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Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Hrsg.]
Die Weltkunst — 5.1931

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Nr. 28 (12. Juli)]
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2

DIE WELTKUNST

Jahrg. V, Nr. 28 vom 12. Juli

deutsche Biederkeit kleinstädtischer oder
ländlicher Färbung, oder auf der anderen Seite
die Problematik klassenkämpferischer Ideale.
Auf beiden Seiten ist das Fragwürdige klar:
die mangelnde Weite des Blicks und die man-
gelnde Humanität. Was übrig bleibt, ist — ab-
gesehen von formalem Feinschmeckertum und
ganz vereinzelten Ausnahmeerscheinungen —
das breite Feld des Angenehmen und Ver-
gnüglichen. Auf diesem Niveau aber entfällt
dann gerade das Wichtigste des menschlichen
Lebens: das Erlebnis seiner Tiefe in Span-
nung und Dramatik, — die Bewußtheit um die
tiefe Verflochtenheit mit der widerspruchsvollen
Problematik des Daseins. Einer solchen Kunst
aber, die nicht auch den Kampf um die
innerste Lebenshaltung widerspiegelt, tritt
nicht mit Unrecht eine allgemeine Gleichgül-
tigkeit gegenüber. Denn es kommt keines¬

wegs darauf an, daß überhaupt gemalt werde,
sondern darauf, daß Werke entstehen, die in
jeder Hinsicht qualitätvoll sind, d. h. nicht
nur malerisch und bildnerisch, sondern auch
allgemein menschlich auf der Höhe stehen.
Übersieht man die Situation, -in welcher der
deutsche Künstler der Gegenwart arbeiten
muß: in innerer Beziehung ohne Rückhalt in
einer allgemein verpflichtenden Weltauffas-
sung produktiver Art und in äußerer Be-
ziehung ohne Rückhalt im Publikum und
Kunsthandel, so ergibt sich eine Lage, die
alles andere denn erfreulich ist. Das Tröst-
liche ist der ungeheuere Mut, mit dem das
Wagnis, auf so unsicherem Boden zu existie-
ren und zu schaffen, durchgehalten wird, —
ein Mut, dem erst die Zukunft volle Anerken-
nung wird zollen können.
E. v. S y d o w

Italienische Gemälde

in amerikanischen Sammlungen

Als Ergebnis einer amerikanischen Studien-
reise und langjähriger Forschungen, deren
Vorarbeiten teilweise in italienischen Kunst-
zeitschriften veröffentlicht wurden, legt der
italienische Kunstgelehrfe Lionello Ven-
turi, Professor an der Turiner Universität,
einen voluminösen Prachtband vor, der die
kunstgeschichtlich wesentlichsten Werke der
italienischen Malerei des 13.—18. Jahrhunderts
in privaten und öffentlichen Sammlungen

Amerikas in großen, hervorragend klaren
ganzseitigen Abbildungen wiedergibt1). Der

i) Lionello Venturi: „Pit tu re i t a -
liane in America“. Kl.-Fol., XXII S. u.
438 Tafeln. Verlag Ulrico H o e p 1 i , Mai-
land. 1931 (Preis Lit. 1200.—). Auflage: 425 nume-
rierte Exemplare.

Inhalt Nr. 28
Dr. E. v. 8 y <1 o w :
Der Künstler in unserer Zeit.1/2
Italienische Gemälde in amerikanischen Samm-
lungen (m. 2 Abb.).2
Dr. Th. M u c h a 11 - V i e b r o o k , München:
Die wissenschaftliche Werkstätte des Maxi¬
milians-Museums in Augsburg.2/3
Afrikanische Negerkunst, Paris (m. Abb.) . . 3
Waldemar George:
Ursprung einer Krise.3,7
Auktionsvorberichte..4
Auktionsnachberichte (m. 2 Abb.).4
Ausstellungskalender.4
Auktionskalender .5
Literatur, Kunst im Rundfunk.6
Preisberichte .. ß
Ausstellungen:
Napoleon Bibliothek, Brasilianische Malerin
in Moskau (m. Abb.).7
H. W. Ehrngruber, Nürnberg:
Heinrich Nüsslein (m. 2 Abb.).7
Nachrichten von Überall.8
Unter Kollegen .8

Verlag Ulrico Hoepli haf dem vornehm aus-
gestatteten Bande ein drucktechnisch so ein-
wandfreies Gewand geliehen, daß das Werk
nicht nur seines wissenschaftlichen Wertes
wegen, sondern auch vom bibliophilen Stand-
punkt aus zu den Meisterleistungen der
neueren Buchproduktion gerechnet werden
kann.
Die Auswahl von 438 Gemälden, die Venturi
getroffen haf, ist in vieler Hinsicht beachtens¬
wert. Einmal ist mit
großer Kennerschaft
alles entfernt Zweifel-
hafte beiseite gelassen
worden, zum anderen
wurde besonderer Wert
darauf gelegt, mög-
lichst viel unbekanntes
Material zutage zu
fördern- und vor allem
auch kleinere, kunst-
geschichtlich noch we-
niger erfaßte Künstler
auf Kosten der bereits
vielfach publizierten
„Meis-ierwerke“ans Licht
zu ziehen. So entsteht
zwar, bedingt durch den
überreichen amerikani-
schen Besiß, eine bei-
nahe lückenlos fort-
laufende Übersicht über
600 Jahre italienischer
Malerei, daneben- aber
auch eine Reihe von
Einzelstudien, die in den
Begleittexten zu den
Bildern niedergelegt
sind und manches neue
Forschungsergebnis in
Zuschreibungsfragen
und allgemein künst-
lerischen Problemen
vermitteln.
In der Einleitung skiz-
ziert der Verfasser
in trefflicher Knappheit
die Psychologie des
amerikanischen Samm-
lers und di-e Stellung
der Kunst und Kunst-
wissenschaft im ameri-
kanischen Geistesleben
und Erziehungswesen.
Manches- europäische
Vorurteil wird gründlich
widerlegt -und das
positive, schöpferische
Moment dieser Samm-
lerleistungi, für die das
Werk Venturis einen
schlagenden Beweis
liefert, in- den Vorder-
grund gerückt.
Beachtenswert ist, wie stark die Frühzeit
der Malerei, das 13. und 14. Jahrhundert sowie
die noch gotisierenden Meister des Quattro-
cento in den großen Sammlungen vertreten
ist, wie starken Anklang aus diesen Epochen
gerade auch das religiöse Andachtsbild mit
Passio-n-s-, Heiligen- und Marterszenen ge-
funden hat, während Hochrenaissance und
Barock, repräsentiert durch auffallend wenige
Individualitäten, beinahe nur durch die Reihe
meisterhafter Porträts erglänzen. Und aus
der Frühzeit ist es vor allem die sienesische
Schule mit den Duccio-Tafeln der s-ieneser
Maesfä (Slg. Frick, Mackay, Rockefeiler), mit
der Reibe der Simone Martini, Lippo Memmi,
Lorenr-etti, Barna, Lippo Vanni, Sassetta, Gio-
vanni di Paolo und Matteo di Giovanni, deren
Geschichte ohne diese einzigartigen ameri-
kanischen Bestände heute nicht mehr zu er-
fassen- ist. Aus dieser Zeit -fehlt- kein Meister-
name. Das Florentiner Quattrocento s-eßt mit
acht Tafeln von Fra Angelico, der berühmten
Verkündigung und Kreuzigung von Masolino
ein und reicht über die Serie der Profilbild-
nisse von Uccello (Abbildung oben),
mehrere Werke von Piero della Francesca,
Casfagno (Abbildung oben), Baldovineffi,
Fra Filippo Lipp-i bis zu den Pollajuoli,
Botticelli, Filippino Lippi, den berühmten
Bildnissen Ghirlan-dajos, Mainardis und
Lorenzo di Cre-dis.


Paolo

Holz — Bois — Panel,
Aus: Lionello
V erlag

Uccello, Portrait Battista Sforza
58:38 cm — Collection Philip Lehman, New York
Venturi, Pitture italiane in America
Ulrico Hoepli, Mailand, 1931

Unter den Venezianern sind eine Reihe
wichtiger Entdeckungen zu verbuchen. Von
Jacopo Bellini fand der Verfasser in der Slg.
J. I. Strauß in New York eine Madonna; dem-
selben Meister schreibt er das bisher Cossa
oder Tura genannte männliche Profilbildnis
des Metropolitan Museum zu. Außer der be-
kannten Judith Manf-egnas kann dem Oeuvre
dieses Meisters als
Frühwerk ein stilistisch
interessanter büßender
Hieronymus eingereiht
werden. Carlo Crivelli
ist auffallend stark
vertreten: das wichtig-
ste Stück ist vielleicht
das einzig bekannte
Bildnis (Slg. Mackay),
das sich früher im Goti-
schen Haus in Woerliß
befand und hier u. W.
zum erstenmal repro¬
duziert ist. In der Zu¬
schreibungsfrage der
Männerbildnisse Anto-
nello da Messina —
Giovanni Bellini seßt
sich Venturi vor allem
bei den Porträts der
Sammlungen Bache un-d
Duveen, entgegen Gro¬
nau und Berenson-, für
die Zuschreibung an
Antonello ein und gibt
das von Gronau dem
Giovanni zugewiesene
Colleoni-Bildnis dem
Genfile Bellini, womit
ein immerhin gangbarer
Weg für das Dilemna
der Portät-Zuschrei-
bungen gewiesen er¬
scheint. Von Giovanni
Bellini werden nicht
weniger als vierzehn
Werke angeführt, dar¬
unter Hauptstücke wie
die späte D-efroiter
Madonna und das Bac¬
chanal der Sammlung
Widener.
Die Hochrenaissance:
Raffael und Tizian bil¬
den hier zahlenmäßig
den Höhepunkt, ersterer
mit der „großen Ma¬
donna Cowper“ und
dem Medici - Bildnis,
leßterer mit einer Reihe
repräsentativer Por¬
träts. Im übrigen sind
hier, sehen wir von
einigen Glanzstücken
wie Bron-zinos Bildnis

Armida“-Folge Tiepolos im Art Institute |!1
Chicago. .
Dieser Überblick möge nur die Vielseitiy
keif des Venfurischen Werkes kennzeichne j
ohne an die vielen wissenschaftlichen- Prf,
bl-eme zu rühren, die diese erstaunlich
Forschungsarbeit aufgibt, oder Kritik zu übe^
an den Zuschreibungen, die nie in expertisen


Andrea del Castagno, David
Leder / Cuir / Leather, 114:81/43 cm — Collection Widener Philadelp0
Aus: Lionello Venturi, Pitture italiane in America
Verlag Ulrico Hoepli, Mailand, 1931

des Francesco de’ Me¬
dici (Frick), einigen Porträts von Bartolommeo
Veneto, Sebastiano del Piombo, Moroni und
Tintoretto ab, die großen Qualitäten be-
deutend dünner gesät als in der Frühzeit. In
hellstem Glanze erstrahlt nochmals die
venezianische Malerei mit einigen großen
mythologischen Gemälden Veroneses und der
unbeschreiblich schönen „Rinaldo und

haft kurzer Form gemacht werden, son/E^
unter vollständiger Angabe gegenteihh
Meinungen knapp, aber präzis begründet s* f
Für die weitere Entwicklung der italienisd1^
Kunstforschung bedeutet Venturis Arbeit
Standardwerk von bleibendem wissensch3
liehen Wert. n
w.p-

Die wissenschaftliche Werkstätte

des Maximiliansmuseums in Augsburg
Von

Dr. Thomas Muchall-Viebrook, München

Das städtische Maximiliansmuseum in
Augsburg hat durch seinen umsichtigen und
tatkräftigen Leiter, Hauptkonservator Ludwig
Ohlenroth, eine im vorigen Jahre beendete
durchgreifende Umordnung und Neuauf-
stellung seiner prächtigen und vielseitigen
Sammlungen, begleitet von einigen baulichen
Veränderungen, wie Einfügung einer neuen
Treppe, erfahren. Gleichzeitig ist ein neuer
kleiner Führer, der ganz knapp über die in
37 Räume verteilten Bestände orientiert, er-
schienen. Neben diesen sichtbaren musealen
Verbesserungen ist aber in aller Stille noch
em weiteres Projekt in den lebten Jahren in
außerordentlich glücklicher Weise heran-
gereift: Ohlenroth und sein rühriger Mit-
arbeiter Albert Hämmerle, der sich durch
eine Reihe archivalischer und kunstgeschicht-
licher Forschungen vorwiegend zur Augs-
burger Graphik des 17. und 18. Jahrhunderts
(meistens in der von Ohlenroth redigierten,
reich illustrierten Zeitschrift „Schwäbisches
Museum“, Verlag Haas & Grabherr, Augsburg,
veröffentlicht) einen guten Namen gemacht
hat, gewannen die richtige Erkenntnis, d-aß die
Ziele eines derartigen historischen
Stadt museums nicht mit dem bloßen
Aufgestellfs-ein vorhandenen oder neu zu-
gehenden Besißes und mit Verwaltungsauf-
gaben erledigt sind, daß es vielmehr gilt, den
Sammlungsbeständen -ein wissenschaftliches
Fundament zu geben. So haben die beiden
Genannten in den leßten drei bis vier Jahren
einen imponierenden wissenschaftlichen Ar-
beitsapparat in der Form einer Kartei, be-
gleitet von einer reichen Abbildersammlung,
geschaffen, die nicht nur die kunst- und
kulturgeschichtliche Bedeutung der Museums-
objekte von den Römerzeiten bis ins 19. Jahr¬

nußbar macht u(!(i
' - ‘ , d U
einer in steigenfig,
AuskunftssE f

hundert wissenschaftlich
einem größeren Rahmen eingliederf, sond^’f
weit hierüber hinaus zu einer in steige"^,
Ausdehnung begriffenen AuskunftssE1.^
einem Zentralarchiv geworden ist.
werden alle Probleme und Objekte der ,
samten Kunst- und Kulturgeschichte der r
rühmten alten Reichsstadt einbezogen. DE
ganze Apparat ist seit einem halben Jahree(./
oberen Stock des Turmbaues des neu
richteten Sfadfmarktkomplexes in dem in ud
eines graphischen Kabinetts geräumigen 3 ,
lichten Studiensaal, der auch die reichen
stände des Museums an Augsburger Orig13 <p
Zeichnungen und Graphik (die für das v-r
deutsche 18. Jahrhundert überaus w'cdLr/
frühere Sammlung Rohrer) beherbergt, unuk
gebracht. Erst seitdem konnte er für die 'v|1.
gemeinheit wirklich nußbar gemacht wer efi
In die systematische Disponierung des ries1^
„Zettelkataloges“ mit subtil geglieder
Unterabteilungen, die jede wieder eine 'v*sS gIi
schaftliche Sammelaufgabe für sich ist, h33gf
sich Ohlenroth und Hämmerle geteilt. ErsE^d
bearbeitete Stoff und Literatur des vor',
frühgeschichtlichen, sowie des römlSa|[e
archäologischen Gebietes, leßterer -e5e
späteren Epochen. Heute umfaßt d’|ltu
wissenschaftliche Kartothek aller „AugusU^fl
fragen“ bereits 90 000 Einzelnachweise,
Abbildungen, 6000 photographische P'pa5
600 Diapositive und 800 Klischees, ^jti
Augsburger Max imilian smu
steht damit wohl einzigartig an der
aller ähnlichen Heimatmuseen Dem5^/
lands. über das lokale Interesse hinaus j(
deutet diese in stiller und mühsamer 7 -f/
vollzogene Anlage für die deutsche *^^1?
und Kulturgeschichtsforschung, wo And5

GEGRÜNDET 1806

GALERIE E.A. FLEISCHMANN

GEGRÜNDET iS°ä

MÜNCHEN • MAXIMILIANSTRASSE 1
 
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