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22. November 1936

X. JAHRGANG, Nr. 46

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ARTopfeWORLD

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bMONDE*ARTS

EINZIGE ILLUSTRIERTE WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST / BUCH / ALLE SAMMELGEBIETE UND IHREN MARKT
ANERKANNTES ZENTRALORGAN FÜR SAMMLER, MUSEEN, BIBLIOTHEKEN, KÜNSTLER UND KUNSTHÄNDLER

Erscheint jeden Sonntag im Weltkunst-Verlag, G.m.b.H.,
Berlin W62, Kurfürstenstr. 76-77. Telegramm-Adresse: »Weltkunst Berlin«;
in den Monaten Mai bis Oktober jeden zweiten Sonntag.
Bankkonto: Deutsche Bank u. Diskonto-Gesellschaft, Depositen-Kasse M,
Berlin W 62, Kurfürstenstr. 115. Postcheckkonti: Berlin 118054; Den
Haag 1455 12; Paris 170014; Prag 59283; Wien 114783; Zürich 8159

Redaktion, Verlag und Lesesaal:
Berlin W 62, Kurfürstenstr. 76-77
Telefon: B 5 Barbarossa 7228

Man abonniert beim Verlag, bei der Post oder bei den Buchhändlern.
Einzel-Nummer 35 Pfennige. Quartal für Deutschland inkl. Postzustellung
RM 4.50; Lieferung durch den Verlag im Umschlag RM 5.50; für das
Ausland (nur im Umschlag) RM 4.40; oder Tschechoslowakei Kc 50; Frank-
reich Frs. 38; Holland hfl. 3.25; Schweiz sfrs. 9.60; Österreich öS. 9 — >
und die nicht angeführten Länder RM 4.40; Übersee $ 1.80.

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Staat, Sammler und moderne Kunst

Für die alte Frage, ob die Museen die Be-
rechtigung und Notwendigkeit haben, die zeit-
genössische Kunst zu sammeln, gibt es vieler-
lei Argumente, die dafür und dagegen
sprechen. Zweifellos werden Erfahrungen, die
damit in den beiden letzten Jahrzehnten
gemacht worden sind, maßgebend die Richt-
linien beeinflussen, die sich aus dem Erlaß des
Reichsministers Rust über die Neuordnung
der deutschen Museen in Beziehung auf die
moderne Kunst ergeben werden. Dagegen ist
nie in Zweifel zu ziehen, daß die wesentlichste
Förderung des jungen Kunstschaffens heute
mehr denn je Aufgabe des Staates und der
Kunstfreunde ist. Der heutige deutsche Staat
ist sich dieser Forderung denn auch voll
bewußt; die Planmäßigkeit seiner Bestre-
bungen ist sowohl in der großen Linie wie in
Einzelfällen klar zu erkennen. Wie aber steht
es mit dem privaten Sammlertum?
Ein Einzelfall möge die Situation beleuch-
ten. Er dürfte im großen und ganzen maß-

geblich sein, ohne daß unberücksichtigt bliebe,
daß ein gut Teil des Sammelns sich in der
Stille, unkontrollierbar für die Oeffentlich-
keit, im direkten Verkehr vom Künstler oder
Kunsthändler zum sammelnden Liebhaber sich
abspielt.
In der Generalversammlung des Kunstver-
eins Hannover, einer der ältesten und rüh-
rigsten Einrichtungen dieser Art, wurde ein
spezialisierter Ueberblick über die Ankäufe
gegeben, die auf der letzten Herbst- und Früh-
jahrsausstellung getätigt wurden. Im Ganzen
wurden auf beiden Veranstaltungen für etwa
34 000 RM Kunstwerke verkauft. Davon ent-
fielen auf der ersten Ausstellung, die mit
einem Verkaufsergebnis von rund 20 000 RM
abschloß, allein 15 635 RM auf die öffentliche
Hand, repräsentiert durch Stadt, Provinz,
Reichskammer der bildenden Künste und eine
Bank. Das sind über 75 %! Bei der Früh-
jahrsausstellung entfielen von 14 710 RM
12 680 RM auf staatliche Ankäufe, weitere


Tizian, Die Erziehung des Amor (Photo Museum)
Um 1550—60. 133,5 : 169,5 cm. Ausstellung: Art Institute, Chicago

2000 RM auf die Stiftung einer Hannoverschen
Firma. Eine private Initiative war hier also
kaum vorhanden.
Diese Ergebnisse sind beschämend für eine
Zeit, da auf dem Markte für alte Kunst der
„Bedarf“ nur mit Mühe gedeckt werden kann,
da immer wieder Klagen laut werden, daß der
Initiative des Sammlers — zu Unrecht, wie wir
hier öfter betonten — zu enge Grenzen ge-
zogen sind. Es ist an der Zeit, daß auch die
lebende Kunst in den Kreisen der Sammler
wieder die Berücksichtigung erfährt, ohne die
eine lebendige Kunstpflege nicht denkbar ist.
Ein Tizian für Amerika
Die amerikanischen Sammlungen sind bis
jetzt an Kompositionen Tizians verhältnis-
mäßig arm, obwohl eine ganze Reihe guter
Bildnisse zu finden ist. Außer dem „Raub der
Europa“ im Isabella Stuart Gardner Museum
und der kürzlich erworbenen „Venus mit dem
Lautenspieler" im New Yorker Museum be-
sitzen die Vereinigten Staaten keine der wich-
tigen Großkompositionen des venezianischen
Meisters. Es erregt daher einiges Aufsehen,
daß nunmehr ein weiteres bedeutendes Werk
in amerikanischen Besitz übergegangen ist: die
„Erziehung Amors“, die von Mr. Ch. Wor-
cester erworben und als Leihgabe dem Chi-
cago Art Institute überlassen wurde (s. Abb.).
Das Bild befand sich seit dem 18. Jahrhun-
dert im Besitz von Lord Wemyss in Gosford
House, Schottland, wurde im 19. Jahrhundert
zweimal in London ausgestellt und auch in
dem Werk von Crowe und Cavalcaselle (1877)
erwähnt, geriet aber dann in völlige Verges-
senheit. bis es 1930 von Valentiner wieder ent-
deckt wurde. Es ging dann in den Besitz von


Neuentdecktes Goethe-Bildnis Originalgröße
Zürich, Privatbesitz
(Photo Prof. H. Hildebrandt)

Wildenstein & Co. über, um jetzt endgültig
seinen Platz an öffentlicher Stelle zu finden.
Der Stil der Darstellung, die Tizian in völ-
lig veränderter Komposition in den Jahren um
1565—68 nochmals in dem bekannten Gemälde
der Galleria Borghese in Rom behandelte, läßt
das Meisterwerk um 1550/60 datieren.

Ein neuentdecktes Goethe-Bildnis
Von Prof. D r. H. Hildebrandt

Das erstmalig auf dem Internationalen
Kunstgeschichtlichen Kongreß in der Schweiz
vorgeführte, hier in Originalgröße wieder-
gegebene Miniaturporträt Goethes entdeckte
der Verfasser dieser Zeilen in Zürich. Es findet
sich in jenem Teile der Originale zu den
„Physiognomischen Fragmenten“, die der Zür-
cher Theologe, Forscher und Dichter Johann
Caspar Lavater 1798 an die Kaiserin von Ruß-
land verkaufte. Eingebunden in sieben Pracht-
bände, waren sie niemals der Oeffentlichkeit
zugänglich, da sie 1930 in Zürich angeboten
wurden und hier in den Besitz eines Nach-
fahren von Lavaters Bruder Diethelm,
H. Blass-Laufer, übergingen. Während sämt-
liche übrigen Originale der genannten Samm-
lung, rund 1000 Stück, mit Charakterisierun-
gen von Lavaters Hand versehen sind, fehlt
bei diesem Aquarell jede Beischrift: ein wei¬

terer mittelbarer Beweis dafür, daß ein ver-
mutlich einst für Lavaters Physiognomik ge-
fertigtes Bildnis des etwa dreißigjährigen Dich-
ters vorliegt. Denn 1797 war der Bruch
zwischen den beiden Jugendfreunden endgültig
und unheilbar geworden, als Goethe auf seiner
dritten und letzten Schweizerreise jede persön-
liche Berührung mit Lavater schroff ablehnte.
So mochte dieser zwar das Bildnis des immer
noch geliebten und verehrten Dichters nicht
ausmerzen, konnte sich aber auch nicht zu
einer Beischrift überwinden. Die Frage nach
der Urheberschaft der auf den schönen, war-
men Klang Fleischfarbe, Braun, Grün, Weiß
und Dunkelgrau gestellten Miniatur, die am
meisten Verwandtschaft mit der Auffassung des
Weimarer Malers Melchior Kraus zu zeigen
scheint, steht noch offen und mag von den be-
rufenen Goetheforschern beantwortet werden.

PAUL TIECKE
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