltkunst"
berichtet worden ist.
Bruno Krauskopf
Deutsche B u c h g e m e i n s c h a f t
Die A g u a r e 11 e und Tempera-
gemälde, die die Deutsche Buchgemein-
schaft, Berlin, ausstellt, bestätigen den Ein-
druck, den schon die Gemälde der legten
Sezessionsausstellung gaben: daß Kraus-

man spürt, wie er mit den visuellen Dingen
auf der Fläche gewissermaßen jongliert, wie
die Vitalität seiner Farben zwangsläufig über
das Impressionistische hinausschießt und die
Fläche in wogende Unruhe verseßt, weil das
zentrale Erlebnis fehlt, dem diese Vitalität
sich unierordnen, die diese über und um die
Dinge schwingenden Farben organisieren
könnte. Wenn Krauskopf die künstlerische
Krisis, in. der er sich damit befindet, überwin-
den will, so muß er diese Kraft des zentralen
geistigen Erlebnisses sich gewinnen, die nur
aus dem rein Menschlichen schlechthin er-
wachsen kann. W. Goldschmidt

Engi. u. franz. Bilder
aus rheinischem' Privatbesif2

Die Galerie Walter W e s t f e 1 d , WupPerf
fal -Elberfeld, zeigt in den Monaten Ma’'
Juni und Juli d.J. eine Sonderausstellung v°'
Werken älterer englischer und französisch6’
Malerei aus rheinischem Privafbesiß, U-
von Bonheur, Constable, Corot, Courb6’’
Dauibigny, Diaz, Dupre, Gainsborough, ö’V
din, Hervier, Ch. Jaques, Georges Mich6*'
Morland, Troyon, James Stark, Wilson u. a-II1'
In anderen Räumen der Galerie werd6
Einzelwerke deutscher Malerei gezeigt, "!.
Arbeiten von Sperl, Thoma, Spißweg, SchV6'1’
Schreyer, Zügel u. a. m.

Alfred Kubin

Entdeckung des Zeichners Karl Wimbauer

Mit dreiunddreißig Jahren ist Kar] Wim-
bauer, der Sohn eines Münchner Kaminkehrer-
meisters, unerkannt 1929 gestorben. Als
Zeichnungen von ihm bei den Juryfreien in
München vor Jahren ausgestellt waren, hatten
sie nicht die Beachtung gefunden, die sie ver-
dient hätten. Erst die gegenwärtige Aus-
stellung der Arbeiten Wiimbauers (Abbildung
unten), die dank der Sorge Franz Rohs
nun fast zwei Jahre nach seinem frühen
Tode im Graphischen Kabinett J. B.
Neumann & Gün¬
ther Franke zu-
standegekommen ist,
entdeckt diesen Zeichner
von ungewöhnlicher Ge¬
staltungskraft und ab¬
soluter Originalität der
deutschen Kunstwelt.
Wimbauers Leben
war erfüllt von Krank¬
heit, Elend, Verzweif¬
lung und voller Ent¬
täuschungen. In dem
zur Ausstellung er¬
schienenen Nachruf be¬
richtet Franz Roh von
Störungen, die Wim-
bauer in frühem Kindes¬
alter fast die Sprache
nahmen, von dem har¬
ten Kriegsdienst, der
seinen zarten, kränk-
lichen Körper fast zer¬
brach und aus dem ihn
ein Granatsplitter er¬
löste, von dem schweren
Lungenleiden, das sich
im Dienst bei Reichs¬
wehr und Landespoli¬
zei verschlimmert hatte,
von Krämpfen und
Verzweiflungsanfällen.
Zweimal hatte sich
Wimbauer bei der Mün-
chener Akademie ver¬
geblich um Aufnahme
bemüht. Bei Persön-
lichkeiten des Münch¬
ner Kunstlebens, an die
er eine Annäherung
versuchte, hat er meist
nicht die erhoffte Teil¬
nahme gefunden. Kurz vor seinem Tode ist
Wimbauer durch holländische Freunde nach
Scheveningen und darauf für kurze Zeit auch
nach Paris gekommen.
Die Bitternisse dieses Lebens werfen ihre
Schatten auf das ganz auf die Zeichnung ein-
geschränkte Werk, das Wimbauer hinterlassen
hat. Die Zeichnungen bekunden ein düstere
Lebenseinsicht, eine abgründige Neigung zum
Phantomatischen und Chimärischen. Die
Formen der Wirklichkeit wurden diesem dem
Hintersinn des Lebens nachspürenden Men-

schen zu geheimen Zeichen; seine Bildnisse
transzendieren die Grenze der Karikatur, sie
greifen ins Mysteriöse hinüber; Landschaften
verfangen sich ihm zu gespenstigen Geschich-
ten. Ensor, Kubin, Klee mögen anregend ge-
wirkt haben. Es liegt eine gewisse seelische
Verwandtschaft vor, keine eigentliche Ab-
hängigkeit. Wimbauer hat eine eigene
Formenwelt geschaffen; die früheren Blätter
lassen eine Unsicherheit, Beklommenheit, ein
Schwanken in der Verwendung der Bildmittel

erkennen, dann aber ist eine schöne Freiheit
und Sicherheit gewonnen, vor allem in den
farbig reichen Landschaften von Scheveningen,
die die stärksten Eindrücke vermitteln. Das
Gespenstige der Zeichnungen liegt nicht so
sehr im Gegenständlichen als in der beson-
deren Kultur der Bildmilfel: in der phantasie-
vollen strukturalen Umseßung des Zuständ-
lichen. Mit Wimbauer hat München eine seiner
stärksten Begabungen verloren.
Hans Eckstein

O. N i r e n s t e i n gibt in der „Neu6
Galerie“ einen Überblick über Kubins Schaff6
in der Nachkriegszeit. 150 Bläffer, Aquarell6’
Federzeichnungen, Lithographien. Daruni6
Gesichte eines von seiner Kunst Besessen6’’
deren Dämonie das Innerste des Beschau6’^
aufwühlt. So das erschütternde Bild des st6rx
benden Dichters, die Unheimlichkeit der Tesfa,
mentszene, oder die schauerliche Grotesk6'
„Tod, ein Weib entführend". 'Daneben freih6^
manches, das — meist wohl, wie die TrisM”
Serie, im Zusammenhang mit einem a6 ,
Künstler nicht immer liegenden Stoff — el
Nachlassen der Phantasie und darstellerisch6

5 (7
Kraft zeigt. Ähnlich dem einst von Kubjn
meisterlich illustrierten Werk des ihm flei5\ek
verwandten E. A. Poe, wo sich zutiefst Ergy^,
fendes neben Nichtigem findet. St. Pz
Allgemeine Unabhängige
Ausstellung
Am 13. Mai ist in der Festhalle des Ä,,
Templiner See gelegenen Luftsch1
hafens Potsdam die Allgemeine Un
hängige Ausstellung eröffnet worden.

Karl Wimbauer, Vorstadtgarten, Zeichnung
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
I. B. Neumann u. Guenther Franke, München
 
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