Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 3.1908

DOI article:
Hilpert, Constantin: Eine stilpsychologische Untersuchung an Hugo von Hofmannsthal
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.3433#0388
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
380

CONSTANTIN HILPERT.

einflußbaren spielenden Macht der Phantasie. Er liebt die traumähn-
lichen assoziativen inneren Anschauungsreihen. Er liebt sie mit seiner
ganzen Vorliebe für alles Spielende und Leichte. Und leicht und
spielend steigt ihm das alles auf, muß ihm das alles aufsteigen aus
seinem erstaunlich reichen Assoziationsleben. Schon bei den mehr
unterbewußten simultanen Assoziationen, die so viele verschiedenste
Sinneseindrücke einer Erscheinung zu einem Ganzen zusammen-
schließen — schon hier zeigt sich dieser Beziehungsreichtum. Viel
mehr aber noch in den sukzessiven Assoziationen, in solchen Vorstel-
lungs- und Symbolreihen wie die angeführten, in seinem Symbolreich-
Jum überhaupt. Und am meisten in dem inneren Erlebnis, das ihm
aus diesem Aufsteigen und Sichanbieten fließt, in dem starken Gefühl
für Reziprozität, das sich überall bei ihm zeigt, das er unaufhörlich
gestaltet, und das sich zu einer Freude an geheimen Beziehungen und
an aller Relativität steigert. Diese Beziehungen aber und diese Rela-
tivität lassen sich ebenso wenig endgültig begreifen, endgültig in
logische Formen bringen wie die Gesetze des Assoziationslebens.
Denn diese sind im Hauptkomplex verschieden von den Denkgesetzen,
— aber mit individuellen Schwankungen der Grenze. Darum ist es
nicht nur ein Ausdruck einer allgemeinen psychologischen Tatsache,
sondern es hat auch seine individuelle Nuance, wenn in dem Stil eines
von einem reichen Assoziationsleben abhängigen Geistes gegenüber
allen anderen Konjunktionen — und das sind doch mit die Haupt-
träger der logischen Beziehungen — das »und« und das »oder ...
oder ... oder«, diese alogischsten Konjunktionen so ungeheuer domi-
nieren. Hofmannsthal hat eben nicht den Trieb, logische Verhältnisse
auch da, wo es nicht unbedingt nötig ist, herauszuarbeiten. Für den
poetischen Stil ist das ein ganz allgemeines Charakteristikum, aber
bei ihm geht es auch in den Prosastil über. Und dieses »oder ...
oder ... oder« und das auffällige Zurücktreten eines entschiedenen
»entweder ... oder« weist weiter, weist auf seine Veranlagung, überall
Möglichkeiten zu sehen, und das Wort »Möglichkeit« ist einer seiner
Lieblinge. Aber »die Last der immer wieder durchgedachten, verblaßten,
jetzt schon toten Möglichkeiten« die wirft er leicht ab, denn immer
neu steigen sie ihm auf, doch kaum eine, die mit irgend einer Grund-
lage besonders stark verknüpft wäre, die zur Notwendigkeit wird. Er
hat kein starkes Notwendigkeitsgefühl, — diese Voraussetzung des
Geistes, dem straffe Gedankenoperationen natürlich sind und dem es
leicht wird, ganze Gedankenketten und Systeme mit sich herum-
zutragen, ohne sie fixieren zu müssen aus Angst, daß er die not-
wendigen Verknüpfungen nicht wiederfindet. — Denn »er schätzt die
Einzigkeit der Begebenheit unendlich hoch. Über alles setzt er das
 
Annotationen