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Jahrg. XII, Nr. 52 vom 25. Dezember 1938

DIE WELTKUNST

3

Systems gehütet wird, gelingt vollkommen.
Diese Schatzkammer (s. Abb. S. 2) ist das
Phantastischste der ganzen Ausstellung. Mit-
ten im Raum steht eine Säule. Um diese
in gleichen Abständen vier weitere Säulen,
die schwere Kapitale aus grauem Stein be-
sitzen und auf die sich wieder breite Rund-
bögen stützen. Und nun kommt das Wunder
dieser Ausstellung: diese Säulen sind durch-
sichtig, glatt, aus geschliffenem Glas und in
ihrer Mitte, in den Säuleninneren, glitzern
Gold- und Silberreliquien, Edelsteine und
handgetriebene Arbeiten. Rund um diese
Säulengruppe ziehen sich die indirekt beleuch-
teten Glaswände der Schatzkammer mit ihren
Kostbarkeiten. Edgar Panzner

Zuloaga-Ausstellung
in London
Die Eröffnung einer Ausstellung von rund
vierzig Gemälden des großen spanischen
Malers Zuloaga in den Burlington Galleries,
die in Anwesenheit prominenter Persönlich-
keiten des politischen und künstlerischen
Lebens durch den Vertreter der spanischen
Nationalregierung, den Herzog von Alba, vor-
genommen wurde, gestaltete sich zu einem
wichtigen Ereignis. Neben ausgesuchten
Werken des Künstlers, darunter einem Bildnis
aus dem Besitz des Grafen Ciano, wird auch
das Zuloaga gehörige Gemälde Grecos ..Ir-
dische Liebe“ gezeigt.

Um die Mailänder
Leonardo-Ausstellung
Die Vorbereitungen der geplanten Leo-
nardo-Ausstellung in Mailand, die ursprünglich
bereits im Herbst stattfinden sollte und deren
Eröffnung jetzt endgültig auf den 9. Mai
festgelegt ist, sind nunmehr soweit gediehen,
daß die Umrisse dieser wichtigen Veranstaltung
deutlich werden. Das untere Stockwerk und
die Hälfte des oberen des Palazzo dell’Arte
werden die Werke Leonardos einnehmen; die
übrigen Teile des Ausstellungspalastes werden
von der „Ausstellung der Erfindungen von
Leonardo bis Marconi“, die bekanntlich einen
integrierenden Bestandteil der Ausstellungs-
Idee bildet, eingenommen. Neben der eigent-
lichen Kunstschau, die durch die Zusage von
Leihgaben aus aller Welt naturgemäß den Mit-
telpunkt und Kern der Ausstellung bildet, wird
eine Abteilung der „Iconografia Leonardesca“
gewidmet, eine andere den Oerilichkeiten, wo
der Meister gelebt und gewirkt hat; einzelne
Räume enthalten seine Bibliothek, seine Instru-
mente, Rekonstruktionen seiner technischen
und mathematisch-physikalischen Erfindungen.
Die Vielseitigkeit des Forschers und Künstlers
wird also von allen Seiten beleuchtet werden,
und die Ausstellung verspricht schon darum
eines der großen Ereignisse des nächsten
Jahres zu werden.

Neuerwerbungen der Münchener Pinakothek
bunden waren. So ist


Salzburg um 1460/60, Maria mit Kind
Neuerwerbung der Alten Pinakothek, München

ein Ehrenkabinett der
großen deutschen Meister
Dürer, Grünewald, Bal-
dung, Schongauer, Cra-
nach usw. entstanden,
das in seiner wohldurch-
dachten Anordnung ge-
radezu als das Herzstück
der Galerie angesprochen
werden kann. Hier sind
die drei bedeutendsten
Neuerwerbungen einge-
fügt, deren wissenschaft-
liche Veröffentlichung
durch Buchner bevor-
steht: ein kürzlich ent-
decktes, signiertes und
datiertes Bildnis eines
Geistlichen von Grüne-
wald, das eines Geist-
lichen des Johanniter-
ordens von Hans Bal-
dung Grien, ebenfalls
signiert und datiert, und
das juwelenhafte Madon-
nenbildchen von Martin
Schongauer. Von den
weiteren Neuerwerbun-
gen seien erwähnt die
drei prachtvollen Grab-
wächter von Bernhard
Strigel (s. Abb. S. 4), das
süddeutsche Männerbild-
nis um 1460 (s. Abb.) und
die herrliche Salzburger
Madonna um 1450—1460
(s. Abb.). Auch die hollän-
dischen Meister, zu denen
das EIsheimer-Kabinett
den L1ebergang bildet,
haben eine durchgreifen-
de Umhängung nach Schu-
len und Zeitfolge er-
fahren, so daß sie sich

(3 Fotos
Generaldirektor B uchn e r hat die sechs-
tägige Reinigungpause benutzt, um in der alt-
deutschen und holländischen Abteilung der
Alten Pinakothek Neuordnungen vorzuneh-
men, die mit wesentlichen Bereicherungen ver-

Bayr. Staatsgem.-Slg.) nun auf das Beste und
vor allem übersichtlich präsentieren.
Die Generaldirektion wird demnächst eine
eigene Schrift über die zahlreichen Neuerwer-
bungen herausgeben, die Gelegenheit geben
wird,ausführlicher darüber zu berichten. L. F. F

Süddeutsch um 1460, Männliches Bildnis
Neuerwerbung der Alten Pinakothek, München


Erste Versteigerung von
Trotzdem die erste Versteigerung von
Silber aus dem Besitz des Zeitungskönigs Ran-
dolph W. Hearst durch Christie’s als ein be-
deutendes Ereignis des Londoner Marktes, im
Gesamtergebnis wie in den Einzelpreisen, be-
zeichnet werden darf, hat sich die Voraussicht,
daß die Dinge weit unter ihrem Einkaufspreis
nunmehr an den Markt gelangen werden, be-
wahrheitet: denn das jetzt erzielte Ergebnis
von £ 41882 ist etwa genau die Hälfte der
Summe, die der mit unbeschränkten Mitteln
und grenzenloser Großzügigkeit sammelnde
Besitzer selbst angelegt hatte.
Durch die Versteigerung kamen die eng-
lischen Museen in den Besitz einer Reihe für
sie wertvoller historischer Stücke. Eine Lieb-
haberin erwarb das von uns in Nr. 49 abge-

Hearst-Silber: 42000 Pfund
bildete Pusey-Horn für £ 1900 und schenkte
es dem Victoria & Albert Museum, der Natio-
nal Art Collections Fund kaufte für dasselbe
Museum einen Silberpokal von John Plummer
aus dem Jahre 1657 für £ 820, und als Ge-
schenk an das Museum in Bristol das von
dieser Stadt 1832 verkaufte Szepter für £ 1100.
Das Szepter und Schwert der Stadt Galway,
das Hearst vor erst drei Jahren für £ 5000 er-
worben hatte, wurde mit £ 1950 zugeschlagen.
Eine Wasserkanne mit Becken James I von
1618 brachte denselben Preis; ein weiteres
Paar wurde mit £ 1500 zugeschlagen. Ein
elisabethanischer Pokal von 1585 stieg auf
£ 510. ein Salzfaß derselben Epoche auf £ 820,
ein Silberflakon von 1607 auf £ 1000 und ein
Paar Jardiniereu von 1806 auf £ 175.

Eine Versteigerung im Stile

Louis-Philippe

Am italienischen Feldzug 1798 nahm ein
junger Bankierssohn aus Grenoble teil,
C. Perier. Als der Vater starb, ver-
ließ er die Armee und gründete mit seinem
Bruder eine Bank in Paris, die in der kaiser-
lichen Zeit blühte. Nach der Restauration dci
Bourbonen liberales Kammermitglied, oppo-
nierte er 1817 gegen die Anleihe, die die
Kriegsschulden decken sollte: das Land sei
kapitalkräftig genug. Als die Julirevolution,
ausgelöst durch die Erregung über die Ordon-
nanzen, die Bourbonen beseitigt hatte, über-
nahm Perier das zweite Ministerium. In den
Wirren der Zeit bewies er eine außerordent-
liche Energie, den Bürgerkönig schaltete er
aus. Er stellte sich fest gegen die radikalen
Strömungen, die den Umsturz ins Ausland
tragen wollten, wie auch gegen die schweren
Arbeiterunruhen im Lande. Außenpolitisch
setzte er in den Spannungen um die Unab-
hängigkeit Belgiens und Italiens, mit Erfolg,
die „Ehre Frankreichs“ ein und trat dann mit
einem Vorschlag an alle Mächte hervor, abzu-
rüsten, „ohne Bloßstellung der Würde und
Sicherheit Frankreichs“.
Da kam 1832 die Cholera auf ihrem Zuge
durch Europa nach Paris. Ihr erster Hauch
traf im Morgengrauen Tänzer und Tänzerinnen
des Karnevals. Die Wut über das Regime war
so gestiegen, daß eine Schmähschrift sagen
konnte: „die Cholera ist eine minder grausame
Geißel als die Regierung Louis-Philippe“. Der
Premierminister besuchte die Kranken im
Hötel-Dieu, wenige Tage darauf war er selbst
ein Opfer geworden.

Sechs Jahre später: sein Palais wird zum
Versteigerungslokal seines Kunstbesitzes. Ein
Katalog der Versteigerung befindet sich in der
Bibliothek der Berliner Museen mit hand-
schriftlichen Bemerkungen eines offensichtlich

gegnerischen Zeugen, dessen persönlich sehr
gehässige Notizen die Umwege der damaligen
Versteigerungen grell beleuchten. Zunächst
gibt er eine eigene Einführung, die wir hier
übersetzen:
„Man kann von dieser Versteigerung sagen,
daß sie nicht die der Gemälde des Herrn C.

SB7

JULIUS BÖHLER
ALTE GEMÄLDE, ANTIQUITÄTEN
UND ALTE MÖBEL
KUNSTVERSTEIGERUNGEN
MÜNCHEN BRIENNER STRASSE 12

Perier, des Premierministers, ist, sondern der
Gemälde seines Sohnes, der als .Kunstschieber
(brocanteur) gilt wie sein Vater. Er scheint
hier mehrere Nebenväter zu haben, die beauf-
tragt sind, die Gemälde zu treiben, so daß
man nicht weiß, ob sie verkauft oder zurück-
gezogen sind. So bietet diese Versteigerung
keinerlei Interesse .... Am letzten Tage der
Versteigerung hat man im Saale die Bilder
ausgestellt, die sich die Herren C. Perier Vor-
behalten hatten. Es waren etwa dreißig Ge-
mälde von größter Schönheit, unter denen
mehrere waren, die am Tage vorher verkauft
und zügeschlagen worden waren,“
Zu einem Ommeganck, der mit 7500 Francs
zu rückgekauft wurde, bemerkt unser Zeuge,
daß der zuständige Expert erzählte, Herr
Perier habe dieses Bild erst vor sechs Wochen
in Holland für 8000 Francs gekauft.
Der Katalog selbst führt in seiner Einlei-
tung aus. daß man sich aller müßigen und un-
nützen Elogen enthielte. Die Kenner und Lieb-
haber bilden weder ihr Urteil noch ihren Ge-
schmack nach der Ansicht, die man ihnen auf-
zwingen will. Den Beginn der Versteigerung
machte ein Papstporträt unter dem Namen des
Murillo. Zunächst galt es, wie der Katalog
beredt mitteilt, als venezianisch, dann hielt es
jemand für bolognesisch, schließlich kamen
die Kenner überein, es spanisch zu nennen,
und es erhielt seinen Namen, „da wir einige
Ansprüche haben, die spanische Schule zu
kennen, die wir speziell studiert haben. Das
Gemälde wird sehr billig ausgeboten werden,
so daß jeder die Konsequenzen ziehen kann,
die er wünscht“. — Man zog sie.
Kurt Erich Simon
 
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