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DIE W E L T K U N S T

3

jjüirg. V, Nr. 44 vom 1. November 1931



•huß, welches imstande ist, eine wirkliche Fort-
übung der Geschichte zuzulassen", bemäch-
'*gt sich Laves der seiner Zeit so schnell zu-
^'«chsenden neuen Baumiilel und Bauauf-
9aben (Bahnhöfe etwa). Statt einer barocken
|llf Einseitigkeit der Ansicht eingestellten
^chloßfassade wie im benachbarten Herren-
hausen schafft er Baukörper, die in ihrer
Addition hinter- und nebeneinander geschobe-
ner isolierter Blöcke ein Ringsumwandern,
?'ne Allseitigkeit der Sicht verlangen und so
'n die Zukunft hinausweisen. Seine aufge-
Jührten Bauten wie das abgebildete Mauso-
*eum, das Leineschloß, das Opernhaus und
Seine drei Entwürfe zu einem am Eingang der
Herrenhäuser Allee geplanten Schloßbau (die
er in drei verschiedene Stilgewänder kleiden
kann, weil er lefctlich über diese Gewandung
Souverän herrscht), sie alle zeigen, woran die
romantische allseitige Orientierung des Bau-
werks zunächst scheitern mußte: am Mangel
iJn einer Verbindung zum umgebenden Frei-
raum, die der Barock noch besag.

Georg Laves, Mausoleum in Herrenhausen bei Hannover 1842—46

Die interessanteste Persönlichkeit der
Jahrhundertmitte ist Conrad Hase (ge-
boren 1818), der berühmte Erwecker der Neu-
gotik, die durch ihn und seine nach Hunderten
fohlende Schülerschaft weit über Nord-
deutschland hinaus bis nach Skandinavien ge-
tragen wurde. Neugotik — das war eine not-
wendige Entwicklungsstufe, wie die Ausstel-
lung erweist. Und es ist charakteristisch, daß
Hase im Gegensag zu den jüngeren Roman-
J'hern um Laves, die bei aller Unbekümmert-
heit um die stilistische Provenienz ihrer Fas-
saden doch eine gewisse Vorliebe für Ele-
mente der Renaissance und der englischen
J^otik hatten, unbedingt der französischen
t^olik den Vorzug gibt. Sie schien durch ihre
w.eöffnetheif und die Schmalheit ihrer Glieder
'ne Möglichkeit zu bieten, Raum einzufangen,
r*en verlorenen Kontakt von Raum und Bau
Wiederzugewinnen. Eine intensive von künst-
lerischem Impuls getragene kunsthistorische
Beschäftigung mit der Gotik s-eßt ein, deren

Zusammenfluß jefct die Heutigen erleben in
einer Zeit, in der die Grundprinzipien des
rein technischen Baues einen hohen Grad der
Klärung erreicht haben und zugleich der
Künstler im Architekten erwacht ist. Nun wird
die seit der Romantik immanente Entwick-
lungsrichtung der Architektur nicht mehr durch
eine wirre Abfolge von immer schneller ein-
ander ablösenden historischen Stilen ver-
schleiert und umgebogen, sondern mit offe-
nem Visier tritt der neue Architekt in den

Kampf um das Ziel dieser Entwicklung ein:
den vom Außenraum durchflossenen, seiner-
seits in den Außenraum gestaltend vorstoßen-
den Bau. Denn das erweist sich als die Ge-
seßlichkeit dieser hundertjährigen Ablaufs-
kette, deren tragische Geschichte es ist, daß
ihr dem Anfang nach verwandtes vorläufiges
Ende, die Lösung der romantischen Aufgabe,
durch Generationen historistischer Skeptiker
errungen werden mußte.
Gert von der Osten

Anatolische Knüpfteppiche
im 16. und 17. Jahrhundert

Von Werner Grote-Hasenbalg

Die ältesten anaiolischen Knüpfieppiche
weisen als Nachbildung der Mosaikfußböden
uralte geometrisierte
Blumenmotive^Band-
verschlingungen,
Sterne und als Nach-
bildung der Schrift
kufiarfige Borten auf.
Dies rein flächenhaft
behandelte Boden-
muster ist künstle-
risch am höchsten in
den ägyptischen und
spanisch-maurischen
Teppichen des 14. und
15. Jahrhunderts aus-
gebildetworden. Der
geknüpfte Teppich
war für das übrige
Abendland im Aus-
gang des Mittelalters
etwas absolutNeues.
Mit den wachsenden
Handelsbeziehungen
zwischen Orient und
Occident müssen
schon im 13. Jahr-
hundert kleinasiati-
sche Teppiche nach
Europa gekommen
sein, die hier haupt-
sächlich als Tisch-
decke, zum Be-
lag der Altarstufen
und unter Sißmöbeln Verwendung fanden.
Im 15. Jahrhundert begegnen wir ihnen
in dieser Verwendung auf zahlreichen
Bildern. Auch Tiermotive bereicherten stark
geometrisierf den Formenschaß, sind aber
wohl aus religiösen Gründen mit dem
Ausgang des 15. Jahrhunderts wieder aus
allen anaiolischen Teppichen verschwun-
den. Teppiche mit rein flächenhaft und
geometrisch stilisiert behandeltem Muster
finden wir auf zahlreichen italienischen
Bildern des 15. Jahrhunderts, und Hol-
bein d, J. hat sie auf seinen Bildern be-
sonders häufig dargestellt, so daß die wenigen
auf uns übergekommenen Teppiche dieser Art
nach ihm Holbeinteppiche genannt1 sind. Zum
größten Teil dürften diese Teppiche, was schon
aus ihren kleinen Abmessungen hervorgeht,
das Produkt kleinasiaiischer Nomaden und
Bergvölker gewesen sein. Ihre Nachläufer sind
die sogenannten Bergamos des 18. und
19. Jahrhunderts.

6,00 m vor, bis zu den Maßen 1,20X 1,50 m.
In diesen Abmessungen finden wir sie häufig
als Tischdecke auf Bildern wieder. Wenn sie
auch auf Holbeinbildern vorkommen, ist ihre
Bezeichnung als Holbeinteppich irreführend;
denn hierzu muß man die oben erwähnte
Gruppe rechnen, die mit diesen Teppichen in
keinem Zusammenhang steht, schon weil sie
an anderen Produktionsorten entstanden ist.
Kühnel hat sie deshalb zum Unterschied ana-
tolische Rankenteppiche genannt. Daß diese
Teppiche in Uschak, in Melas und in der
Gegend von Ladik gearbeitet sind, also gleich-
zeitig in verschiedenen Produktionszentren,
erkennt man an der verschiedenartigen Struk-
tur und der Verschiedenheit in der Farben-
gebung. Am farbenfreudigsten und in der
Struktur am festesten sind die Produkte aus
Ladik und Konia, aber auch gleichzeitig am
seltensten. Am häufigsten haben wir heute
noch Beispiele, die wohl in der Gegend von

Anatolischer Rankenteppich um 1600
337X189 cm, Melasarbeit, geknüpft auf wollner
Kette und zweifach rotwollnem Schuß, 30 Knoten
in der Höhe, 35 in der Breite auf 10 cm
Uschak entstanden sind. Da sich das Muster


Karl Grabenhorst, Mensa u. Turnhalle der Tierärztlichen Hochschule in
Hannover. 1929—30

kirnen in den reinen norddeutschen Back-
v e'hbau übertragen werden. Aber im Laufe
rjQri Hases Entwicklung versagt der künstle-
c?che Wille, die freie Verwendung von Stil-
ernenten vergangener Kunstepochen tritt
lrlrück hinter dem Wunsch nach möglichst ge-
i^Uer Nachahmung gotischer Bauten, sowohl
iitJhrer Oberfläche wie in ihrer Konstruktion
9 ihrem Baukern.
>; Damit, aber erst damit, taucht der Histori-
t"Srnus in der Archifekturgeschichte des
q'. Jahrhunderts auf, der unschöpferische
der seine ganze zweite Hälfte in
t^selnden Gewändern und Siilidealen
(..“l(‘reri sollte, während im Inneren (und das
cje lesen zu haben, ist ein wichtiges Ergebnis
V^!.. Ausstellung) der Baukern sich allmählich
bJ'9 verändert und das Neue sich anbahnt,
hi' 11 mit dem Historizismus seßt eine Spal-
iVfÖ der architektonischen Entwicklung ein:
Laves noch seinen Bahnhofbau 1847
\ 1 Us >m Sinne einer unrepräsentativen
Verfüllung schuf, die sich mit Formen der
•tifasL*Ssance un'd der Romantik gleichsam nur
^'erte, muß nun der Bauingenieur andere
gehen als der historistische Architekt.
1 Ströme Bauentwicklung, deren unruhigen

Im 16. Jahrhundert muß in Europa schon
ein lebhafter Bedarf an Teppichen bestanden
haben, so daß die Heimarbeit nicht mehr aus-
reichte, die Nachfrage zu befriedigen. Es ent-
standen deshalb an verschiedenen Stellen des
Landes, so in Uschak, Ladik und Konia, Melas
und auch in Kula Manufakturen, die sich auf
die steigende Nachfrage im In- und Auslande
einstellten. Die ursprünglich kleinen Formate
wurden vergrößert und die Musierauswahl be-
reichert. Einige z.Zt. im Kunsthandel befind-
liche Stücke sollen hier einen Überblick
geben, was im 16. und 17. Jahrhundert im
vorderen Kleinasien entstanden ist.
Abbildung 1 (oben) zeigt uns einen anaioli-
schen Teppich, dessen Muster mit mehr oder
weniger Abwandlung und in den verschieden-
sten Abmessungen im 16. und 17. Jahrhundert,
aber nur bis zu dessen Ausgang, vorkommt.
Die frühesten Stücke dieser Art zeigen mei-
stens eine schmale, kufischriftartige Borte.
Die gelbe stilisierte Zeichnung auf rotem
Grund im Mittelstück bleibt sich mit geringen
Abwandlungen immer gleich. Es ist ein rein
flächenhaff behandeltes Bodenmuster mit
wiederkehrendem Rapport. Diese Teppiche
kommen sowohl in Größen von fast 3,00 m zu

nur in der Borte- gewandelt hat, in der zu-
weilen das türkische Wolkenband erscheint,
kommt es bei diesen wie auch bei den fol-
genden Uschakteppichen nicht so sehr auf das
absolute Alter an, sondern vor allem auf den
Erhaltungszustand, der nicht häufig gut zu
nennen ist, die saubere Wiedergabe der Zeich-
nung, nicht zum wesentlichsten bedingt durch
Dichte der Knüpfung und Schur, und auf die
Kraft der Farben und die Gegeneinander-
seßung der Farben im Teppich selbst. Ein
Grünblau als innere Begleitborte oder in der
Hauptborte selbst schafft eine ganz andere
Farbensymphonie, als wenn diese Farbe fehlt
und die Komposition lässig gehandhabt ist.


Anatolischer Gebetteppich
16. Jahrh., Ladikarbeit, 146x120 cm, geknüpft
auf wollener Kette und rotwollnem, zweifachem
Schuß, 49 Knoten in der Höhe, 46 in der Breite
auf 10 cm

Der streng geometrisierte Formenschaß in
Kleinasien reichte bald nicht mehr aus, und
man sah sich nach neuen Mustern um. Die An-
regung hierzu bekam man aus den Mustern
der persischen Teppiche. Schon das erwähnte
Wolkenband war vom fernen Osten über
Persien wohl schon um 1500 nach der Türkei
gekommen und hat hier eine typische neue

Form gefunden. Dann aber waren es die nord-
persischen Teppiche von Abbildung? (S. 8),
deren Sternen-, Medaillon- und Rankenmotive
die Veranlassung zur Entstehung der sogen.
Uschakmuster wurden. Schon auf dem kleinen
Gebetteppich von Abbildung 3 (unten) erkennen
wir ein Schöpfen aus dem persischen Formen-
schaß. Das Wolkenband der Zwickel und das
Zinnenmuster der Borte, das zwar stark stili-
sierte aber erkennbare Blumen neben dem
amorphen Wolkengebilde zeigt, deuten schon
auf eine persische Beeinflussung hin. Sind
auch kleine anatolischeTeppiche meistens enger
geknüpft als größere, so zeigt die eisenfeste
Struktur dieser Teppichgattung, daß sie
hauptsächlich in der Gegend von Ladik ent-
standen sind. Ihre Struktur, aber auch ihre
strahlende Farbengebung, das- kräftige Rot,
das leuchtende Gelb, Blau und Grün finden
wir gleichermaßen bei späteren Stücken, bei
denen Ladik als Erzeugungsorf bekannt ist.
Teppiche dieser Art sind nur im 16. Jahr-
hundert gemacht worden. Aber sie stehen im
Zusammenhang mit im Maß kleinen Teppichen,
die aus Gründen der Symmetrie auch zweiseitig
wiedergegebene Gebeisnischen haben und
hauptsächlich in Kula und Melas gearbeitet
worden sind. Durch ihr häufiges Vorkommen
in Siebenbürgen haben sie den irreführenden
Namen transsilvanische oder Siebenbürgen-
teppiche erhalten. Jn der Anordnung sind sie
dem Teppich von Abbildung 3 sehr ähnlich,
haben aber — und auch das deutet- wieder
auf persische Beeinflussung — im Mittelstück
meist ein sich aus Vasen aufbauendes Ranken-
motiv und eine Kartouchenborfe gefüllt mit
Ranken und Arabesken. Durch die langjährige
türkische Beseßung hat sich in Siebenbürgen
die Sitte, der Kirche Teppiche zu schenken,
herausgebildet. Diese Sitte hat noch fort-
bestanden, lange nachdem das Land von der
Türkenherrschaft befreit war. Wir finden
unter den Beständen transs-ilvanischer Kirchen-
schäße viele Stücke, in denen das Siftungs-
jahr, zum Teil auch der Name der Stifter ein-
gestickt ist. Darunter befinden sich nicht nur
die an sich sehr viel späteren Ghiordes-
teppiche, sondern auch Daten, die später
liegen als die Türkenherrschaft.
(Fortsetzung folgt)

^.ultions’üorberichte

Einrichtungshaus
Stobwasser
Berlin, Vorb. 7. Nov.
Im Internationalen Kunst- und
Auktionsh aus werden am 7. November
die Bestände des Berliner Einrichtungshauses
Hans Stobwasser versteigert. Sie umfassen
ein schönes Material an Möbeln der Renais-
sance, Kredenzen, Hallentische und Sessel,
ferner Sißmöbel des 18. Jahrhunderts und ein
reichhaltiges Siofflager.
Sammlung S., Berlin
Berlin, Vorb. 10./11. Nov.
Am 10. und 11. November d. ]. findet in
Rud. Lepke’s Kunstauktionshaus die Ver-
steigerung der Sammlung S., Berlin, statt.
Die Sammlung ist die einzige Spezial-
sammlung von Alt-Berliner Silber, die mit dem
Bestreben zusammengestellt worden ist, den
infolge der Nöte der Freiheitskriege sehr
spärlich erhaltenen Bestand von Silber-
arbeiten Berliner Meister des Barock, Rokoko
und Empire zusammenzubringen. Sie enthält
neben zahlreichen Münzhumpen und Münz-
bechern aus -dem, Anfang des 18. Jahrhunderts
Gebrauchssilber des Rokoko, des Louis XVI
und des Empire, dazu viel Kleingerät der ver-
schiedensten Art. Die durch die Forschungen
von Friedrich Sarre in seinem grundlegenden
Werk über die Goldschmiiedeinnung ermittel-
ten Meisternamen sind zum größten Teil ver-
treten, darunter Namen wie Ast, Sandrart,
Lieberkühn, Pintsch (Abbildung Seite 7),
Müller, Sfolße, Gericke, Hossauer u. a. m.
Von den Möbeln des 18. Jahrhunderts wäre
besonders zu nennen die aus dem Schloß
Morißburg stammende Rokokogarnitur und
der aus der Werkstatt der Gebrüder Spindler,
Kabinettsfischier Friedrichs des Großen, her-
vorgegangene Schreibsekretär mit reicher
Blumen-Marketferie (Abbildung Seite 4).
Im Anschluß an obige Sammlung wird eine
Tassensammlung versteigert, die Alt-Meißener
und Alf-Berliner Tassen aus der Zeit von 1725
bis ungefähr 1820 enthält.
Gemälde
des 19. und 20. Jahrh.
Düsseldorf Vorb. 4. Nov.
Die Galerie Julius Stern in Düssel-
dorf nimmt ihre Aukfionstätigkeit mit einer
außerordentlich beachfenwerfen Versteigerung
deutscher Gemälde des 19. und 20. Jahrhun-
derts auf, vielfach Werke, die bereits in der
Literatur und der Öffentlichkeit bekannt sind.
Das gilt insbesondere von den vier Gemälden
Leibis, die von 1911—25 das Kölner Museum
als Leihgabe zierten: die Bildnisse Daniel und
H. J. Harfzheim, das erste 1870 datiert, der Kopf
eines Bauernmädchens aus Poulheim (Ab-
bildung Seite 1) und das teilweise nur an-
gelegte Hüftbild eines bayrischen Holzknechfs.
Liebermann ist mit zwei Ölbildern, Corinth mit
einem herrlichen späten Blumenstilleben ver-
treten. Von den vier Gemälden A. Achen-
bachs sind besonders die sizilianische Land-
schaft von 1861 und die „Brandung“ von 1883
 
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