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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 5.1910

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Dessoir, Max: Objektivismus in der Ästhetik
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https://doi.org/10.11588/diglit.3528#0006

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MAX DESSOIR.

leider jedoch mit der Unterscheidung von schön und häßlich vermengt
worden. Am 13. März 1791 hatte Körner an Schiller geschrieben:
»Kant spricht bloß von der Wirkung der Schönheit auf das Subjekt.
Die Verschiedenheit schöner und häßlicher Objekte, die in den Ob-
jekten selbst liegt, und auf welcher diese Klassifikation beruht, unter-
sucht er nicht. Daß diese Untersuchung fruchtlos sein würde, be-
hauptet er ohne Beweis, und es fragt sich, ob dieser Stein der Weisen
nicht noch zu finden wäre«x). Schiller hat sich dann auch redlich
um die gegenständlichen Eigenschaften des Schönen bemüht, was zu-
nächst in den »Fragmenten aus den ästhetischen Vorlesungen« und
insbesondere in den Kallias-Briefen hervortritt. Die gefundenen For-
meln: »Schönheit ist Freiheit in der Erscheinung«2) oder »Existenz
aus bloßer Form«, so sehr sie dazu bestimmt waren, die Objektivität
des Schönen zu betonen, blieben doch im allgemeinen schweben und
mußten erst reicher ausgefüllt werden, um ihre ganze Wirksamkeit zu
entfalten. Worauf es hier ankommt, ist indessen nur, die Neigung
der Schillerschen Ästhetik zum Objektivismus festzustellen. Schiller
verkennt nicht, daß die »Freiheit in der Erscheinung« auf Einfühlung
einer menschlichen Erfahrung (der Freiheit) in den Gegenstand zurück-
geht, aber er meint, daß dadurch die Selbstgesetzmäßigkeit des Objekts
als das Wesen seiner Schönheit bezeichnet werde, die »innere Not-
wendigkeit der Form«, »eine Regel, die von dem Dinge selbst zu-
gleich befolgt und gegeben ist«. Auch die erhabenen Erscheinungen
haben ihre Qualität bloß für den Menschen, doch muß »in den Ob-
jekten selbst der Grund enthalten sein, warum gerade nur diese und
keine anderen Objekte uns zu diesem Gebrauch Anlaß geben«.

In der Tat kann darüber doch gar kein Zweifel herrschen, daß die
in den ästhetischen Kategorien zum Ausdruck gebrachten Verschieden-
heiten auf unterschiedenen Merkmalen der ästhetischen Gegenstände
beruhen. Welche Vorgänge komisch, tragisch, niedlich, erhaben sind,
wird nicht bloß von der Gemütsrichtung des Aufnehmenden be-
stimmt — gewisse Dinge können eben schlechterdings nicht niedlich,
andere niemals tragisch genannt werden. Damit stimmen die Ergeb-
nisse experimenteller Untersuchung überein. Sie zeigen, daß einige
Formen (Rhythmen, Farbenzusammenstellungen) wohlgefälliger sind als
andere und zwar kraft ihrer objektiven Beschaffenheit, die hier, inner-
halb der elementaren Verhältnisse, ziemlich gut nachgewiesen werden
kann. Allein über die ästhetische Qualität im allgemeinen geben sie
keinerlei Aufschluß, denn auch die häßlichen Verhältnisse, die miß-

') Schillers Briefwechsel mit Körner 2. Aufl., I, 404.
2) Säkularausgabe XII, 351.
 
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