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26. JULI 1931

V. JAHRGANG, Nr. 30

D I E


ARTo/rffWORLD

ILLUSTRIERTE WOCHENSCHRIFT

NST
LMONDE*AKTS
I^AS INTERNATIONALE ZENTRALORGAN FÜR KUNST / BUCH / ALLE SAMMELGEBIETE UND IHREN MARKT

WERTHEIM : DAS BIBLOG RAPHI KON
Berlin w 9. leipiiser str. Alte Graphik Seltene Bücher Moderne Kunst

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Bisheriger Titel:
Redaktion, Verlag und Lesesaal:
Berlin W62, Kurfürstenstr. 76-77 • Tel. B 5 Barbarossa 7228
Herausgeber Dr. J. I. von Saxe

Ve/en Sonntag ™ Weltkunst-Verlag, G.m.b.H.,
Wt ’ ^urfurstenstr- K-11. Telegramm-Adresse: «Weltkunst Berlin»,
fceri- w’äo D™tsche Bank u- Disconto-Gesellschaft, Depositen - Kasse M,
Öag111 iacc ’ urfürstenstr. 115. Postscheckkonti: Berlin 118054; Den
LlRrqpn £aris 118732 ; Pras 592 83; Wien 114783; Zürich 8159
BÜRO: 5, rue Cambon, Paris Ier, Telephone: Louvre 4444


Ascona, Monte Verita

ZU-

'MpRESSIONISTEN

NEW-YORK

Eduard von der Heydt der Herr des Berges
wurde und hier einen Hauptteil seiner Samm-
lungen angesiedelf hat. Gewiß, das moderne
gesellschaftliche Leben hat seinen breiten

Raum zugemessen erhalten. Das neue Hotel,
von Fahrenkamp erbaut (Abbildung auf S. 2),
erhebt sich mit sehr betonter Kubistik auf dem
Gipfel des Berges. Aber es ist relativ klein,
von großen Parkanlagen umzogen; im Pano-
rama der großen Höhen wirkt es mehr wie
ein Beobachtungsposten als wie eine beherr-
schende Festung. Unendlich schön ist der
Blick auf See und Gebirge. Aber nicht davon
wollen wir hier sprechen, so verlockend es
auch ist, sondern von der Sammlung, wie sie
das Haus von der Heydt bewahrt, das
übrigens noch von dem eigentlichen Gründer
des Monte Verita, Henri Oedenkoven, selbst
erbaut ist. Hier in dieser Sammlung haben
wir gewissermaßen das Allerheiligste von
Ascona vor uns, von dem gegenwärtig sein
Schicksal vorwiegend bestimmt wird.

Göttin, Zypern, VI. Jahrh. v. Chr.
Deesse, Ile de Chypre, Vie siede av. J.-Chr.
LGoddess, Zyprus, VIth Century before Christ
160 : 49 cm
Collection Baron v. d. Heydt, Ascona

von
ge-

Dies Doppelgesichf der gesteigerten in-
tellektuellen Kultur unserer Zeit mit ihrer
Tendenz zur Primitive und zugleich zur höch-
sten Bewußtheit prägt sich, persönlicher und
sichtbarer als in irgendeiner anderen Samm-
lung Mitteleuropas, in der Sammlung Eduard
von der Heydt aus. Der Name dieses Samm-
gehörl zu den bekanntesten Europas.

Sammlung aufbaute, deren Schaße auf Zand-
voort (bei Amsterdaml, Berlin (Museum für
Völkerkunde II) und Ascona (Monte Verita)
verteilt sind. Aus dieser verhältnismäßigen
Kürze der Sammlertäfigkeit bei einer klaren
Einsicht in die persönlichen Notwendigkeiten,
verbunden mit einem zweifelsfreien Gefühl
für die Qualität der ausgewählten Stücke, er-
klärt sich die Einheitlichkeit der Sammlung.
Erklärt sich auch die Deutlichkeit, mit der die
beiden Pole unserer heutigen seelischen
Existenz herausgearbeitef sind. Auf der einen
Seite die Kunst Indiens und Ostasiens,
in der die reinste, sublimste Geistigkeit lebt,
und auf der anderen Seite die Kunst der
Naturvölker, in der sich stärker als sonst
auf der Erde das erotische Weltbild symbolisch
ausspricht.
In Holland und Deutschland und der
Schweiz stehen hervorragende Stücke der
Sammlung von der Heydt. In Zandvoort eine
Reihe der besten Schnißwerke Afrikas, in
Berlin u. a. prachtvojle frühe chinesische
Skulpturen. Am eindrucksvollsten aber wird
immer die Sammlung in Ascona (Südschweiz,
Tessin) zu gelten haben. Hier hat der Zufall
mit raffinierter Geschicklichkeit eine uralte
Landschaft und eine höchst belebte Kunst-
sammlung unserer Gegenwart, die wie für-
einander geschaffen waren, auch wirklich
sammengeführf.
Ascona . . . Man hat nicht mit Unrecht
diesem Ort am Ufer des Lago Maggiore
sagt, daß es sich hier nicht bloß um eine süd-
alpine Landschaft, vergleichbar und ähnlich
dem benachbarten Locarno, handele, sondern
viel mehr um einen seelischen Zustand von
besonderer Eigenart. In der Tat wird es jedem
Sensitiven nach kurzer Zeit klar, daß es nicht
bloße Laune einiger Naturenthusiasfen war,
die sie um 1900 hierher verschlug. Troß
mannigfacher Enfdeckungstouren blieben sie
schließlich doch in Ascona für die Dauer
haften — eine eigenwillige Gesellschaft, deren
Schicksale Robert Landmanns Schrift*) an-
sprechend und sympafhievoll skizziert. Die
eigentliche Niederlassung freilich ist längst
verschwunden, die „Naturmenschen“ sind bis
auf wenige Überreste in alle Winde zerstreut.
Einige Künstler, wie die Malerin Werefkin, die
„Großmutter von Ascona", erhalten noch etwas
von der alten persönlichen Atmosphäre
lebendig. Aber die Idylle alter Art ist
in weitem Maße verschwunden: Wagen auf
Wagen rast am Ufer des Sees dahin, das sich
eilfertig mit Villen umsäumt; Hotelbauten
großen Formats sind am Lido geplant. So ist
der Ort rapide und unaufhaltsam in der Ver-
wandlung in ein Weltbad begriffen. Dennoch
schwebt auch jeßt noch viel von der alten
Atmosphäre in den Häusern und Gäßchen
dieser Stadt und über den Abhängen und
Schluchten der Berge; mit unzerstörbarer
Monumentalität umfaßt das Gebirge den See.
Bei dieser merkwürdig starken Beseeltheit
seiner Landschaft braucht Ascona nicht den
Weg zur Entpersönlichung zu gehen. Noch
immer erscheint sein topographischer Höhe-
punkt, eben der Monte Verita, als ausschlag-
gebend für sein Schicksal auf der geistigen
Ebene. Zu seinem Glück geschah es, daß
*) „Monte Verita“. Adalbert Schultz Verlag, Berlin, 1930

Man weiß, daß er früher an antiken Möbeln
und alten Meistern, vor allem der holländi-
schen Schule, Gefallen fand, und daß er ersf
nach dem Kriege seine eigentliche großartige

Brünner
55, East 57* Street

Seif etwa zwei Jahrzehnten wird das
pjüopäische Kunstleben, das sich mit leidlicher
bunseguenz von der Renaissance zum Im-
Mssionismus entwickelt hafte, von einer
?ndersarfigen, feindlichen Tendenz durch-
Muzt. Der ’ mitfeimeerländischen Richtung
P.egenüber mit ihrer ausgesprochenen Vorliebe
M das reich differenzierte Bild der konkreten
Mur, wie es im Laufe
M 19. Jahrhunderts im-
ber präziser herausge-
Meitet worden war,
M auf Grund einer
MßlichenRückwendung
|Uf das persönlichste
I’henleben die Richtung
M Abstraktion und des
^°nstruktivismus her-
/°r — eine durchaus
j°rnplexe Erscheinung,
der sich die rein tech-
'sche Absicht auf Her-
Mhebung der Kern-
Sruktur in seltsamster
Mise mischte mit dem
Villen zur Geltend¬
buchung der höchst
persönlichen Innerlich¬
bit. Man mag über
Mse in Deutschland als
k)tpressionismus be¬
schneie Epoche hin-
^chtlich ihrer eigenen
.'oduktivität urteilen,
*e man will — unbe¬
streitbar ist, daß erst
iSf Grund dieser plöß-
M ausbrechenden, ka-
^rakfhaft dahinschie-
ppden Strömung die
r^enntnis lange miß-
^chfeter Kunsiwelten
■e9ünn: die Einsicht in
M künstlerische Be¬
rufung der Kunst der
rturvölker Afrikas,
[Maniens, Nordameri¬
kas und der alfamerika-
Jschen Kulturvölker in
I exiko und Peru, — das
■denschaftliche Inter-
j se für alle Frühkulfu-
M der Menschheit hat
’Sr den leßten, ener-
«bchsten Impuls ge-
Vn.
h. Aber man verkennt
t)lchi, daß diese Änfeil-
s?time wach wurde, als
ilch der Geist Europas
JJt einer hohen Ent- ...... rv
u.Sklungsstufe der Intellektualität befand. Die
'edergeburt der Primitivität geschah bei den
J°ßen führenden Pariser Künstlern als em
cUes Reizmittel artistischer Art.

Göttin Parvathi, Vorderindien um 1400
Deesse Parvathi, Inde anglaise, vers 1400
Goddess Parvathi, India, about 1400
Bronze, 45 : 31 cm
Collection Baron v. d. Heydt, Ascona
 
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