104 BESPRECHUNGEN.
rakter trägt im Gegensatz zu der spekulativen und konstruktiven Ästhetik früherer
Zeiten«, so sieht er in G. Th. Fechner den Begründer der heutigen Ästhetik
und widmet ihm und seiner »unmittelbaren Nachwirkung« die beiden ersten
der acht Abschnitte, in die das Buch zerfällt, während er den vorangehenden Be-
mühungen um die Ästhetik, die für ihn eine wesentlich nur historische Bedeutung
haben, nur eine wenige Seiten umfassende »Einleitung« gewährt. Die beiden fol-
genden Abschnitte charakterisieren sodann die »Hauptrichtungen und die
Grundprobleme der gegenwärtigen Ästhetik« und den Zusammenschluß der-
selben zu der »Einheit« des Forschungsgebietes. »In dem ästhetischen Tatsachen-
gebiet,« sagt er S. 37 f., »haben wir es nicht bloß mit einer besonderen Art von
Bewußtseinsvorgängen zu tun, wie die psychologische Ästhetik annimmt, sondern
mit einem eigenartigen Verhalten des Menschen zur Welt, das nach seiner
subjektiven und objektiven Seite hin von der wissenschaftlichen Ästhetik in
gleicher Weise gewürdigt werden muß und das wir in seiner Eigenart von dem
erkennenden und dem praktischen und sittlichen Verhalten des Menschen
zur Welt durch bestimmte Merkmale zu unterscheiden und abzugrenzen haben«.
Aus dieser Formulierung ergibt sich nun eine vierfache Aufgabe der Ästhetik, deren
Behandlung zu einer Gliederung in vier weitere Abschnitte führt: 5. »Die Psycho-
logie des ästhetischen Gefallens«. 6. »Die Psychologie des künstlerischen Schaffens«.
7. »Die ästhetische Betrachtung der Kunst«. 8. »Die ästhetische Kultur«.
Durch dieses ausdrückliche Einbeziehen der ästhetischen Kultur in das Forschungs-
gebiet der Ästhetik folgt der Verfasser übrigens dem von Dessoir eingeschlagenen
Weg, dem er auch sonst unter den heutigen Ästhetikern in seinen Anschauungen
und seiner Forschungsweise am nächsten stehen dürfte.
Um das Bestreben nach Vollständigkeit zu charakterisieren, das den Verfasser
leitet, wollen wir noch hervorheben, daß er, da »die wissenschaftliche Behand-
lung« des letzten dieser Probleme (der »allgemeinen Durchdringung unseres ganzen
Lebens mit einer schönen Form«) noch sehr »darniederliegt«, sich hier sogar mit
den praktischen Bemühungen beschäftigt, »die auf die Verwirklichung des Ideals
einer ästhetischen Kultur«, als auf die »ästhetische Erziehung des einzelnen wie der
Gesellschaft« ausgehen, und daß hier die Bestrebungen des »Dürerbundes«, die
Ziele der »Hamburgischen Hausbibliothek«, die Belebung des Dilettantismus, die
künstlerische Gestaltung der Umgebung des einzelnen usw. zur Sprache kommt.
Halle a. S.
Waldemar Conrad.
Wolf Dohrn, Die künstlerische Darstellung als Problem der Ästhetik.
Untersuchungen zur Methode und Begriffsbildung der Ästhetik mit einer
Anwendung auf Goethes Werther. Bd. X der Beiträge zur Ästhetik. Heraus-
gegeben von Theodor Lipps und Richard Maria Werner. Hamburg u. Leipzig,
Verlag von Leopold Voß, 1908. gr. 8°. 232 S.
Das Buch zeugt von einer Vereinigung ungewöhnlichen Scharfsinns mit echtem,
liebevollem Kunstverständnis. Es zeigt daher in der Darstellung Schärfe und
Prägnanz und überrascht überdies oft durch den Reichtum des sprachlichen Aus-
drucks, der dem Verfasser zu Gebote steht.
Im übrigen sagt das Vorwort nicht ganz mit Unrecht, daß die Arbeit »mehr
ein Versuch als ein Ergebnis« sei. Dies ist richtig insofern sie erstens mehr An-
regungen enthält als gesicherte Ergebnisse allgemeiner Natur, und insofern sie
zweitens kein wohlproportioniertes Ganze ist.
Sie geht nämlich darauf aus, »neben eine allgemeine Ästhetik eine individuali-
rakter trägt im Gegensatz zu der spekulativen und konstruktiven Ästhetik früherer
Zeiten«, so sieht er in G. Th. Fechner den Begründer der heutigen Ästhetik
und widmet ihm und seiner »unmittelbaren Nachwirkung« die beiden ersten
der acht Abschnitte, in die das Buch zerfällt, während er den vorangehenden Be-
mühungen um die Ästhetik, die für ihn eine wesentlich nur historische Bedeutung
haben, nur eine wenige Seiten umfassende »Einleitung« gewährt. Die beiden fol-
genden Abschnitte charakterisieren sodann die »Hauptrichtungen und die
Grundprobleme der gegenwärtigen Ästhetik« und den Zusammenschluß der-
selben zu der »Einheit« des Forschungsgebietes. »In dem ästhetischen Tatsachen-
gebiet,« sagt er S. 37 f., »haben wir es nicht bloß mit einer besonderen Art von
Bewußtseinsvorgängen zu tun, wie die psychologische Ästhetik annimmt, sondern
mit einem eigenartigen Verhalten des Menschen zur Welt, das nach seiner
subjektiven und objektiven Seite hin von der wissenschaftlichen Ästhetik in
gleicher Weise gewürdigt werden muß und das wir in seiner Eigenart von dem
erkennenden und dem praktischen und sittlichen Verhalten des Menschen
zur Welt durch bestimmte Merkmale zu unterscheiden und abzugrenzen haben«.
Aus dieser Formulierung ergibt sich nun eine vierfache Aufgabe der Ästhetik, deren
Behandlung zu einer Gliederung in vier weitere Abschnitte führt: 5. »Die Psycho-
logie des ästhetischen Gefallens«. 6. »Die Psychologie des künstlerischen Schaffens«.
7. »Die ästhetische Betrachtung der Kunst«. 8. »Die ästhetische Kultur«.
Durch dieses ausdrückliche Einbeziehen der ästhetischen Kultur in das Forschungs-
gebiet der Ästhetik folgt der Verfasser übrigens dem von Dessoir eingeschlagenen
Weg, dem er auch sonst unter den heutigen Ästhetikern in seinen Anschauungen
und seiner Forschungsweise am nächsten stehen dürfte.
Um das Bestreben nach Vollständigkeit zu charakterisieren, das den Verfasser
leitet, wollen wir noch hervorheben, daß er, da »die wissenschaftliche Behand-
lung« des letzten dieser Probleme (der »allgemeinen Durchdringung unseres ganzen
Lebens mit einer schönen Form«) noch sehr »darniederliegt«, sich hier sogar mit
den praktischen Bemühungen beschäftigt, »die auf die Verwirklichung des Ideals
einer ästhetischen Kultur«, als auf die »ästhetische Erziehung des einzelnen wie der
Gesellschaft« ausgehen, und daß hier die Bestrebungen des »Dürerbundes«, die
Ziele der »Hamburgischen Hausbibliothek«, die Belebung des Dilettantismus, die
künstlerische Gestaltung der Umgebung des einzelnen usw. zur Sprache kommt.
Halle a. S.
Waldemar Conrad.
Wolf Dohrn, Die künstlerische Darstellung als Problem der Ästhetik.
Untersuchungen zur Methode und Begriffsbildung der Ästhetik mit einer
Anwendung auf Goethes Werther. Bd. X der Beiträge zur Ästhetik. Heraus-
gegeben von Theodor Lipps und Richard Maria Werner. Hamburg u. Leipzig,
Verlag von Leopold Voß, 1908. gr. 8°. 232 S.
Das Buch zeugt von einer Vereinigung ungewöhnlichen Scharfsinns mit echtem,
liebevollem Kunstverständnis. Es zeigt daher in der Darstellung Schärfe und
Prägnanz und überrascht überdies oft durch den Reichtum des sprachlichen Aus-
drucks, der dem Verfasser zu Gebote steht.
Im übrigen sagt das Vorwort nicht ganz mit Unrecht, daß die Arbeit »mehr
ein Versuch als ein Ergebnis« sei. Dies ist richtig insofern sie erstens mehr An-
regungen enthält als gesicherte Ergebnisse allgemeiner Natur, und insofern sie
zweitens kein wohlproportioniertes Ganze ist.
Sie geht nämlich darauf aus, »neben eine allgemeine Ästhetik eine individuali-