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DIE WELT KUN ST

Jahrg. XIII, Nr. 30/31 vom 6. August 1939


Ferdinand Hodler, Sous Soleve, A usstellung: Zürich, Kunsthaus

Gotische Bildteppiche

Vom 19. bis 28. August d. Js. werden im
Kloster Lüne bei Lüneburg die gotischen Bild-
teppiche des 15. Jahrhunderts und die Leinen-
stickereien des 13. und 14. Jahrhunderts aus-

Klöstern geblüht hat. Bei den Teppichen han-
delt es sich um Arbeiten in farbiger Wolle auf
Leinen, einer Technik, die heute unter dem
Namen „Klosterstich“ bekannt ist. Die Leinen-

Die Bihel in der Kunst
Ausstellung im Rijksmuse u ni in Amsterda m

Auf keines anderen modernen Volkes Leben
hat die Bibel tiefer gewirkt als auf das des
holländischen: in keinem Volke hat sie tiefere
Spuren hinterlassen, den Alltag tiefer durch-
drungen. Sahen nicht die Kalvinisten in ihrer
Geschichte, die Geusen in ihren Taten Fort-
setzung und Wiederholung der Geschehnisse
des Alten Testamentes? War nicht — trotz
Bildersturm und schmuckloser Kirchenwände
— die Bibel jedem so vertraut, daß er vor
seinem Auge jede Bibelszene aufrufen konnte,
jede Erzählung, jedes Wort nach symbolischem
und faktischem Inhalt zu deuten verstand?
Hatte Rembrandt sie nicht zutiefst verinner-
licht, war sie nicht das Buch schlechthin ge-
worden, und ist sie es selbst für einen großen
Teil des Volkes dies auch noch heute?
Daran zu erinnern, so wie dies Dr. Schmidt-
D e g e n e r , der Direktor des Rijksmuseums,
in der Einleitung zum Katalog tut, bedeutet,
sich ein wenig klar darüber zu werden, wie
umfassend die Stellung der Bibel auch in der
Kunst der späteren Niederlande gewesen sein
muß, und es ist darum wahrlich kein schlechter
Gedanke gewesen, dies einmal in den Werken
der heutigen Generation vorzuführen.
Die Versuchung, die Frage, was die Bibel
den vorigen Geschlechtern bedeutete, nun
nüchtern-kritisch, „sachlich“ an Hand des Ge-
zeigten zu beantworten, mag für manchen
Heutigen groß sein. Wenn die Ausstellung

was ein anderer von demselben Gegenstände
gemacht hat; aber er wird auch die seelische
und geistige Sphäre erfassen müssen, in denen
das Werk geschaffen wurde. Und, merkwürdig
genug, auch er wird in beiden Hinsichten auf
seine Rechnung kommen. Denn es ist unver-
kennbar: die Ausstellung, die keineswegs
darauf abgestellt ist, nur Kunstwerke aller-
höchsten Ranges zu zeigen — das verbot zum
Teil auch die Beschränkung auf holländischen
Kunstbesitz *) — ergreift, wirkt: wirkt wie
eine innige Predigt und wie die einsame
Lektüre der Bibel, ja wirkt, auf den hierfür
Empfänglichen, noch stärker als diese.
Kunsthistorisch gesehen läßt die Ausstellung
aber doch zwei, wenn man es mit einem
großen Worte nennen will, „Entdeckungen“,
und ist man bescheidener, zwei „Feststellun-
gen“ zu, die zugleich Widerlegungen land-
läufiger Meinungen sind. Deren eine will,
daß Jan Steen in seinen biblischen Dar-
stellungen nicht zu überzeugen vermag, daß er,
was er darstellte, nicht erfühlte, äußerlich
blieb, vielleicht nur einem Besteller zu Diensten
sein wollte. Nun, auf dieser Ausstellung hängt
mehr als ein Werk seiner Hand, das nur, wer
die Bibel gründlich kannte und wer sie als
religiöser Mensch gelesen hatte, zu schaffen
vermochte (s. Abb.). Die zweite „Entdeckung“
ist die, daß Pieter Lastman, als dessen größtes
Verdienst — trotz des Buches von Freist —



Stickereien — Hunger-
und Altartüchr —, ge-
hören zu den frühsten
bekannten Arbeiten die-
ser Art, in denen Nie-
dersachsen, vor allem
das Kloster Lüne, einst-
mals führend war (siehe
Abbildung).

Jan Steen, Anbetung der Hirten
Slg. A. A. von Sandick, Rotterdam. Ausstellung: Reichsmuseum, Amsterdam

aber gelungen ist, dann wird auch der Ratio-
nalistischste der Betrachter unter den Eindruck
der Vergangenheit und dessen kommen müssen,
was Jahrhunderte hindurch die Gesamtheit der
Kunst beseelte. Der Kunsthistoriker mag sich
überdies verleitet fühlen, auf neue Entdeckun-
gen auszugehen, abwägend, wie es seine Auf-
gabe ist, zu vergleichen, was ein Meister und

gewöhnlich die Tatsache betrachtet wird, daß
er ein halbes Jahr Rembrandts Lehrmeister
war, mit ganz anderen Leistungen aufzuwarten
vermag, als man sie voraussetzt; er ist ein
besserer Maler als man denkt (s. Abb. 3).
Sind diese Tatsachen auch Überraschungen,
die größte für die allermeisten Besucher dürfte
das große Triptychon des Tizianschülers Dirck
Barentsz sein. Das Bild ist freilich seit eh und
je zu besichtigen; aber welcher ausländische
Kunstfreund, ja welcher holländische hatte Lust
und Gelegenheit, die Reise nach dem etwas
abgelegenen Gouda anzutreten, um dieses Werk
zu sehen? Sein Mittelstück stellt die Anbetung
der Hirten, die Seitenflügel das Sterbebett
Mariae und Mariae Himmelfahrt dar. Wer
italienischen Einfluß auf einen holländischen
Meister sehen will, bevor noch der Manierismus
die niederländische Einfachheit überwältigte,
der findet hier ein einzigartiges Beispiel, einzig-
artig auch dann, wenn man an die guten,
italienisch beeinflußten Bildnismaler des sechs-
zehnten Jahrhunderts der Niederlande denkt.
Es hätte der Ausstellungsleitung zweifellos
wenig Mühe gekostet, die Zahl der ausgestell-
ten Kunstwerke erheblich zu erweitern; in
vielen Museen des Landes, in manchen Privat-
sammlungen sind noch Stücke zu finden, die
in ihren Rahmen gepaßt, und dem allgemeinen
Niveau keinen Abbruch getan hätten — eine
Furcht, die die Veranstalter jeder Ausstellung
und erst recht einer solchen, wo der Dar-
stellungsgegenstand so sehr mitspricht, kennt.
Es war offenbar kluge Mäßigung, die zur Be-
schränkung auf das Gebotene führte.
*) Mit einer Ausnahme: des Engels, der Tobias
verläßt, von Rembrandt, aus dem Louvre.

Die Kunstschau der schweizeri-
schen Landesausstellung
(Fortsetzung von S. 1)
dieses Programm: hier wäre als eine kunst-
historische Erschließung auf die Ausstellung
von 60 der erhaltenen 120 Felder der aus der
Zeit um 1140 stammenden, vollständig unbe-
rührt erhaltenen bemalten Decke aus der
St. Martinskirche in Zillis hinzuweisen, die
älteste noch annähernd vollständig erhaltene
figürlich bemalte romanische Kirchendecke.
Die Abteilung „Formen“, der Plastik gewidmet,
setzt ein mit bildmäßigen Funden der römischen
Zeit und gelangt über die herrlichen Bestände
romanischer und gotischer Plastiken, die ja
durch die kunstgeschichtliche Literatur der
letzten Jahrzehnte in reichem Maße erschlossen
wurden, bis in die Zeit um 1820.
Ein imponierender Querschnitt durch das
Schaffen einer Kunstlandschaft, der auch vom
musealen und ausstellungstechnischen Gesichts-
punkt aus das Interese der Fachleute zu erregen
vermag, gleichzeitig aber einen tiefen Einblick
in das Wesen eines Volkstums gewährt.

Arabische
und persische
Hand-
schriften

für die Preußische
Staatsbibliothek

Nach fast 14jährigen
Verhandlungen erwarb die
Preußische Staatsbiblio-
thek eine außerordentlich
seltene und kostbare
Sammlung von arabischen
und persischen Hand-
schriften, deren Haupt-
wert in den Unika liegt.
Sie wurden von einem
Forschungsreisenden ge-
sammelt und nach dessen
Tode von einer Leipziger
Buchhandlung übernom-
men. Die Sammlung ent-
hält u. a. eine Miniatur-
handschrift des 17. Jahr-
hunderts, eine Ausgabe
des berühmtesten Werkes
des größten epischen
Dichters der Perser Fir-
dausi.

gestellt werden. Diese Stickereien sind charak-
teristische Proben niedersächsischer Textil-
kunst des Mittelalters, die vom 13. bis zum
Anfang des 16. Jahrhunderts in den dortigen

Schlußbild des Banklakens von 1492 mit der Legende des Hlg. Bartholomäus.
Farbige Wollstickerei auf Leinen. Ausstellung im Kloster Lüne
(Foto Dr. Zaun)

LUDWIGS-GALERIE
K. THÄTER
GEMÄLDE
ERSTEN RANGES
MÜNCHEN 2, OTTOSTRASSE 5

■ tBK •1

GEMÄLDE
15. BIS 19. JAHRHDT.

HEINEMANN
WIESBADEN - TAUNUSSTR. 39 - F 28358

ANTIQUITÄTEN
MÖBEL PLASTIKEN
 
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