DER ÄSTHETISCHE GEGENSTAND. 73
Kann man hier aber auch das Aufsuchen der kausalen Zusammen-
hänge nicht derartig steigern, so ist hingegen die Methode der Be-
schreibung einer Weiterbildung fähig. Man leitet diese Weiter-
bildung der deskriptiven Methode vielleicht am besten folgender-
maßen ein.
Nachdem wir bisher das gesamte der Ästhetik vorliegende Tat-
sachenmaterial unter dem Gesichtspunkte dinglicher Objektitäten und
deren kausaler Beziehungen betrachtet hatten, werden wir bei dem
Phänomen des ästhetischen Urteilens auf eine ganz andersartige »Be-
ziehung« aufmerksam, die in deren Eigenart begründet ist.
Wenn wir ein Kunstwerk werten: »Das ist schön« oder »das ist
nicht schön«, so ist dieses (aktuelle) Urteilen zwar sicherlich auch
irgendwie eine »Wirkung« des Kunstwerkes, aber es ist jedenfalls mehr
als das: Wir sagen, »das Urteil meint etwas« oder »es bezieht sich
auf einen Gegenstand und wertet diesen«. Oder, solange wir von
dem aktuellen Urteilen sprechen, sagen wir etwa »wir meinen etwas
in dem Urteil«, »wir sind auf einen Gegenstand gerichtet und werten
diesen«. Und dieselbe »Beziehung auf einen Gegenstand« finden wir
dann bei näherem Zusehen in gleicher Weise bei den »Akten«, die
das Urteil »fundieren«, bei dem Betrachten, Erfassen und Genießen
des Kunstwerkes !).
ein absolutes: »Du sollst das Auge durch eine Allee oder dergl. zwingen, von vorn
ausgehend sich in die Tiefe zu versenken.« Also eine normative Gesetzesästhetik,
aber durchaus eine naturwissenschaftliche! — Vgl. auch die Darstellung des Zu-
sammenhanges der beschreibenden und normativen Wissenschaften bei Dessoir
(»Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft«, Stuttgart, Ferd. Enke, 1906, S. 94 f.).
3) Natürlich liegt im Falle aktueller Kunstwahrnehmung und aktuellen Kunst-
genusses ein Vorgang vor, dem wir physische und eventuell psychische exakte
Kausalität supponieren: Die Marmorstatue reflektiert Lichtstrahlen, diese reizen
unsere Netzhaut, die Reizung pflanzt sich fort zum Gehirn, setzt dort sekundär
weitere Teile in Miterregung — und ähnlich auf psychischer Seite; aber über dies
vSupponieren« kommen wir dort nicht hinaus.
') Ob wir das Kunstwerk immer und ob wir alles an demselben »gegenständ-
lich« haben, darüber soll dadurch nicht entschieden sein. Es scheint vielmehr von
vornherein zweifellos, daß man auch in einem Kunstwerk, z. B. einer Musikauffüh-
rung, »leben« kann. Wieder eine andere Frage aber ist, ob sich an ein solches
Erlebnis dann unmittelbar ein Werturteil knüpfen, ob ein solches Erlebnis ein Wert-
urteil »fundieren« kann. Wir entnehmen diese durch Anführungsstriche hier her-
vorgehobene Terminologie zum Teil E. Husserls »Logischen Untersuchungen« (Halle
1900 und 1901 M. Niemeyer) und müssen für das Verständnis des prägnanten Sinnes
derselben auf dieses Werk hinweisen, auch habe ich H.s letzte Vorlesung über
die »Hauptstücke aus der Phänomenologie und Kritik der Vernunft« (vom Sommer
1907) bei der Überarbeitung dieses Teiles noch nach Möglichkeit berücksichtigt und
mich der dort verwandten und für seine kommenden Publikationen maßgebenden
Terminologie angeschlossen.
Kann man hier aber auch das Aufsuchen der kausalen Zusammen-
hänge nicht derartig steigern, so ist hingegen die Methode der Be-
schreibung einer Weiterbildung fähig. Man leitet diese Weiter-
bildung der deskriptiven Methode vielleicht am besten folgender-
maßen ein.
Nachdem wir bisher das gesamte der Ästhetik vorliegende Tat-
sachenmaterial unter dem Gesichtspunkte dinglicher Objektitäten und
deren kausaler Beziehungen betrachtet hatten, werden wir bei dem
Phänomen des ästhetischen Urteilens auf eine ganz andersartige »Be-
ziehung« aufmerksam, die in deren Eigenart begründet ist.
Wenn wir ein Kunstwerk werten: »Das ist schön« oder »das ist
nicht schön«, so ist dieses (aktuelle) Urteilen zwar sicherlich auch
irgendwie eine »Wirkung« des Kunstwerkes, aber es ist jedenfalls mehr
als das: Wir sagen, »das Urteil meint etwas« oder »es bezieht sich
auf einen Gegenstand und wertet diesen«. Oder, solange wir von
dem aktuellen Urteilen sprechen, sagen wir etwa »wir meinen etwas
in dem Urteil«, »wir sind auf einen Gegenstand gerichtet und werten
diesen«. Und dieselbe »Beziehung auf einen Gegenstand« finden wir
dann bei näherem Zusehen in gleicher Weise bei den »Akten«, die
das Urteil »fundieren«, bei dem Betrachten, Erfassen und Genießen
des Kunstwerkes !).
ein absolutes: »Du sollst das Auge durch eine Allee oder dergl. zwingen, von vorn
ausgehend sich in die Tiefe zu versenken.« Also eine normative Gesetzesästhetik,
aber durchaus eine naturwissenschaftliche! — Vgl. auch die Darstellung des Zu-
sammenhanges der beschreibenden und normativen Wissenschaften bei Dessoir
(»Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft«, Stuttgart, Ferd. Enke, 1906, S. 94 f.).
3) Natürlich liegt im Falle aktueller Kunstwahrnehmung und aktuellen Kunst-
genusses ein Vorgang vor, dem wir physische und eventuell psychische exakte
Kausalität supponieren: Die Marmorstatue reflektiert Lichtstrahlen, diese reizen
unsere Netzhaut, die Reizung pflanzt sich fort zum Gehirn, setzt dort sekundär
weitere Teile in Miterregung — und ähnlich auf psychischer Seite; aber über dies
vSupponieren« kommen wir dort nicht hinaus.
') Ob wir das Kunstwerk immer und ob wir alles an demselben »gegenständ-
lich« haben, darüber soll dadurch nicht entschieden sein. Es scheint vielmehr von
vornherein zweifellos, daß man auch in einem Kunstwerk, z. B. einer Musikauffüh-
rung, »leben« kann. Wieder eine andere Frage aber ist, ob sich an ein solches
Erlebnis dann unmittelbar ein Werturteil knüpfen, ob ein solches Erlebnis ein Wert-
urteil »fundieren« kann. Wir entnehmen diese durch Anführungsstriche hier her-
vorgehobene Terminologie zum Teil E. Husserls »Logischen Untersuchungen« (Halle
1900 und 1901 M. Niemeyer) und müssen für das Verständnis des prägnanten Sinnes
derselben auf dieses Werk hinweisen, auch habe ich H.s letzte Vorlesung über
die »Hauptstücke aus der Phänomenologie und Kritik der Vernunft« (vom Sommer
1907) bei der Überarbeitung dieses Teiles noch nach Möglichkeit berücksichtigt und
mich der dort verwandten und für seine kommenden Publikationen maßgebenden
Terminologie angeschlossen.