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DIE WELTKUNST

Jahrg. X, Nr. 48/49 vom 6. Dezember 195^

Leben verloren, betont denn ein Kunstwerk
kleinsten oder größten Ausmaßes, ein Glas, ein
Fayenceteller, eine Handzeichnung oder ein
graphisches Blatt, eine Kleinbronze, ein Möbel,
ein Gemälde oder eine Holzskulptur nicht
dieselben kulturellen Ansprüche, sondern wirkt
außerdem noch täglich befruchtend und an-
regend, gewinnt im Umgang, wächst über seine
eigene Größe hinaus in der menschlichen Be-
ziehung, feuert an zum Besitz, zu eigener
sammlerischer Tätigkeit? Wir haben an dieser
Stelle oft gegen die Fiktion gekämpft, daß
Kunstwerke nur den großen Geldbörsen offen-
stehen, und wir haben bewußt in unserer Ab-
bildungsreihe „Sammlerstücke aus dem deut-
schen Kunsthandel“ nicht nur die Möglich-
keiten des großen Sammlers, sondern die der
breiteren Schicht der Kunstliebhaber aufzu-
zeigen versucht. Und wir haben auch betont,
daß es nicht in erster Linie auf die Groß-
Sammler ankommt, die der Zeit das kulturelle
Gepräge geben, sondern gerade auf die große
Zahl der begeistert dem alten oder modernen
Kunstwerk anhängenden Freunde, aus deren
lebhafter Beziehung zum Kunstwerk das künst-
lerische Verständnis unserer Zeit, die Höhe der
kulturellen Anschauung sich ergibt. Aus deren
sammlerischem Verständnis auch die Bewer¬

tung des Kunstwerkes erwächst, die ihm seine
Wertbeständigkeit sichert, im Kampfe der Kon-
kurrenz, des Besitzenwollens.
Wie teuer, und wie vergänglich waren —
Spott jeder modernen Versteigerung — die
„künstlerischen“ Geschenke der Gründerzeit,
im Gegensatz zu den reichen Möglichkeiten,
die der damalige, und, durch die soziale Um-
schichtung bedingt, in noch weiterem Maße
der heutige Kunstmarkt bietet! Welche unge-
ahnten Wertsteigerungen hat das bewußte
Sammlertum erfahren dürfen, gerade das
Sammlertum, dem kapitalistische Absichten
zuletzt zugeschrieben werden durften. Die
Nachfahren derer, die selbst — wie Viele heute
— glaubten, teuer gekauft zu haben, waren
überrascht über die materiellen Erfolge, die
dem systematischen und bewußten Sammler-
tum beschießen waren. Diese Tradition auf
breiter Basis fortzusetzen, ist die Aufgabe der
heutigen Generation. Sie erfüllt damit nicht
nur ihre Pflicht gegen sich selbst, sondern auch
an die Nation, verbürgt eine Tradition, die seit
Jahrhunderten auf eine Reihe stolzester Namen
zurückblicken kann.
„Das Kunstwerk als Geschenk“: eine Lo-
sung, eine Verpflichtung kultureller Art, und
eine Gabe von fortwirkendem Wert.

Kunstmarkt u. Devalvation in Frankreich

Der französische Kunsthandel erlebt in
diesem Augenblick einen gewaltigen Auf-


Paar Walnuß-Stühle, Periode Georg I, mit
Ulmenholz-Furnierung, Sitze englischer Point-Bezug der
Zeit um 1730. H. 103 cm. Ehemals Beeleigh Abbey, Essex
Ausstellung: Kunsthandlung Armand
Gobiet, Berlin
(Photo Besitzer)

schwung. Die Devalvation, die Entwertung
des französischen Frankens, bildet einen star-
ken Antrieb für den Kauf von Kunstwerken.
Tatsächlich ist hier noch einer der wenigen
Wege für vermögende Leute, größere Werte
über die Grenze zu bringen.
Noch ist der Devisenhandel in Frankreich
nicht gesetzlich beschränkt. Aber der Versand
von Goldbarren ins Ausland ist streng ver-
boten. Man muß nämlich wissen, daß die
Franzosen seit längerer Zeit ihr Kapital da-
durch zu sichern versuchten, daß sie unter
Verzicht auf jeden Zinsgewinn Goldbarren
kauften und im Safe verwahrten. Nach der
Entwertung hätte es natürlich nahe gelegen,
diesen stabil gebliebenen Wert ins zahlungs-
kräftige Ausland zu bringen und dort zu ver-
äußern. Aber nach einem neuen Gesetz werden
Goldbarren an der Grenze angehalten. Kunst-
werke aber läßt man durch.
Es liegt also nahe, auf dem sehr reichen
französischen Kunstmarkt, der sich in Paris
konzentriert, Kunstwerke von internationalem
Wert zu erwerben, mit entwerteten Franken
zu zahlen und in diejenigen Länder zu
schicken, in denen gute Preise in gutem Geld
bezahlt werden. England und Amerika
kommen für diese Transaktionen besonders in
Frage.
Die Devalvation hat sich im kleineren
Kunsthandel noch nicht besonders bemerkbar
gemacht. Das Kunsthändlersyndikat hat be-
schlossen, seine Preise nicht dem internatio-
nalen Wert entsprechend heraufzusetzen. Des-
halb kann man zur Zeit im Kunsthandel und
auf den Auktionen noch Dinge kaufen, die,
nach ausländischen Mafien gemessen, sehr
billig sind.
Aber große und seltene Stücke ziehen trotz-
dem im Preise an. Natürlich werden nicht
mehr die Rekordziffern von vor der Krise er-


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Holzgeschnitzter Kamin mit Marmoreinlagen, aus dem Schlafzimmer David Garricks, Nr. 5,
Adelphi Terrace, London W C. Originalarbeit von Thomas Chippendale unter entwürflicher Mitarbeit von
Robert Adam, um 1770
Ausstellung: Kunsthandlung Armand Gobiet, Berlin (Photo Besitzer)

reicht, wo man fiir einen Matisse oder Picasso
mit großer Selbstverständlichkeit 500 000
Franken auswarf, aber immerhin zahlt man
heute wieder gerne 100 000. wenn auch ent-
wertete Franken, für Bilder noch lebender
Meister.
Junge und wenig bekannte Künstler werden,
selbst bei größter Begabung und hübschen
Anfangserfolgen völlig von dieser Spekulation
ausgeschlossen, weil ihre internationale Wert-
beständigkeit sich noch nicht genügend er-
wiesen hat. Da es heute in Frankreich keine
andere Möglichkeit mehr gibt, Vermögenswerte
ins Ausland zu bringen, hat der Kunsthandel
in diesem Augenblick das Interesse an rein

künstlerischen Werten zurückgestellt und sich
zu einer Art von Bankgeschäft entwickelt.
Auf dem Pariser Kunstmarkt werden also
eben besonders gefragt und verkauft: Alte
Meister erster Qualität, gute Möbel, ferner
Impressionisten, vor allem Renoir und Van
Gogh, sowie einzelne lebende Künstler von
internationalem Wert: Picasso, Matisse, De'
rain. Dufy. Marquet, Segonzac- und die Bild'
hauer Maillol und Despiau.
Es ist traurig zu sehen, wie vor den Ge-
fahren einer neuen Entwertung die kostbarste"
Kunstschätze einer Nation ins Ausland ent-
fliehen. Dr. Fritz Neugaß

Englische Möbel d. 17.ii. 18.Jahrh. am Berliner Markt

Die neubegründete Kunsthandlung A r -
m and Gobiet (Berlin W 9, Hermann
Göring - Straße 7) eröffnet ihre Räume mit
einer Ausstellung englischer Möbel und eng-
lischen Kunstgewerbes des 17. und 18. Jahr-
hunderts, wie sie wohl in solcher Schönheit
und Qualität noch nicht am Berliner Markt
gezeigt wurden. Englische Möbel der Epoche
von Charles 1 bis Georg III, meist in der
Fachliteratur publizierte Stücke Londoner Pro-
venienz von der Hand führender Ebenisten
wie Robert Adam, Thomas Chippendale, Gil-
low-Lancaster u. a., sind zusammen mit eng-

lischen Farbstichen und Silber, mit Glas und
Textilien zu räumlichen Einheiten von schön-
ster und reinster stilistischer Wirkung ver-
einigt. Ihrer Abkunft nach befinden sich unter
diesen Beständen Möbel aus berühmten Lon-
doner Häusern des 18. Jahrhunderts, welche
zum Teil bereits abgerissen sind, so aus David
Garricks Räumen im Adelphi Terrace, a"s
dem von Robert Adam 1770 erbauten und ml*
Innenausstattung versehenen Portman Square
15, der ehemaligen Residenz der Prinzess Royal
Duchess of Fife, ferner Möbel aus dem Besitz
des verstorbenen Marquis of Lincolnshire, des


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(Bild 5) wieder,
(Bild 1) Teile
Kreuzabnahme

■L

Beispiel für die Anwendung der Infrarotfotografie:
1. Infrarotaufnahme.

während die Infrarotaufnahme
des Damenporträts und der
sichtbar macht, so daß es bei

1

außerdem den Vorteil hat, keinerlei umfang-
reiche Apparatur zu benötigen und damit dic
noch verhältnismäßig hohen Kosten einet
Röntgenaufnahme fürs erste einsparen 7**
können.

dieser Aufnahme möglich ist, die einzelnen
Bildelemente dem jeweiligen Bild zuzuordnen.
Die Arbeit zeigt ein neues Untersuchungs-
verfahren, das gleichwichtig für den Kunst-
historiker wie für den Restaurator ist; und

Damenbildnis, übermalt mit einer Kreuzabnahme
2. Röntgenaufnahme. 3. Panchromatische Aufnahme. (Aus Berliner Privatbesitz) (Photos H. Schmitt)

Infrarotfotogrcifie von Gemälden
Schon seit vielen Jahren wird in steigendem
Maße der Röntgenografie von Gemälden zur
Untersuchung ihres Aufbaues, sowie zur Fest¬
stellung vorhandener Untermalungen benutzt.
Die Möglichkeit, röntgenografische Aufnahmen
von Gemälden zu erhalten, beruht darauf, daß
das Bleiweiß durch sein hohes Absorptions¬
vermögen von Röntgenstrahlen, einem Absorp¬
tionsvermögen, das von keinem anderen Bild¬
teil erreicht wird, im Röntgenfilm eine klare
Zeichnung der Bleiweißmalerei wiedergibt. Da
es mitunter von großer Wichtigkeit ist, die
unter vergilbten und undurchsichtig geworde¬
nen Firnisschichten liegenden Malereien vor
der Firnisabnahme im fotografischen Bilde
festzuhalten, hat man versucht, von der
größeren Durchlässigkeit der Strahlen des
ultraroten Spektralbereiches des Lichtes für
trübe Medien zur Aufnahme von Gemälden
Gebrauch zu machen. F. Miiller-Skjold
und Hannes S c h rq i 11 haben vor einiger Zeit
in der „Zeitschrift für angewandte Chemie“
über Versuche berichtet, die sich mit Infrarot¬
fotografie von Malereien beschäftigen. Tn einer
Reihe von Aufnahmen zeigen sie, wie in der
Infrarotfotografie tatsächlich eine Reihe von
Einzelheiten zu sehen ist, die im Original
durch Firnistrübung unsichtbar geworden und
infolgedessen in der panchromatischen Auf¬
nahme nicht wiedergegeben werden. Zu
gleicher Zeit zeigen einige Beispiele, daß die
Infrarotfotografie Restaurierungen deutlich
sichtbar macht, die sonst nur schwer erkenn¬
bar sind. Eines der in der angeführten Arbeit
gegebenen Beispiele — ein Damenporträt, das
mit einer Kreuzabnahme übermalt wurde —
läßt in der Röntgenaufnahme (Bild 2) deutlich
das Damenporträt erkennen. Die panchroma¬
tische Aufnahme gibt entsprechend dem sicht¬
baren Bilde am besten die Kreuzabnahme

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Nächste Versteigerung: 11. und 12. Dezember 1936
Gemälde, Mobiliar, Kunstgewerbe Katalog 2109
Rudolph Lepke’s Kunst-Auctions-Hau^
(Inh. Hans Carl Krüger) Berlin WT», Potsdamer Straße 122a-b
 
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