Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
2

DIE WELTKUNST

Jahrg. V, Nr. 47 vom 22. November 1931

das prächtige Bild der Lady Vaux von Hol-
bein d. J., Werke von Cranach, Elsheimer,
Frueauf, Grien1, das herrliche Offiziersporträt
von Frans Hals, Rubens, Snyders, Sal. Ruys-
dael, Terborch, um nur einiges herauszu-
greifen.
Nicht unerwähnt mögen die mühsamen
Restaurierungsarbeiten bleiben, welche zu
einer Reihe von Entdeckungen besonders
unter den deutschen Meistern des 16. Jahrh.

führten, über welche noch Veröffentlichungen
beabsichtigt sind. Der ausgezeichnete Re-
staurator Bielohaubek sei besonders
genannt. Bei stark beschädigten Bildern
wurde die farbige Tönung angewendet, wo-
durch nur im Ton der Umgebung ergänzte
Fehlstellen nicht aus dem Gesamiton heraus-
fallen und auch die Andeutung der Plastik ge-
statten.
Julius Singer (Prag)

Das zeitgemäße Gebrauchsgerät
Im Lichthof des ehemaligen Kunstgewerbemuseums

Endlich eine aktuelle und notwendige Aus-
stellung, die in Berlin leider nicht so selbst-
verständlich ist wie in der regsameren Pro-
vinz. Unter der Ägide Prof. Glasers hat Frau
Anne Wertheimer eine vorbildliche
Übersicht über die

das die Lust am Essen und Trinken steigert,
reine und zweckvolle Formen aus gemäßem
Material: sie setzen eine klare und produk-
tive Lebensform voraus, aus der allein ein
Stil entstehen kann, und lassen vermuten, dal}

besten, also denkbar
zweckmäßigen und for-
mal befriedigenden
Typenerzeugnisse aller
Gegenstände des täg-
lichen Gebrauches zu-
sammengebracht. Die
Ausstellung ist ein
praktischer Ratgeber
für alle, die ihren Haus-
rat aus guten und
preiswerten (Bezugs-
quelle und Preis sind
jeweils vermerkt) Ge-
genständen aufbauen
wollen, und geeignet,
die Duldung all jener
unpraktischen und
freudlosen Geräte, die
in den meisten Haus-
halten hartnäckig her-
umgespenstern, end-
gültig einzustellen.
Es fällt schwer, im
Rahmen einer kurzen
Besprechung dieses
oder jenes Produkt be-
sonders hervorzuheben,
denn die Zahl der

Scheibe aus dem Dom zu Gelnhausen


guten Leistungen ist
beträchtlich. Besondere
Berücksichtigung findet
das Eßgerät aus Por-
zellan, Glas und Me-
tall. Eine Novität bildet

Kreis des Hausbuchmeisters um 1480
Collection Johannes Noll f
Versteigerung — Vente — Sale: Hugo Helbing
Frankfurt a. M., 1.—3. Dezember 1931

das Eß- und Kochgeschirr aus feuerfestem
Glas, das die Jenaer Glaswerke erzeugen.
(Bei Kaffee verräterisch: die Gäste sehen so-
fort, ob er dünn oder stark ist.) über den
Weingläsern waltet ein Unstern; sie sind so
dünnsfielig und fragil, daß der Verdacht ent-
steht, die Modelle seien von einem böswilligen
Antialkoholiker entworfen. Steingut und
Majolika scheinen ein Reservat des durch
Industrie und Krise in seiner Existenz be-
drohten Kunstgewerbes bleiben zu müssen.
Sie verlangen die formende Hand; ausge-
stellte Produkte dieser Art befriedigen nicht.
Das gleiche gilt von den Metallschalen,
die zum mindesten eine Nacharbeitung der
maschinell erzeugten Form durch den Hand-
werker fordern.
Lampen, die wirkliche Lichtspender, Uhren,
die sachliche Zeitmesser sind, Tafelgeschirr,

Inhalt Nr. 47
Julius Singer:
Wiedereröffnung der Prager Galerie .... 1/2
Das zeitgemäße Gebrauchsgerät.2
Dr. E. v. S y d o w :
Sammlung Bernatzik-Struck.2
Dr. St. Poglay en-Neuwall:
Wiener Ausstellungen.2
Die Brücke.2/3
E. S z i 11 y a (Paris): I. Levy (m. Abb.) ... 3
F. Stössinger: Aurel Bernäth (m. Abb.) . 3/4
Hermann Freudenau (m. Abb.) .4
Ausstellungen der Woche . . . . 4
Auktions-Vorberichte (m. 4 Abb.) .4,7
Preisberichte — Literatur — Rundfunk ... 6
Dr. 0. Bloch:

Geräte und Schmuck von Emmy Roth (mit
2 Abb.) .7
Walter Bondy:
Ozenfant in der Berliner Secession .... 7
Nachrichten von Überall . . . . 8
Unter Kollegen .8

unsere Zeit nicht ganz so schlecht ist, als man
sie hinzustellen beliebt. Vergessen wir hier
nicht, daß die ausgestellten Fabrikate von der
jahrzehntelangen Pionierarbeit des Kunstge-
werbes profitieren.
Bei der Eröffnungsfeier am 14. November
sprachen Geheimrat Waeßoldt, Prof. Glaser
und Reichskultusminister Dr. Grimme, dessen
Ausführungen die ethischen Grundlagen der
Ausstellung umschrieben. Anwesend waren
Geheimrat Justi, Prof. Demmler, Prof. Roberi
Schmidt, Frhr. v. Pechmann, Prof. Hennig aus
Bunzlau, sowie Vertreter der Presse, der
Produklionsfirmen und der großen Berliner
Häuser. K.
--
Sammlung
Bernatzik-Struck
In den Zeitungen war im Frühjahr dieses
Jahres wiederholt die Rede von der Afrika-
Expedition Bernatzik-Struck, als die unter-
nehmungslustige Fliegerin Elli Beinhorn
für kurze Zeit zu ihr stieß. Man erfuhr damals,
daß der Wiener Forschungsreisende Bernatzik
und der Dresdener Ethnograph Prof. Struck
in Portugiesisch-Guinea, südlich
von Senegambien, am Werk waren, - das
völkerkundliche Inventar einer Reihe großer
und kleiner Stämme jener Gegend aufzu-
nehmen. Ende April dieses Jahres sind beide
Forscher nach Europa zurückgekehrt, und jeßt
ist die gemeinsame Ausbeute im Dres-
dener Orangeriegebäude aufgestelll.
Die Plastik der B i s s a g o s -, oder wie

man korrekter sagen muß: Bidyogoinseln
tritt auch hier wieder mit den alten bekannten
Figuren auf: Tanzfiguren der Mädchen mit
weif auseinander gespreizten Beinen, Siier-
kopfmasken von z. T. bemerkenswertem Ge-
präge, Figurenkompositionen als Träger von
Schalen, deren Deckel von Freifiguren bekrönt
sind, Zierlöffeln, die auf die einfache Form
von Rührlöffeln zurückgehen und zu Trägern
reicherer Plastik eniwickelf worden sind, usw.
Interessanter aber als diese aus Berliner,
Leipziger, Dresdener Museumsbesiß (Smlg.
Hinß, Berlin) bekannten Arbeiten sind Rei-
hen von sog. Seelen bildern, die eine
sehr interessante Abfolge festzustellen er-
lauben. Anfangs brettartige Idole mit knopf-
artiger und griffmäßiger Bekrönung, bilden
sie sich um zu Hermen und schließlich zu
Sißfiguren, ein Verwandlungsprozeß, der sich
im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts voll-
zogen hat. Hier ist Neuland der afrikanischen
Kunstgeschichte, wenn auch beschränkten Um-
fanges, und zugleich ein Material, das durch
Aller, Palina und Ausdruckskraft Beachtung
fordern darf. Es gibt nicht viele Arbeiten
jener Gegend, die sich über ein mittleres
Niveau erheben — in dieser Gruppe von
Stücken, die den bisherigen Sammlern durch-
weg entgangen ist, stecken die meisten sol-
cher Leistungen oberhalb der sog. Herrgotts-
schnißerei.
Die Dokumente urwüchsiger künstlerischer
Begabung stehen nicht isoliert. Sie sind um-
ringt von den Zeugnissen des tagtäglichen
Lebens nicht nur der Bidyogo, sondern auch
der Stämme auf dem gegenüberliegenden
Festlande Afrikas. Das ganze äußere Brauch-
tum dieser Bauernstämme ist mit großer
Sorgfalt von Prof. Struck gesammelt und zu
einem anscheinend lückenlosen Bild vereinigt
worden. Inwieweit es gelungen ist, auch das
innere Weltbild dieser Völker zu erfassen,
darüber werden die literarischen Arbeiten
Bernatziks und Strucks, die in Aussicht stehen,
Aulschluß geben. E. v. S y d o w

moderner Kunst in der Provinz aufzuzeigen.
Das stärkste Erlebnis bietet Herbert
B ö c k 1. Was von ihm bisher zu sehen war,
ließ das Lob, das ihm von mancher Seite ge-
zollt wurde, als übertrieben erscheinen. Und
auch in dieser Schau ist manches, das man
gern missen möchte. Und doch spricht aus
der Gesamtheit des Werkes der Ausdruck
einer Persönlichkeit, die durch ihr großes
malerisches Können, ihre Ursprünglichkeit und
absolute Aufrichtigkeit in den Bann zwingt.
Man erkennt, was Böckl in den leßien Jahren
geleistet hat, wie er seine Kunst in dem
Streben nach größerer Sammlung und Ver-
einfachung weiter entwickelt hat. Die Per-
sönlichkeit Böckls hat auch auf zwei jüngere
Künstler abgefärbt: den früh verstorbenen,
sehr verinnerlichten Kärntner Felix Esterl,
dessen Pinsel die zartesten Farbensfimmun-
gen hervorzuzaubern weiß, und den äußer-
licheren, berechnenderen R. L. Krassnig g.
Weniger Schöpfer als geschickter Mittler,
macht er in seinen Bildnissen und Land-
schaften dem großen Publikum Kokoschka und
Böckl mundgerecht, selber abhold jeder Ge-
waltsamkeit und so auch in der Schilderung
dramatischer Spannungen versagend. Was
Krassnigg mangelt, davon hat P e w e f z zu-
viel. Zeigen auch seine kleineren Bilder einen
Fortschritt zu kompositionellerundmalerischer
Klärung, so toben sich dafür in seinem
Freskoentwurf der Kreuzigung alle seine müh-
sam zurückgedämmten Leidenschaften unge-
hemmt aus. Schlechtestes, brutales Theater.
Ein Stilsammelsurium aus drei Jahrhunderten.
Eine ausgeprägte Veranlagung für das monu-
mentale Fresko spricht aus den temperament-
vollen Entwürfen von Rudolf H o 1 z i n g e r.
Die Bilder von Robert Kohl fallen durch eine
Farbenfreude auf, die troß mancher Gewalt-
samkeit etwas Erfrischendes an sich hat. Nur
wäre Kohl wie den meisten der zuvor ge-
nannten Künstlern mehr Selbstdisziplin zu
empfehlen. Erfreuliches leistet auch bisweilen
der eigenbrötlerische Karl Scholz in Bild-
nissen und kleinen Stimmungsbildern.
*


Dr. St. P o g 1 a y en-
Neuwall
DieBrücke

Wilhelm v. Kobell, Landschaft mit Reitern
Paysage avec des cavalier — Landscape with horsemen
Collection v. Passavant-Gontard t
Versteigerung — Vente — Sale: Hugo Helbing, Frankfurt a. M.
i.—3. Dezember 1931

vorgeschwebt haben dürfte, war, die Öffent-
lichkeit mit dem Schaffen in Wien bisher nur
selten, zum Teil überhaupt noch nicht ge-
zeigter jüngerer Begabungen vertraut zu
machen und die Parallelität der Strebungen

Das Berliner Kup-
ferstichkabineti
gibt einen ausgezeich-
neten Überblick über
die graphische Pro-
duktion dieser führen-
den Gruppe des deut-
schen Expressionismus-
Man sieht anschaulich
die Entwicklung der
Pechstein, Schmidt-
Rottluff, Heckel, Kirch-
ner, Ö. Müller von
einer gemeinsamen Ba-
sis zum persönlicheren
Stil vor sich. Die in-
teressanfestesten und
wesentlichsten Blätter
stammen von Kirchner
und Schmidt-Rottluff-
Im ganzen macht die Schau einen durchaus
starken Eindruck; die deutsche Graphik, ja
die ganze moderne deutsche Kunst steht mit
ihren Licht- und Schattenseiten vor uns. Es
fehlt ihr das menschlich Verbindliche, der

Wiener
Ausstellungen
Die Benennung der Schau im Künstler-
haus „Österreichische Kunst“ ist
in gewissem Sinne irreführend, handelt es sich
doch keineswegs um einen Überblick über die
Kunst Österreichs. Was den Veranstaltern

Einiges Gute findet sich auch in der
Aquarell-Ausstellung des Hagen-
bundes. Dazu gehören die wundersam
edlen Mädchenköpfe und zarten Landschaften
von Georg Ehrlich, die eindrucksvollen
Blätter von A. Kubin, die farbenfrischen
Aquarelle von Lerch, Harta und Frieda
Salven dy, die durch weitgehende Verein-
fachung der Mittel, von Linie und Farbe, zu
einer erstaunlichen Prägnanz des Ausdruckes

vorgeschritten ist.

Die Arbeiten von Planckh
zeigen sein ernstes
Ringen mit den Proble-
men der Monumental-
kunst. Ein begrüßens-
werter neuer Gast ist
Gunsam, ein Schüler
von Dobrowsky, des-
sen Aquarelle durch
ihren beschwingten
malerischen Reiz be-
stricken.

VERSTEIGERUNG

Aus anderem Privatbesitz:

GEMÄLDE ALTER UND NEUER MEISTER
(Werke von: Moreelse, Flinck, G-raeb, Lessing, Stryowsky, Eckhout, Steffeck. Sinding, Schoonjans,
A. v. Werner)
ARBEITEN IN MARMOR UND BRONZE

BILD- UND KNÜPFTEPPICHE DES 17. BIS 19. JAHRHUNDERTS
GEMÄLDE ALTER UND NEUER MEISTER
(Werke von: Pannini, Huysum, van Bemmel, E. Schulz, Verkolje, Braekeleer, Grönland u. a.)
ANTIKES KUNSTGEWERBE • TEXTILIEN

DONNERSTAG, DEN 3. DEZEMBER, AB 10 UHR
KUNSTBESITZ SCHLOSS MESEBERG
(Mark

Gemälde und Graphik alter Meister • Antike Möbel und Kunstgewerbe
AUSSTELLUNG BERLIN, KURFÜRSTENSTRASSE 79 (ECKE KEITHSTRASSE)
Sonnabend, den 28. November, 3—7 Uhr Montag, den 30. November, 10—2, 3—7 Uhr
Dienstag, den 1. Dezember, 10—2 Uhr

INTERNATIONALES KUNST- UND AUKTIONS-HAUS G.M.B.H.
Berlin W62, Kurfürstenstraße 79 (Ecke Keithstraße) Telefon : B 5 Barbarossa 8838 — 39 Telegr amm-Adresse : Interkunst Berlin

MITTWOCH, DEN 2. D E ZE MBE R, AB 10 UHR
NACHLASS BANKIER F., BERLIN
 
Annotationen